Die junge Lucy beginnt als häusliche Krankenpflegerin. Ihre Arbeit führt in die marode Villa von Mrs. Jessel, die bereits seit Jahren in einem tiefen Koma liegt. Als sie sich über den Unfall der älteren Dame erkundigt, die früher als Tanzlehrerin tätig war, erfährt sie von einem Schatz, der irgendwo im Haus versteckt sein soll. Zusammen mit ihren Freunden William und Ben macht sie sich in der Nacht schließlich auf die Suche, bricht in das Gemäuer ein. Unerklärliche Vorkommnisse veranlassen sie ihre Suche abzubrechen und schnell die Flucht zu ergreifen. Doch auf einmal ist der Ausgang versperrt. Sie sind in dem alten Haus gefangen. Und auf einmal werden all ihre Ängste bestätigt, als etwas Unheimliches Jagd auf sie macht...
Auch die zweite Regie-Arbeit des Erfolgs-Gespanns von "Inside" stellt sich als absoluter Volltreffer heraus, präsentiert sich doch einmal mehr ein wirklich erstklassiger Genre-Beitrag aus unserem Nachbarland Frankreich. Dennoch sollte man sich von den Namen Alexandre Bustillo und Julien Maury keinesfalls in die Irre leiten lassen, denn "Livid" ist vollkommen anders gestaltet als der ziemlich derbe-und blutrünstige Beitrag von 2007. Hier handelt es sich nämlich keinesfalls um einen der extrem harten französischen Horrorfilme, die im Laufe der letzten Jahre den Zuschauer begeistert haben, obwohl der vorhandene Härtegrad auch nicht gerade zu verachten ist. "Livid" zeigt vielmehr die Kombination verschiedenster Elemente die allesamt für sich gesehen nichts unbedingt Neues bieten. In vorliegendem Fall ist es jedoch die herausragende Zusammenführung der einzelnen Komponenten, die in der Summe einen meiner Meinung nach sehr innovativen Eindruck hinterlässt. Ein wenig Fantasy, etwas Splatter-und Gore, dazu eine Prise Haunted House-Horror und eine gewaltige Portion schauriges Horror-Märchen ergibt letztendlich eine Mischung, die man nur als absolut faszinierend bezeichnen kann.
Dabei ist in den ersten gut 30 Minuten noch nicht einmal der Ansatz eines Horrorfilms zu erkennen, denn in dieser Phase der Geschichte werden einem lediglich die einzelnen Charaktere oberflächlich näher gebracht und ansonsten dümpelt das Ganze sogar etwas vor sich hin. Manch einem mag das im ersten Moment vielleicht sogar langweilig vorkommen, doch ich sehe diesen Aspekt vielmehr als einen äußerst gelungenen Schachzug der Regisseure an, um den Zuschauer ein wenig in Sicherheit zu wiegen. Nach dem ersten Filmdrittel kann man nämlich auf jeinen Fall mit einem so herausragendem Szenario rechnen, das sich in der folgenden Stunde offenbaren soll. So ändert sich dann auch die Richtung der Story fast schlagartig, denn sobald sich die 3 Teenager in der Nacht auf den Weg zu dem alten Haus machen entfaltet sich wie aus dem Nichts eine immer dichter werdende Atmosphäre, von der zuvor überhaupt nichts zu spüren war. Den folgenden Ereignissen wird schlagartig eine nahezu perfekte Grusel-Atmosphäre verliehen, die sich auch sofort auf den Betrachter überträgt. In jeder einzelnen Szene kann man das aufkommende Unheil förmlich spüren und hat dabei die Vorahnung, das man auf etwas wirklich Faszinierendes zusteuert.
Das, was sich dann aber im Endeffekt präsentiert, konnte man in dieser Form beim besten Willen nicht vorhersehen, kommt nun doch die ganze Intensität des Geschehens voll zur Geltung. Man selbst gerät dabei in eine Art sogartigen Strudel, da sich verschiedenste Horror-Elemente nun fast minütlich miteinander abwechseln und der jeweilige Übergang einen fast schon in einen Rauschzustand versetzt. Einzig und allein der märchenhafte Aspekt ist die ganze Zeit über vorhanden und verliert sich auch nicht in einigen wirklich harten-und blutigen Passagen, die hier durchaus vorhanden sind. Trotz einer streckenweise aufkommenden Brutalität verfügt "Livid" über eine ungemein ästhetische Komponente, die man sich irgendwie gar nicht so recht erklären kann. Einerseits grausam-und kompromisslos, eröffnen sich doch auch immer wieder Sequenzen, die einen allein schon durch ihre musikalische Untermalung beruhigen. Es ist recht schwer, die gewonnenen Eindrücke dieses Filmes in Worte zu fassen, hinterlässt das Szenario doch einen extrem nachhaltigen Eindruck und man braucht eine gewisse Zeit, um das Gesehene so richtig einzuordnen. Doch ehrlich gesagt kann man das gar nicht wirklich und genau aus dieser Unentschlossenheit bezieht das Werk seine Einzigartigkeit. Dinge, die zuerst anscheinend keinerlei Sinn ergeben, werden durch immer wieder eingestreute Flashbacks lückenlos erklärt und dennoch bleibt immer noch ein wenig Freiraum für eigene Interpretationen.
Letztendlich haben Bustillo und Maury hier etwas wirklich Fantastisches kreiert, das beim Betrachter die unterschiedlichsten Emotionen auslöst. Hin-und her gerissen zwischen einem brillanten Grusel-Feeling, harten-und blutigen SFX und einem märchenhaften Alptraum wird man zum Ende hin sogar noch mit einem Hauch Melancholie bedient, der eine absolut fantastische Geschichte perfekt aufrundet. Nur eher selten schafft es ein einziger Film, so viele verschiedene Elemente auf eine Art miteinander zu verbinden und einen dabei so in seinen Bann zu ziehen, das man auch lange nach dem Ende der Geschichte noch wie in Trance ist. "Livid" schafft es fast spielerisch, die Genre-Grenzen zerfließen zu lassen und zieht dabei dennoch einen roten Faden zwischen Märchen, Fantasy-und knallhartem Horror, was letztendlich für einen Filmgenuss der besonderen Art garantiert. Manch einer mag das eventuell anders sehen, doch mich hat dieses Werk restlos begeistert, so das ich nur eine unbedingte Empfehlung für alle Fans des Genres aussprechen kann.
Fazit:
Nach etlichen wirklich extrem harten Horrorfilmen aus Frankreich erscheint nun mit "Livid" ein etwas anderer Vertreter des Genres. Dennoch braucht man sich auch hier über mangelnde Härte nicht beklagen, doch die Geschichte hat auch ansonsten eine Menge zu bieten. Insbesondere die erstklassige Vermischung verschiedenster Elemente-und Genres ergibt ein Gesamtbild, das man nur als fantastisch bezeichnen kann. Wer also einmal etwas Außergewöhnliches sehen möchte, das verschiedenste Stilarten perfekt miteinander kombiniert, hat sich hier genau den richtigen Film ausgesucht.
9/10