Review

 Die Morde von Snowtown
(Alamode Film/ Pierrot Le Fou)

Wir befinden uns in Snowtown, einem Vorort von Adelaide, Mitte der 90er des letzten Jahrhunderts. Der 16 Jahre alte Jamie lebt mit seinen Brüdern und seiner Mutter in ziemlich ärmlichen Verhältnissen. Als die Jungs eines Tages von einem Nachbarn und Freund der Familie missbraucht werden, sorgt dass für Aufruhr und Empörung in der Familie und umliegenden Nachbarschaft, so dass der neu hinzugezogene John, der sehr selbstbewusst und charismatisch auftritt, relativ schnell die Leute auf seine Seite ziehen kann, als er ihnen eine Nachbarschafts-Bürgerwehr vorschlägt. Zwar ist die Siedlung eine klassische, teils sehr desolate white-trash-Nachbarschaft, die aber ein enges Verhältnis untereinander haben, und in Krisensituationen trotz ziemlich unterschiedlicher Charaktere zusammenhalten. Erste Aktionen Johns gegenüber dem sexuell übergriffigen Nachbarn gehen schnell weiter in die Richtung, dass er immer mehr Menschen, die aus seiner Sicht „anders“ sind, Gewalt antut. Immer mehr zieht er damit Jamie in einen Strudel aus Gewalt und später Mord, dem der Junge nicht viel entgegenzusetzen hat.

Regisseur Justin Kurzel lässt sich in seinem Film Zeit. Langsam und betont ruhig stellt er seine Figuren und deren Lebensumstände detailliert vor, ohne jedoch großartig auf deren Hintergrundgeschichten einzugehen, viel mehr hat man hier eine Momentaufnahme ohne große Erklärungsversuche. Dadurch weicht der Film auch immer weiter ab von den Motiven eines klassischen Serienmörder-Thriller hin zu einer düster-nihilistischen Sozialstudie, die ohne erklärende und entschärfende Kommentare die gewalttätigen Ausschreitungen darstellt. Quälend langsam wird diese in ihrer rauen und realistischen Form dargestellt, und wirkt dadurch schmerzhaft und lange nachhallend.

Die Blu-ray von Die Morde von Snowtown wird von Alamode Film und Pierrot Le Fou in einer bestechenden Qualität präsentiert. Das glasklare Bild und der raumfüllende Sound sind auf einem sehr guten Niveau. Im Bonussektor befinden sich neben drei geschnittenen Szenen mit einer Gesamtlauflänge von 17 Minuten noch Aufnahmen vom Casting, der Originaltrailer und eine Programmshow.

Der Film Die Morde von Snowtown ist das überzeugende Langfilmdebüt von Regisseur Justin Kurzel und wurde zu recht mit mehreren Preisen, unter anderem mit sechs Australian Film Institue Awards, ausgezeichnet. Auf den wahren Fall des wohl berühmtesten australischen Serienmörders, John Bunting, basierend, führt er den Zuschauer in die triste Welt der australischen weißen Sozialunterschicht. Eine trostlos und deprimierend beginnende Geschichte nimmt in ihrem Verlauf eine immer beängstigendere und gewalttätigere Wendung, die mich als Zuschauer fassungslos und gebannt hat folgen lassen. Durch die Kombination von einer durchdachten, klar strukturierten und permanent sich unangenehm steigernden Story, dem hypnotischen Soundtrack und den unglaublich überzeugenden Schauspielern wirkt der Film im Ergebnis nach wie ein Tritt in den Magen. An vielen Stellen erinnerte mich Die Morde von Snowtown an das Gefühl, welches ich hatte, als ich den atmosphärisch ähnlichen Film „Henry – Portrait of a Serial Killer„ sah. Irgendwie ist man gleichzeitig angewidert und fasziniert, und verfolgt die Protagonisten auf ihrer abwärtsführenden Spirale, aus der keiner der betroffenen Personen einen Ausweg sieht. Der Regisseur gibt sich dabei zum Glück nicht der simplen These der Verführung zu den Morden hin, sondern zeigt deutlich den Nährboden und die äußeren Umstände, welche in bestimmten Situationen zu solchen Taten führen können. Dabei fordert er den Zuschauer jedoch zum mitdenken und bilden einer eigenen Meinung auf. Wer sich auf einen wirklich düsteren und gewalttätigen Trip einlassen kann, dem sei der Film Die Morde von Snowtown dringend ans Herz gelegt. Es ist ein echt harter Brocken von einem Film, der sich aber auf jeden Fall lohnt!

Christian Funke-Smolka

Details
Ähnliche Filme