Dass John Stockwell ein Spezialist für (Unter-)Wasserbilder ist, konnte man bereits „Blue Crush“, „Into the Blue“ und der Tauchszene in „Turistas“ entnehmen – kein Wunder, dass man ihn als Regisseur für den Hai-Thriller „Dark Tide“ anwarb.
Hai-Thriller ist dabei der passende Begriff, denn schon der Opener macht klar, dass sich „Dark Tide“ nicht den Horrortopoi des Killerhais verschreibt, sondern eher auf Realismus setzt. Denn jener Unfall, der Themba (Sizwe Mutsu), den Tauchpartner von Haiexpertin und Profitaucherin Kate Mathieson (Halle Berry), das Leben kostet, ist nicht der Fresslust eines dämonischen Mörderfischs geschuldet, sondern dem Wagnis, das er und Kate für Dokumentaraufnahmen auf sich nehmen, wenn sie mit den gefährliche Tieren tauchen. Blitzschnell schlagen die vorher so idyllischen Tauchszenen in blutiges Chaos um, womit Stockwell das Unfallhafte des Films betont, im Gegensatz zur schleichenden Bedrohung, die seit „Der weiße Hai“ zu den Grundfesten des Tierhorrors zählt.
Jahre später leidet Kate immer noch unter dem Trauma und gibt sich selbst die Schuld. Sie organisiert nur noch harmlose Besichtigungsfahrten für Touristen in Kapstadt und ist dadurch in Geldnot geraten. Die typischen monetären und vor allem seelischen Probleme einer Hollywoodheldin (oder auch eines Hollywoodhelden) also, die nur auf die Bewährungsprobe warten. Diese schleppt Kates Ex-Lover Jeff (Olivier Martinez) an in Form des schwerreichen Brady (Ralph Brown) an, der mit seinem etwas schüchternen Sohnemann Luke (Luke Tyler) mit den Haien tauchen will. Wie alle zweifelnden Helden in Geldnot nimmt Kate schließlich widerwillig und zu ihren Bedingungen an.
Die lauten vor allem: Die Gäste tauchen nur im Käfig mit den Haien. Auf der Fahrt gibt es Komplikationen: Man sieht erst keine Haie, Kate muss mit Flashbacks und damit verbundenden Angstzuständen kämpfen und schließlich führt die Fahrt in die Shark Alley (so auch der Arbeitstitel des Films), in der sich die Raubfische tummeln…
Der Versuch eines realistischen Hai-Thrillers bedeutet für diesen Verlauf allerdings auch, dass „Dark Tide“ wenig plotgetrieben ist, was sich bei einer eindeutig zu großzügig bemessenen Länge fast zwei Stunden klar bemerkbar macht. Der Film mäandert vor sich hin, besitzt wenig Drive und versucht nach und nach jene Verwicklungen darzustellen, die zur Fahrt in die Shark Alley und zur dort natürlich passierenden Katastrophe führen. Darin ähnelt der Film allerdings einer Soap Opera auf offener See: Kate und Jeff tragen ihre Spannungen aus, während unterschwellig die Funken fliegen, Brady will seinem Sohn etwas Männlichkeit einimpfen, hat gleichzeitig selber noch Schwierigkeiten, über die er nicht reden will, und verhält sich sowieso meistens wie ein Arschloch. Dummerweise wird nur nie eine dieser Figuren lebendig, sodass Streitereien, Annäherungen und andere emotional gemeinte Momente wie Füllmaterial und unnötiger Ballast erscheinen.
Ebenfalls dramaturgisch vollkommen unnötiger Ballast ist eine Szene, in der ein paar Schmuggler des Nächtens durch die Gewässer ziehen, einen der ihren vergessen und der als Haifutter endet – es hat keinen Bezug zu irgendetwas davor oder danach, soll den Zuschauer wohl nur noch einmal mit dem Holzhammer daran erinnern, dass er hier einen Film über gefährliche Haie sieht. Denn davon kriegt man vorerst wenig mit, darf sich aber immerhin an formschönen Tauchszenen ergötzen, die Stockwell gewohnt stimmig einfängt.
Wenn Haie auftauchen, dann wird nur begrenzt mit Tricks gearbeitet – ganz im realistischen Stil des Films, der uns auch Hai-Trivia beibringt, etwa von der sensiblen Hai-Schnauze, auf die man hauen oder drücken muss, will man den Biss eines Hais verhindern. Natürlich kommen bei den Beißszenen dann CGI und andere Tricks zum Tragen, aber davon gibt es eben wenig: Nur rund zwanzig Minuten Seenot im Finale des Films gibt es zu bestaunen, handwerklich kompetent und meist recht spannend gemacht, aber nicht so recht involvierend, da die Figuren zu egal sind. Zudem ist das Ganze etwas mau, wenn man bedenkt, dass Filme wie „Open Water“ oder „The Reef“ derartige Überlebenskämpfe als filmlange Prämisse in Szene setzten – hier ist es ein kleines Highlight, die Entschädigung für einen sonst hübschen, aber belanglosen bis öden Film zuvor.
Dabei hilft es auch nicht, dass Halle Berry nicht unbedingt auf der Höhe ihrer Schauspielkunst und Motivation ist, sondern ihre Rolle routiniert, aber ohne großes Leben runterreißt. Olivier Martinez ist auch eher mäßig, Ralph Brown zieht die Arschlochnummer recht launig ab, während Luke Tyler wiederum recht blass bleibt. Mark Elderkin als verbleibendes Crewmitglied bleibt hingegen besserer Stichwortgeber.
Insofern kann John Stockwells versierte Regie, die in Verbindung mit der Kameraarbeit von Jean-François Hensgens für malerische Unterwasserbilder sorgt, leider nicht die begrenzt mitreißenden Schauspielleistungen, den schleppenden Aufbau des Drehbuchs und die oberflächlichen Figuren ausgleichen. Der Ansatz eines realistischen Hai-Thrillers in allen Ehren, denn da gibt sich „Dark Tide“ redlich Mühe, aber das haben andere Film wie eben „Open Water“ und „The Reef“ schon packender hinbekommen.