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„Hat man dir in den Hintern gekniffen?“ – „So was machen sie nur in Italien!“

Mit der britischen Produktion „Tödliche Ferien“ aus dem Jahre 1970 lieferte Regisseur Robert Fuest nach seiner Beteiligung an der beliebten Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ einen feinen Psycho-Thriller ab und empfahl sich damit für seine folgenden Horrorproduktionen „Das Schreckenscabinett des Dr. Phibes“ und „Die Rückkehr des Dr. Phibes“ mit dem unvergleichlichen Vincent Price.

Die jungen Mädels Jane (Pamela Franklin, „Schloss des Schreckens“, „Tanz der Totenköpfe“) und Cathy (Michele Dotrice, „Der Teufel tanzt um Mitternacht“, „In den Krallen des Hexenjägers“) unternehmen in einer abgelegenen, ländlichen Gegend Frankreichs einen Fahrradurlaub. Nach einem Streit verschwindet Cathy spurlos und Jane fällt immer mehr einer Paranoia anheim – wer ist der junge Mann, der sie zu verfolgen scheint und welchen Plan verfolgt er? Ist er wirklich der Detektiv, der er zu sein vorgibt, oder hat er gar etwas mit dem drei Jahre zurückliegenden, noch immer ungeklärten Sexualmord zu tun?

Herausstechendstes Merkmal in Fuests Film ist der Verzicht auf typische Grusel-/Thriller-Charakteristika wie Dunkelheit, Regen oder Gewitter, die für eine unheilschwangere Atmosphäre sorgen sollen. Stattdessen vollbringt Fuest das Kunststück, eine trügerische, sonnendurchflutete Idylle zu erschaffen, deren Stimmung ab Cathys Verschwinden kippt und sich ins Gegenteil verkehrt: Jane wirkt verängstigt und verloren in einem fremden Land mitsamt Sprachbarriere und kauzigen Einheimischen, die menschenleere Landstraße symbolisiert ihre Reise mit ungewissem Ziel ohne jeglichen Bezugspunkt. Ihr zunehmendes Misstrauen gipfelt nachvollziehbar in paranoiden Stresssituationen, in der sie sich ihrer Entscheidungen nicht sicher sein kann.

Fuest beschränkt sich für seine Handlung auf lediglich einen einzigen Tag bis zum Einbruch der Dämmerung und setzt voll auf Suspense durch eine extrem langsame Erzählweise, nur von einigen „Jumpscares“ unterbrochen. Fuest nimmt sich alle Zeit der Welt, was sich heutzutage kaum noch eine Genreregisseur traut. Gut so, denn wahre Filmkunst besteht nicht in der plumpen Abbildung von Dingen, Menschen oder Emotionen, sondern darin, ohne viel davon zeigen zu müssen, Stimmungen zu transportieren, auf dem heimischen Sofa fühlbar zu machen. Die Auffassungsgabe dafür ist gerade jüngeren Zuschauern nicht immer gegeben, die „Tödliche Ferien“ voreilig als langweilig abtun könnten – doch das ist „Tödliche Ferien“ mitnichten. Fuest setzt sein Tempo bewusst als Stilelement ein und kontrastiert zudem weitläufige Landschaften mit Nahaufnahmen der Gesichter seiner Protagonisten, deren Augenpartien mehr sagen als tausend Worte. Die Schauspieler, allen voran Pamela Franklin, beherrschen diese leiseren Töne und ordnen sich dem Filmkonzept unter.

Ein vielleicht vorhersehbares, weil die innere Unruhe Janes bestätigendes, dennoch erschreckendes, weil die unheilige Ruhe der lähmenden, trockenen Hitze durchbrechendes Finale setzt den konsequenten Schlusspunkt unter einen Film, der Suspense-Freunden, die auf jegliche spekulative Elemente verzichten können (was nicht heißen soll, dass Pamela Franklin nicht ein optischer Leckerbissen in ihren Hot Pants wäre), unbedingt ans Herz gelegt sei.

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