Es gibt DVD-Releases mit Starbesetzung, die später auf entsprechendes Echo stoßen, z.B. „Lucky Number Slevin“, und es gibt die, die Geheimtipps bleiben – sowie „Interstate 60“.
Die Regiearbeit des „Zurück in die Zukunft“-Autors Bob Gale beginnt mit einem Exkurs darüber, dass die amerikanische Mythologie keine wünscherfüllenden Entitäten erhellt, wie ein Student seinem Kumpel erklärt. Ein alter Mann erzählt jedoch von O.W. Grant (Gary Oldman), dessen Initialen für One Wish stehen. Allerdings erfüllt dieser Wünsche auf ausgesprochen schwarzhumorige Weise, wie ein Szene mit Grant und einem gestressten Kerl (Gastauftritt Michael J. Fox) zeigt, denn am Ende der Wunscherfüllung beguckt sich der andere die Grasnarbe von unten.
Doch keiner der Beteiligten ist die Hauptfigur, sondern Neal Oliver (James Marsden), der an seinem 23. Geburtstag von Grant einen Wunsch freibekommt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Begünstigten wünscht sich Neal eine Antwort, wohin sein Leben gehen soll, was Grant ausgesprochen interessiert. Er schickt ihn auf den auf keiner Landkarte verzeichneten Interstate 60...
„Interstate 60“ erinnert sehr an Tim Burtons „Big Fish“, wurde allerdings bereits früher abgedreht und erreichte durch seine verhaltene Auswertung auch bei weitem nicht dessen Bekanntheitsgrad. Wie „Big Fish“ ist er aber ein surreales Leinwandmärchen, der von der Reise eines Protagonisten erzählt, die mit seltsamen Weggefährten gepflastert ist. In diesem Falle ist das Happy End abzusehen und es kommt auch ganz dicke, soviel Friede, Freude, Eierkuchen ist außerhalb eines Märchens wirklich kaum zu vertragen, aber im Falle von „Interstate 60“ verzeiht man dies gerne.
Gänzlich unaufgeregt bewegen sich Hauptfigur, Zuschauer und Film dann also über den Highway, wobei man dem Film seinen stark episodischen Charakter fast gar nicht übel nimmt. Denn jede Stadt und jede Figur bringen eine neue Skurrilität in den Film: Eine wunderschöne Anhalterin auf der Suche nach dem perfekten Orgasmus, eine Stadt voller Anwälte, deren einziger Lebensinhalt das Verklagen und Verteidigen anderer Leute ist, eine Stadt, in der süchtig machende Drogen nach entsprechender Warnung legal verteilt werden usw. Nur lose werden diese Episoden miteinander verbunden, z.B. durch wiederkehrende Figuren wie Bob Cody (Chris Cooper), O.W. Grant oder den Mann mit dem gesegneten Appetit, doch man ist stets gespannt darauf, was wohl hinter der nächsten Kurve auf Neal wartet.
Doch „Interstate 60“ besitzt nicht nur Phantasie, sondern auch seinen eigenen, bissigen und teilweise auch sehr schwarzen Humor. Gerade Grants eigenwillige Wunscherfüllung sorgt für Erheiterung, aber immer wieder lockern Witze das Geschehen auf, ohne dass die märchenhafte Geschichte ins Alberne oder Lächerliche gezogen würde.
Teilweise gibt sich „Interstate 60“ sogar regelrecht philosophisch, gerade bei den Reflektionen zu Themen wie Mythologie, Schicksal, Zeitwahrnehmung und dergleichen, doch zum Glück wirkt der Film mit seiner Philosophie nie aufdringlich oder verkopft, wie es andere Vertreter dieser Zunft gelegentlich sind. Nur beim Zum-Ende-Kommen, da tut sich „Interstate 60“ schwer und damit ist nicht nur das Happy End gemeint, auch der letzte Teil der Reise, die mit der Suche nach einem Killer auf dem Highway zu tun hat, ist doch etwas platt und vorhersehbar, da stottert dann der Motor ein wenig, aber sei’s drum.
James Marsden ist hier solala, Deppenrollen Marke „Verwünscht“ oder „Sex Drive“ stehen ihm doch besser, aber seine Performance ist doch ganz solide. Amy Smart als Love Interest ist auch nur wenig besser, doch in den Nebenrollen, da wird dem Affen Zucker gegeben: Gary Oldman ist großartig, die Auftritte der „Zurück in die Zukunft“-Kumpane Michael J. Fox und Christopher Lloyd lohnen sich und Kurt Russell beweist Mut zur Hässlichkeit. Amy Jo Johnson als Anhalterin ist nebenbei bemerkt furchtbar sexy. Das absolute Highlight auf darstellerischer Seite ist dann Chris Cooper als unkonventioneller Ordnungsfanatiker, der nicht nur eine fantastische Rolle abbekommt, sondern in dieser auch zu Höchstform aufläuft.
Selbst Jahre nach dem Release ist „Interstate 60“ immer noch ein Geheimtipp, doch verdient hat er seine Empfehlung auf jeden Fall. Ein wunderschöner, kleiner, märchenhafter Nischenfilm mit etwas schwachem Finish, aber viel Phantasie, charmantem Humor und einer Top-Besetzung.