Am Weihnachtstag 1994 stürmen Terroristen ein Flugzeug auf dem Flughafen von Algier. Fast sofort beginnen sie, Geiseln zu erschießen, um zu zeigen wie ernst es ihnen ist. In Frankreich macht sich eine Antiterroreinheit, die GIGN, bereit einzugreifen, unter ihnen der junge Offizier Thierry, der an Weihnachten, wie alle, lieber bei Frau und Kind wäre. Irgendwann fliegt das Flugzeug nach Marseille, wo ein erbitterter Kamp gegen die Terroristen beginnt, während die Daheimgeblieben, die Angehörigen und die Familien, in Frankreich vor dem Fernseher sitzen und einfach nur noch hoffen können, dass ihre Männer lebend nach Hause kommen.
Denn die Männer, die in Marseille das Flugzeug stürmen, sind keine heroischen Superhelden. Sie sind auch keine glorreichen Einzelkämpfer mit Bruce Willis-Duktus, sondern eine ununterscheidbare Menge ängstlicher Männer. Thierry ist der einzige von ihnen der ein wenig Profil bekommt, und Thierry ist auch derjenige der als erster in das Flugzeug geht – und als erster schwer verwundet auf dem Boden liegt. Und liegt. Und liegt. Und blutet …
Die Abkehr vom Heldenmythos amerikanischer Provenienz führt zu einem unprätentiösen und pragmatischen Actionthriller mit einer etwas anderen Vorgehensweise. Nicht Bombast und Heldenverehrung bestimmen hier das Bild, unterlegt von martialischer Musik und kernigen „Mister President"-Sprüchen. Stattdessen beschränkt sich die Handlung auf das Allernötigste: In Paris wird von Bürokraten hinter den Kulissen gearbeitet, in Marseille stehen die Männer der GIGN bereit, und die Terroristen im Flugzeug sind gewaltbereite Fanatiker. Punkt. Keine Charakterisierungen, bis auf Thierry keine Einführungen von Personen, der Zuschauer wird ins kalte Wasser der Situation geworfen und kann schauen wie er sich freischwimmt. Wer der Mann am Kopfende des Tisches ist? Uninteressant. Welche Funktion der Glatzkopf hat? Wer will das wissen? Selbst den Namen Thierrys erfahren wir erst durch die Schrifttafel am Ende des Films.
Julien Leclercq kommt also praktisch sofort auf den Punkt. Er verzichtet auf das meiste unnötige Beiwerk und konzentriert sich auf den Überfall, die Terroristen und die Polizisten. Zusammen mit der monochromen Farbgebung, die fast wie ein schmutziges Schwarzweiss wirkt, erzeugt diese rudimentäre Inszenierung einen unglaublichen Druck. Einen Realismus und eine Härte, die nicht aus einer künstlich aufgesetzten Action kommt, sondern aus der Härte der Situation an sich. Die Erstürmung des Flugzeugs ist dann natürlich schon ein „Action-Feuerwerk“, aber eben nicht im Stil eines, sagen wir, DELTA FORCE, sondern kalt und nüchtern. Die unübersichtliche und brandgefährliche Situation in der Enge der Kabine und mit den wild schießenden Männern überwältigt und beängstigt zugleich, und die parallel eingeschnitten Originalbilder der Befreiung einerseits, und die Bilder von Thierrys Frau, die es vor Angst fast zerreißt andererseits, sorgen für Dynamik und Bedrückung gleichzeitig. Und beides unerhört intensiv.
THE ASSAULT ist nicht für Zuschauer, denen alles erklärt werden muss. Die Charakterisierungen und Vertiefungen benötigen, die irgendwelche Hintergründe ausloten wollen und noch mal eine Erläuterung der Erläuterung benötigen. THE ASSAULT ist hartes und pragmatisches Kino der schmutzig-realistischen Art. Ohne Schnörkel und ohne unnötigen Kitsch, aber dafür ungeheuer eindringlich. Und spannend!