Der deutsche Titel "Cannibal Man" führt den Zuschauer fleißig in die Irre, denn mit besagtem Kannibalismus hat der Film nur ganz indirekt zu tun. In Spanien ist Regisseur und Drehbuchautor Eloy de la Iglesia (Niemand hört dich schreien, Dead Angel) jedenfalls eine große Nummer, während eher wenige seiner Werke international veröffentlicht wurden. "Cannibal Man" zählt da zu den bekannteren Werken.
Marcos (Vicente Parra) lebt in einem heruntergekommenen Bungalow am Stadtrand und arbeitet in der Fleischverarbeitungsfabrik "Flory", welche Fertigsuppen herstellen. Als er nachts mit seiner wesentlich jüngeren Freundin Paula (Emma Cohen) unterwegs ist, kommt es zum Streit mit einem Taxifahrer. Ausversehen tötet Marcos diesen, doch dies ist nur der Auslöser für eine ganze Mordserie. Als Paula zur Polizei will, bringt Marcos auch sie um, das selbe Schicksal blüht seinem Bruder Esteban (Charly Bravo). Bald stapeln sich die Leichen im Bungalow, Marcos beschließt sie unauffällig an seinem Arbeitsplatz zu entsorgen. Jeden Tag schleppt er Teile der zerstückelten Körper in die Fabrik, auf die Gefahr hin entdeckt zu werden. Und wieviel weiß sein seltsamer Nachbar Néstor (Eusebio Poncela) ?
Iglesia erzählt hier die Geschichte eines Menschen, der aus Not zum Mörder wird. Einerseits verständlich, dass Marcos sich nach dem Mord an dem Taxifahrer nicht stellen will, andererseits bildet es den Auftakt zu einer bestialischen Mordserie. Aber Marcos hat es auch wirklich nicht leicht. Tagsüber schuftet er in der Fabrik "Flory", mit seiner jüngeren Freundin Paula liegt er ständig wegen der Hochzeit im Clinch und sein altes Haus soll irgendwann abgerissen werden und einem Wohnkomplex weichen. Dabei verpasst Iglesia seinem Film einen derart tristen und auch ungemütlichen Anstrich. Allein die Bilder zu Beginn in der Schlachterei, wo es nicht gerade hygienisch zu geht, rufen beinahe schon Brechreize hervor. Dann Marcos klein wirkender Bungalow, der in mitten von großen Wohnkomplexen steht, immer umgeben von streunenden Hunden. Man kann es Marcos nicht verübeln, dass er sich in seiner Haut nicht wohlfühlt. Nur seine Kurzschlussreaktion Paula einfach die Kehle aufzuschlitzen, nur weil sie zur Polizei will, wirkt ein wenig übertrieben. Da Marcos kein Auto besitzt, hortet er die Leiche im Zimmer seines Bruders, der dank seines Jobs meist unterwegs ist. Natürlich bleibt Paula nicht die letzte Tote. Leider ist gerade der Mord an Bruder Esteban kaum gelungen, weil es an Intensität fehlt. Zwar zeigt Marcos auch Gefühle, aber er wirkt oft zu abgebrüht, was vielleicht auch durch seine Arbeit in der Fabrik kommt.
Jedenfalls lässt sich Iglesia bei den wenigen Morden nicht lumpen und hält mit der Kamera voll drauf, wenn Marcos zur Tat schreitet. Es wird dabei kaum grenzwertig, aber blutig ist das Ganze schon. Vor allem die Morde zu vertuschen, wird für Marcos immer schwieriger. Denn immer zum ungünstigsten Zeitpunkt tauchen noch mehr Angehörige der Ermordeten auf, die Marcos immer skrupelloser aus dem Weg räumt. Doch bald ist das Schlafzimmer voll, der Gestank unerträglich, da helfen auch massenweise Duftsprays nichts, die Marcos kauft. Also zerhackt Marcos die Leichen und entsorgt sie unauffällig in seiner Firma. Hierbei sind nie explizite Szenen zu sehen, das Ganze spielt sich immer im Off ab. Doch anstatt sich auf die Story zu konzentrieren, beginnt Iglesia immer mehr abzuschweifen, gar homosexuelle Elemente mit einzubringen. Denn die aufkeimende Freundschaft zwischen Marcos und dem seltsamen Néstor nimmt viel Zeit für sich ein und macht "Cannibal Man" zu einer immer zäher werdenden Angelegenheit. Die Morde passieren ziemlich schnell hintereinander, in der zweiten Filmhälfte ist daher nicht mehr sonderlich viel los. Ein paar spannende Szenen, plötzlich entdeckt zu werden, kann Iglesia noch bieten. Auch recht gelungen ist Marcos Reaktion, als er eine "Flory" Suppe vorgesetzt bekommt, daher auch der hintergründige Kannibalismus. Vicente Parra liefert eine solide Leistung und fungierte auch als Produzent.
Eine gute Basis ist durchaus gegeben, die gewollt triste Optik passt gut zum Geschehen, aber im Endeffekt ist "Cannibal Man" zu selten spannend und sehr zäh erzählt. Darüber helfen auch die blutigen Morde nicht hinweg und besonders das offene Ende ist enttäuschend.