Review

Staffel 1

„Die Gräfin von Long Island"

„Der Graf von Monte Christo" ist ein Klassiker der Weltliteratur. Eine ähnliche Ehre wird der TV-Serie „Revenge" innerhalb ihrer Gattung wohl nicht zu Teil werden. Dennoch ist die Idee, die Grundkonstellation von Dumas Roman in das Gewand einer modernen Soap Opera zu kleiden keine schlechte und beschert dem geneigten Serienfreund zumindest in Staffel 1 22 Episoden voller Intrigen, Bösartigkeiten und raffinierter Rachepläne. Edmond Dantes heißt hier Amanda Clarke und ist wie ihr literarisches Vorbild ein Opfer infamer Intrigen vermeintlicher Freunde.

Der in einem mondänen Anwesen auf den Hamptons residierende Grayson-Clan gehört zu den Schönen und Reichen der amerikanischen Higher Society. Und diesen Status gilt es mindestens zu halten. Da geht man schon auch mal über Leichen, wenn das so lieb gewonnene Konglomerat aus Macht, Geld und Ruhm bedroht ist. Als die Verwicklung von Familienoberhaupt in eine terroristische motivierten Flugzeugabsturz öffentlich zu werden droht, wirft man kurzerhand den loyalen Mitarbeiter Peter Clarke als Bauernopfer in den Ring. Seine siebenjährige Tochter landet in einer Erziehungsanstalt, Clarke selbst im Gefängnis, wo er wenig später auch stirbt.
Als etwa 15 Jahre später die steinreiche Emily Thorne in den Hamptons auftaucht und sich  im Strandhaus der Graysons einmietet ahnt niemand, dass es sich um Amanda Clarke handelt die von nur einem Gedanken beseelt ist: Rache.

Und genau diese Rache ist das Salz in der Soap-Suppe. Nach und nach stürzt Emily die an der Diffamierung Clarkes Beteiligten ins Verderben. Dabei geht sie so eiskalt wie raffiniert vor und offenbart einen bis ins kleinste Detail ausgeklügelten Plan. Parallel dazu entfalten sich immer neue Schichten der Verschwörung, die erheblich weiter reicht und weit mehr Personen betrifft wie zunächst angenommen. Dreh- und Angelpunkt ist die Matriarchin Victoria Grayson, eine mehr als ebenbürtige Gegnerin Emilys in Sachen Durchtriebenheit, Einfallsreichtum und Berechnung.

Die in den letzten Jahren etwas in der Versenkung verschwundene Madeleine Stowe feiert hier glorreiche Wiederauferstehung und stiehlt als manipulatives Biest allen die Show. Unter der Oberfläche ihres eher sanften Äußeren schlummerte ja schon in früheren Rollen stets eiserne Entschlossenheit, die in diesem Fall nicht selten in knallharte Brutalität umschlägt. Ganz nebenbei beweist sie damit, dass es inzwischen auch für Frauen jenseits der 50 durchaus Rollen mit Format und Potential gibt.
Emily VanCamp als Emily Thorne kann da nicht ganz mithalten, zumal man der Mittzwanzigerin die Kaltblütigkeit, Souveränität und verblüffend ausgebufften Winkelzüge nicht so recht abnehmen will. Der heimliche Star der „Guten" ist ohnehin Gabriel Mann als undurchsichtiger IT-Milliardär Nolan Ross. Als heimlicher Helfer Emilys sorgt er für die größte Portion Ambivalenz in einem ansonsten eher schwarz-weißen Figurenensemble.

Andererseits ist spannende Unterhaltung der Primat dieser Produktion und die Inszenierung im Stil glitzernder Soap Operas (die Protagonisten führen in beinahe jeder Szene eine neue Garderobe vor) lässt ebenfalls nicht unbedingt die Absicht zu tiefsinnigem Drama vermuten. So gesehen ist „Revenge" deutlich näher an TV-Klassikern wie „Dallas" und „Dynasty", wie an ebenfalls als Familiendramen angelegten modernen Formaten wie „Sons of Anarchy" oder „Sopranos". Aber das ist in diesem Fall kein Manko.

Sich immer wieder dramatisch zuspitzende Situationen, gefolgt von clever durchdachten Auswegen sowie ein sich langsam aber stetig entfaltendes Verschwörungsszenario, bei dem fast jede der handelnden Figuren eine unerwartete Leiche im Keller zu haben scheint, machen „Revenge" zu einem kurzweiligen - wenn auch eher oberflächlichem - Krimivergnügen.  Und ganz so weit ist man dann vom literarischen Vorbild auch nicht mehr entfernt. Dumas „Graf von Monte Christo" war seinerzeit schließlich auch „nur" populäre Unterhaltungsliteratur.

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