Review

Feelgood ist auch mal gut, selbst wenn es eine so scheinbar abgedroschene Formel wie "Behinderter trifft sozial schwachen Kleinganoven" betrifft.
Es gibt nun mal Filme, die schaffen es, breitestgehend alle Zielgruppen abzudecken und schaffen dann zweistellige Millionen-Besucherzahlen in ihrem eigenen und Überraschungserfolge in anderen Ländern.
"Ziemlich beste Freunde" ist so ein passendes Konglomerat, das auch noch mit dem "basierend auf einer wahren Geschichte" wichteln gehen darf, selbst wenn der Pfleger im wahren Leben vielleicht nicht ganz so schwarz und der Behinderte möglicherweise nicht ganz so tapfer mit seiner Lähmung umgegangen sind.

Es liegt nah, in solchen Geschichten heftig zu menscheln, sich durch ein paar Untiefen zu dramatisieren und für geschickte Lacher zu sorgen, aber so abgedroschen gerät dieser frische Franzose dann wieder auch nicht.
Denn anstatt das "menschliche Drama" so richtig schön auszuwalzen, konzentriert man sich hauptsächlich auf den lebensbejahenden Witz, der sich daraus ergeben kann, wenn einer immer den anderen darin befeuert, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen.

Die Konstellation ist dabei noch recht klassisch: Philippe ist enorm reich, weswegen er mit seiner Vom-Hals-abwärts-Lähmung auch noch halbwegs gut mit reichlich Hilfe zurecht kommt. Die Story läßt Fragen, wie es wohl wäre, würde sich der Behinderte auf staatliche Hilfe verlassen müssen, lieber mal weg, sondern konzentriert sich auf den menschlichen Faktor. Der ehemalige Sportler und kunstbeflissene Geschäftsmann ist eher von so elementaren Dingen wie Mitleid abgestoßen und alles was zu seiner Tagespflege anmarschiert, ist entweder verunsichert oder übervorsichtig bis suprafürsorglich oder kann auf direkte Fragen bezüglich seiner Motivation kaum mehr als banale Prospektadressen absondern.
Dann kommt der Farbige Driss dazu, aus sozial eher schwachen Verhältnissen, aus einer Großfamilie, aus ehemaligen juristischen Schwierigkeiten. Seine Absichten sind klar definiert: er braucht nur eine Unterschrift für die Arbeitslosenhilfe, käme mit seinen Kumpels vor dem Wohnblock und einem Joint auch ganz gut zurecht, auch wenn die Kritik seiner Mutter etwas an ihm nagt. Sein Pfund, mit dem er ungewollt wuchert, ist sein zwanglos-offener Umgang mit Philippe, den er ungewollt wie jeden anderen behandelt und an den er einige verbale Peinlichkeiten austeilt. Und schon hat er den Job, den er eigentlich gar nicht wollte, aber dann locken ihn doch die Vorteile, die ein schönes Zimmer, viel Luxus und eine nicht abschätzige Gesellschaft mit sich bringt. Und Philippe amüsiert sich wie Bolle über jemanden, der die Behinderung als etwas angeht, das man händeln und an dem man wachsen muß. Jemand, der auch mal etwas Staub aufwirbelt.

Die Geschichte ist kein Ausbund an Originalität, aber die unverfälschte Frische, mit der hier an die Gegensätzlichkeiten herangegangen wird, hat etwas Einnehmendes an sich. Driss lernt schon bald, daß sein lockerer Lebensstil in diesem Fall zumindest zeitweise bedingt, daß jemand auf ihn angewiesen ist, was er bei seiner Familie eben nicht durchgezogen hat.
Und Philippe holt sich seine Dosis Lebensfrische zurück, auch wenn die Untiefen der Situation immer wieder aufklaffen.
Während Driss nämlich im Kopf sich zumindest um seinen mit Drogen handelnden Bruder beschäftigt ist, fehlt Philippes auf das Machbare eingenordetem Alltag die gewisse Spontaneität, weswegen er seine sehr emotionale Brieffreundschaft mit einer ihm unbekannten, aber sehr nahestehenden Frau, auch nur aus der Distanz führt. Vor einem echten Kontakt schreckt er zurück, was aber bei Driss nicht von Dauer sein kann.

Das Beste an "Ziemlich beste Freunde" ist, daß er sich nie festfährt, nicht überdreht, wenn es emotional wird. Der Film schildert einen Entwicklungsprozess und das mit entwaffnend lebenslustigen und komischen Szenen, die ein "Jawohl!"-Gefühl transportieren. Der Reiz liegt natürlich darin, wie Driss Philippe und sein Umfeld aufmischt. Wie er Philippes Sekretärin anbaggert, die Pflegerin mit dem Gärtner verkuppelt, sich in der Oper oder auf einer steifen Geburtstagsfeier charmant daneben benimmt, weil die Etikette und die Realität eben so sind und man den Witz darin nicht mehr bemerkt.
Der Film verbreitet Lebenslust und Geschwindigkeitsrausch und das macht ihn so unwiderstehlich anziehend.

Selbst die unvermeidliche Trennung gerät nicht träntreibend, sondern zu einem organischen Prozess, der niemals abschließt, weil Menschen die sich wichtig sind, eben nicht wirklich lange getrennt sein können. Echte Freunde passen aufeinander auf, weil sie gegenseitig von sich profitieren.

Will man mosern, dann kann man anmerken, das auf diese Art der Film nur ein realitätsfernes Leichtgewicht ist, das wirkliche Probleme eher ausblendet und selbst den herben Seiten des Alltag (z.B. die Säuberung Philippes nach seinem Stuhlgang) nur ein komisches Augenzwinkern abverlangt. Aber stattdessen plädiert der Film einfach für Lebenslust und Menschlichkeit, die Grenzen nicht verwischt, sondern unkenntlich macht, indem er sie nicht vorne an stellt oder betont.
Zu oft hat man schon Dramödien gesehen, die sich dann doch an den dunklen Seiten der Beziehung abarbeiten, weil angenommen würde, man müsse das tun, sonst würde man dem komplexen Thema nicht gerecht. "Ziemlich beste Freunde" dagegen fokussiert mehr auf ein Verhältnis zwischen zwei Menschen und wie sie damit umgehen und vermittelt so einen positiven Trend, das Beste im Schlimmen zu sehen und dies zu genießen.
Warum sollte das nicht auch einmal reichen? (8/10)

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