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J.Edgar Hoover’s Anerkennung war während des Endes seiner Amtszeit als Direktor des FBI so hoch, wie sie nach seinem Tod 1972 rapide in den Keller fiel. Fast könnte man annehmen, dass sei der Tatsache geschuldet, dass er selbst keine Kontrolle mehr hatte über seine Außendarstellung, denn fast 50 Jahre war er als Gründer und Leiter des FBI vor allem immer eines – ein Mann der Kontrolle. Er legte über die Bürger der USA Akten an, kontrollierte seine Mitarbeiter, deren Loyalität er als wichtigste Eigenschaft ansah, und ließ keine unautorisierten Informationen über sein Privatleben zu. Aber auch er konnte nicht verhindern, dass sich während eines halben Jahrhunderts Amtszeit eine Vielzahl an Gerüchten ansammelten, die auf den wenigen Fakten aufbauten, die über ihn feststanden – das er nie verheiratet war, das er immer in Begleitung seines späteren Stellvertreters Robert Irvin blieb, der auch seinen Besitz nach seinem Tod erbte, und das er acht Präsidenten in seinem Amt überstand, obwohl diese ihm oft wenig gewogen waren.

Wenn Clint Eastwood einem solchen Mann einen Film widmet, dann stellt sich sofort die Frage nach seiner Intention, zumal er den Film nur „J.Edgar“ nennt, als wenn es noch zum heutigen Allgemeinwissen gehört, daraus sofort auf Hoover zu schließen. Regisseur Eastwood will hier keinen expliziten Geschichtsunterricht auszubreiten, setzt beim Betrachter eine Vielzahl an Hintergrundwissen voraus, um die verschiedenen Etappen des Films zeitlich einordnen zu können und reduziert den Mann bewusst auf seinen Vornamen, um ihm damit das Erkennungszeichen seiner Macht zu nehmen, das noch heute in den USA einige überdimensionale Bauwerke bezeichnet.

„J.Edgar“ wird aus der Sicht zweier Zeitschienen erzählt, die jeweils in Bewegung bleiben. Ausgangspunkt ist der Beginn einer Art Biografie, die er nach seinen persönlichen Darstellungen von einem Mitarbeiter aufschreiben lässt. An seinen Diskussionen mit Robert Kennedy und der Überwachung des Präsidenten John F. Kennedy wird deutlich, dass es sich um die frühen 60er Jahre handelt, in denen er mit den Aufzeichnungen beginnt, die sich noch Jahre hinziehen werden, bis kurz vor seinen Tod. Basierend auf seinen Erzählungen springt der Film in das Jahr 1919 zurück und wird Mitte der 30er Jahre enden, als der Mörder des Lindbergh Babys zum Tode verurteilt wird, nicht zuletzt wegen der Indizienmenge, die das FBI zusammen getragen hatte – ein bis heute umstrittenes Urteil. Eastwood hinterlegt keine seiner Szenen mit Jahreszahlen, erwähnt keine historischen Ereignisse, die nicht unmittelbar mit Hoovers Arbeit zusammen hängen und lässt die Phasen der Nazizeit, des zweiten Weltkriegs und der Kommunistenhatz in den 50ern völlig weg (McCarthy wird nur in einem Nebensatz abgehandelt), obwohl gerade diese prägend sind für das heutige Bild über Hoover. Auch der Vietnamkrieg oder die Proteste dagegen, werden nicht erwähnt.

Daraus wird offensichtlich, dass es Eastwood nicht um ein historisch möglichst objektives Abbild Hoovers ging, sondern um den Menschen dahinter, also eine Figur, die während Hoovers Lebenszeit prinzipiell gar nicht vorkam. Deutlich wird das auch an Leonardo DiCaprios Spiel, der in jeder Szene Komplexität ausstrahlt, jede Art von einseitiger Darstellung vermeidend. Natürlich ist Hoover auch autoritär und hart in seiner Vorgehensweise, aber dabei niemals überzogen oder gar erschreckend. Selbst sein Hass gegen die Kommunisten und die Heraufbeschwörung der Gefahr einer bolschewistischen Revolution, sogar seine Pamphlete gegenüber Martin Luther King, über dessen Privatleben er natürlich genau informiert war, wirken gegenüber heutigen Ausführungen konservativer Kräfte in den USA regelrecht gemäßigt, niemals fanatisch. Es scheint so, als wollte Eastwood diesem Mann mit einer komplexen Darstellung seines Charakters Gerechtigkeit widerfahren lassen, und damit eine Relativierung der gegenwärtigen eher kritischen Ansichten über ihn.

Doch Eastwoods Intention ist weder Verharmlosung noch Rechtfertigung, sondern die Destruktion eines Helden, den er für viele Konservative nach wie vor abgibt. Ihn als geifernden Verfolger jedes Andersdenkenden zu stilisieren, der rücksichtslos bis ins Privatleben hinein schnüffelte, um dieses Wissen als Druckmittel zu nutzen, wäre leicht gewesen, hätte seine Kritiker bestätigt, seine Anhänger aber nicht irritiert. Der Film nimmt die wenigen über Hoover bekannten Fakten auf und entwirft das Bild eines Privatmannes, der eine sehr enge Beziehung zu seiner Mutter pflegte, die ihn ganz in ihrem Geiste beherrschte und seine offensichtlich homosexuellen Neigungen unterdrückte. Obwohl „J.Edgar“ diese Empfindungen seines Protagonisten deutlich ausspielt und sich damit in den Bereich des Fiktiven wagt, begeht er nicht den Fehler zu übertreiben. Keineswegs entsteht das Bild eines Mannes, der um sein Inneres zu verbergen, nach außen besonders restriktiv reagierte, sondern im Gegenteil wird spürbar, wir er trotz seiner konservativen Haltung und vorhandenen Paranoia einen persönlichen Weg suchte – so ist es erstaunlich, wie frühzeitig er erkannte, welchen Menschen er vertrauen konnte und wie treu er diese Bande aufrecht hielt.

Man könnte dem entgegen setzen, dass die hier dargestellten Gespräche und Auseinandersetzungen, besonders der Moment, in dem die Männer ihre Liebe gestehen, frei erfunden sind, aber sie bleiben schlüssig, orientieren sich an den tatsächlichen Verbindungen und sind in jedem Moment menschlich nachvollziehbarer, als Hoovers künstliche Überhöhung - egal ob aus der Sicht seiner Anhänger oder Kritiker. Auch wenn „J.Edgar“ in freudlose Farben getaucht ist und nie das Abbild eines Lebens zeigt, dass Ausgelassenheit und kindliche Freude kannte, so entstehen doch Sympathien mit diesem Mann, wird aus dem mächtigen Hoover der Mensch J.Edgar. Eastwoods Film setzt zudem nie auf spektakuläre Szenen, sondern fordert vom Betrachter Geduld und Konzentration. Damit befriedigt „J.Edgar“ letztlich keine Erwartungshaltung, aber genau darin liegt seine Stärke. (8/10)

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