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Die Kunst zu erklären

2001. Billy Beane (Brad Pitt) hat die Geschicke der Baseball-Mannschaft Oakland Athletics in seinen Händen. Als sein Team gegen die New York Yankees verliert, bricht eine Welt für ihn zusammen. Denn die bisher unbekannten Top-Spieler werden flugs von finanzstärkeren Teams aufgekauft. Beane muss wieder zurück auf Feld eins. So zermürbend die Situation ist, so ungebrochen ist Beanes Wille, etwas ganz Besonderes auf die Beine zu stellen. Er verpflichtet den jungen Ökonomen Peter Brand (Jonah Hill). Gemeinsam stellen sie ein Team zusammen, das der alten Garde der Talentsucher spottet: Beane und Brand schauen nur auf die nackten Zahlen. Einzig das Resultat entscheidet, nicht das Gefühl eines Experten oder die Art, wie jemand einen Ball wirft. Ihr System wird Geschichte schreiben. Doch es birgt auch Schattenseiten; die Spieler verkommen zu starren Schachfiguren in einem Spiel des An- und Verkaufs.

Mit Moneyball (2011) zeigt Aaron Sorkin, der zusammen mit Steven Zaillian das Drehbuch geschrieben hat, einmal mehr, was ein intelligentes Skript so alles leisten kann. Selbst einen, für den Baseball ein Buch mit sieben Siegeln ist (auch bekannt als ich höchstselbst), vermag der Plot um die Sport-Rechnerei zu fesseln. Das ist nicht selbstverständlich; denn auf den Papier lädt das Thema eher dazu ein, wegzudösen. Doch Regisseur Bennett Miller (Capote) schafft es, dem Zahlenspiel ein menschliches und dramatisches Gesicht zu geben. Dabei legt er einen eigentlichen Anti-Sportfilm vor, in dem das Gewinnen auf kluge Planung und statistische Schwankungen reduziert wird. Ein Hauch des Mythos Baseball zieht dennoch durch den Film. »It's hard not to be romantic about baseball«, sagt Billy Beane, dessen Träume einer Profikarriere früh zerschmettert wurden. Er sagt es, obwohl er selbst drauf und dran ist, Romantische aus diesem Sport zu exorzieren.

Der didaktische Wert dieses Filmes ist gleichzeitig seine Stärke und Schwäche. Das Publikum wird in einen spannenden Paradigmenwechsel geworfen, der sich lohnt, zu verstehen – zumal der Sport bis heute eher als etwas Magisches als etwas Mathematisches wahrgenommen wird. Aber das macht die Figuren beinahe zu Puppen in einem pädagogischen Spiel. Klar, Brad Pitt und Jonah Hill machen ihre Sache gut. Beane ist ordentlich ruppig und desillusioniert, und Hill passt wie angegossen in die Rolle des flapsigen, doch entschlossenen Nerds. Trotzdem wirken die beiden oft wie Teile eine Versuchsanordnung. »Das müssen wir dem Publikum erklären, also los geht’s!« Deswegen wirkt Moneyball zuweilen – und zurecht! – unterkühlt. Ein Problem entsteht da, wo der Film versucht, Gefühle zu erzeugen. Der Nebeplot mit Beanes Tochter etwa wirkt seltsam aufgesetzt, als hätte man der Hauptfigur unbedingt etwas Menschliches geben müssen.

Ein grosses Versäumnis ist die Tatsache, dass man das herzlose Entlassen von Spielern fast nur als Nebengeräusch wahrnimmt. Das Verschachern der Spieler wird zwar thematisiert, aber das Zynische am Vorgang bleibt beinahe unkommentiert. Die Schattenseite des Bilanzieren verkommt beinahe zu einer humoristischen Fussnote; etwa, wenn Peter Brand einen Spieler entlässt und dieser mit einem Schulterzucken darauf reagiert. Das hätte man ausbauen können, denn in dieser Form kommt der Aspekt reichlich flach daher.

Und doch haben wir es hier mit einem bemerkenswerten Lehrstück zu tun, das mit glatten, pointierten Dialogen zu unterhalten vermag. Ein Film, der das Geschehen aus der Distanz des Strippenziehers beobachtet und nicht mitten auf dem Feld steht. Gegen Ende kehrt die Sehnsucht nach dem Mythos doch wieder zurück; und aus dem Anti-Sportfilm wird ein Sportfilm. Der siegreiche Underdog fasziniert eben auch heute noch. Diese Bewegung zurück zum Romantischen schliesst den Kreis konsequent. Moneyball ist ein kluger Film; emotional spröde auch dort, wo er emotional sein will, aber immerhin klug!

7/10

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