Das Prädikat Charakterstudie entbindet einen Filmemacher nicht von der Pflicht, eine gute Geschichte zu erzählen. Genau diesen Punkt vernachlässigt Oren Moverman in seinem minimalistisch konzipierten Plot sträflich, indem er Charaktere nicht erklärt, auf Höhepunkte gänzlich verzichtet und sich stattdessen weitesgehend darauf beschränkt, hinlänglich bekannte Cop-Klischees ein weiteres Mal durchzukaufen. Zudem werfen einen die prätentiösen Kameramätzchen ein ums andere Mal aus der eigentlichen Handlung. Dagegen kommt auch das intensive Spiel von Woody Harrelson nicht wirklich an.
Als der sadistische und kriminelle Cop Dave Brown (Woody Harrelson) gefilmt wird, während er einen Verdächtigen zusammenschlägt, wollen ihn sein Vorgesetzten endgültig loswerden. Doch Brown sieht sich als Bauernopfer für die krisengeschüttelte Rampart-Abteilung der Los Angeles Polizei und lässt es auf einen Gerichtsprozess ankommen. Doch seine zahllosen Aktivitäten Am Rande und jenseits der Legalität lassen die Luft um ihn zusehends dünner werden.
Die Figur des Polizisten hat Hollywood nicht erst seit „Dirty Harry" (1971) seine Unschuld verloren. Schon die Vertreter der Film-Noir-Welle Mitte der 1930er-Jahre inszenierten die Gesetzeshüter ähnlich skrupellos und mitunter nicht weniger kriminell als die Verbrecher, die sie jagten. Man kann also nicht unbedingt behaupten, dass Oren Moverman mit seinem Bad-Cop-Drama „Rampart" unbestelltes Land bewirtschaftet. Hochkarätige Unterstützung erhielt er von einem Spezialisten des modernen Copfilms: James Ellroy, der auch am Drehbuch mitwerkelte, schuf unter anderem die literarischen Vorlagen zu den thematisch ähnlich gelagerten „Der Cop" (1988), „Dark Blue" (2002), „Black Dhalia" (2006), „Street Kings" (2008), und nicht zuletzt dem preisgekrönten „L.A. Confidental" (1997). Im Gegensatz zu diesen Filmen ist „Rampart" (2011) aber weniger ein Thriller, sondern ein Charakterdrama. Folglich steht auch weniger die Aufklärung eines bestimmten Verbrechens, sondern in erster Linie die Figur des korrupten und amoralischen Gesetzeshüters im Vordergrund. Wer an dieser Stelle an „Bad Lieutenant", sei es im Original von Abel Ferrera oder der Neuinterpretation von Werner Herzog denkt, liegt gar nicht mal so falsch.
Leider fallen Oven Moverman, der nach seinem preisgekrönten Debüt „The Messenger" (2009) erneut mit Woody Harrelson und Ben Foster zusammenarbeitete, und Ellroy nicht viel mehr ein, als hinlänglich bekannte Cop-Klischees aufzufahren. Selbstverständlich ist Dave Brown ein bindungsunfähiger Supermacho. Neben unzähligen Affären pflegt er eine seltsame On-Off-Beziehung zu seinen Exfrauen, die hier gleich als Geschwisterpaar daherkommen. Wie es sich für einen ambivalenten Cop gehört, versagt er Erziehungsfragen, so dass die Beziehung zu seinen Kindern schwierig ist. Er säuft, konsumiert Drogen und lebt seine sadistische Ader vorzugsweise im Job aus. Darüber hinaus überschreitet er mit einer gewissen Routine die Grenze zur Illegalität, um seinen ausufernden Lebensstil zu finanzieren. Einschüchterung, Körperverletzung und Erpressung, Raub und Mord sind innerhalb seines moralischen Wertesystems vertretbar, solange es die Richtigen trifft. Diese reaktionäre Grundhaltung, die vielen von Ellroys Cop-Figuren grundsätzlich gemein ist, wird hier ins Groteske gesteigert und erstarren somit er Recht zum Klischee. Dass die Hauptfigur trotzdem ansatzweise glaubwürdig bleibt, ist dem ambivalenten Darstellung von Woody Harrelson zu verdanken, der es schafft, seinem Dave Brown bei aller selbstgerechten Sturheit auch immer wieder leichte Anflüge von Selbstzweifel einzustreuen.
Ein klarer Schwachpunkt ist die verspielte Inszenierung, die niemals eine klare Linie erkennen lässt. Die Kameraarbeit schwankt größtenteils unmotiviert zwischen einem dokuartigen Realismus und selbstgenügsamen Art-Fartie-Mätzchen, der besonders aufdringlichen Art. Auch erzählerisch findet der Film nie ein ausgewogenes Mittel, den alles überstrahlenden Protagonisten zu portraitieren und den Nebenfigur gleichzeitig genügend Platz einzuräumen. Ein minimalistisches Plotdesign mag bewusst so angelegt sein, wichtige Plotpoints nur anzureißen, statt bis zum letzten I-Tüpfelchen durchzudeklinieren, wenn man als Zuschauer aber zusehends Schwierigkeiten bekommen, die Funktion einzelner Figuren zu durchschauen, ist es eindeutig zu viel des Guten. Das fällt insbesondere auf, da die Nebendarsteller fast durch Bank prominent besetzt sind, ihre Rollen aber teilweise weitestgehend unklar bleiben (Ned Beatty, Ben Foster), oder über eine winzige Szene (Steve Buscemi) nicht hinauskommen. Auf der anderen Seite werden die Charakterzüge des Protagonisten in an langweiliger Redundanz grenzenden Szenen wieder und wieder inszeniert.
Einzelne Häppchen, vor allem gegen Ende stechen allerdings positiv heraus, etwa wenn Harrelson bei strömendem Regen im Pool plantscht und endgültig mit einer seiner Geliebten bricht, ist das ein großer Moment. Auch die schwierige Beziehung zu seinen Töchtern, die ihn einerseits verabscheuen, aber ihn gleichzeitig immer wieder offen begegnen, wird intensiv gespielt und inszeniert. Doch solche Momente sind viel zu rar gesät, bzw. verpuffen größtenteils in ihrer Wirkung komplett. Fast scheint es, Oven Moverman hätte sich bewusst dagegen entschieden, seinem deprimierenden Plot irgendwelche Akthöhepunkte zu spendieren. Ähnlich rigoros springt er mit seinem Protagonisten um, dem die Erlösung am Ende vermehrt bleibt. Seine Einsicht kommt zu spät, längst fordern seine Verbrechen einen höheren Preis, als er zahlen kann. Das Finale sticht in seiner Konsequenz qualitativ klar heraus, bis dahin muss man aber eine ganze Menge erzählerischen Leerlauf und inszenatorische Selbstverliebtheit über sich ergehen lassen.
Wer sich an Copklischees nicht sattsehen kann und die selbstgefällige Inszenierung für Kunst hält, der könnte „Rampart" (2011) als mutiges und unkonventionelles Kino misinterpretieren und seinen Spaß haben. Das konsequente Ende und die durchweg soliden Schauspielleistungen, bei denen Woody Harrelson als äußerst dominanter Protagonist naturgegeben heraussticht, retten den Film vor dem Totalausfall.
Daran werde ich mich erinnern: die seltsame Patchworkfamilie.