Review

„Ist das hier Kleinchicago, oder was?!“

Auch Regisseur und Drehbuchautor Peter Adam bürgt für gute „Tatort“-Beiträge um das Duisburger Duo Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik), wie er bereits mit den Episoden „Das Mädchen auf der Treppe“ und „Miriam“ unter Beweis gestellt hatte. Sein insgesamt vierter „Tatort“ (der dritte mit ebendiesen Ermittlern) wurde im Spätsommer/Frühherbst 1983 gedreht, aber erst am 9. Dezember 1984 erstausgestrahlt. „Rechnung ohne Wirt“ ist ein waschechter Ruhrpott-Krimi ohne nennenswerte Sozialdrama-Anteile geworden:

„Zahl oder stirb – das ist die Wahrheit!“

Der Boxer Bubi Kantmeier wurde auf der Straße angeschossen. Offenbar sollten die Schüsse ihn nicht töten, doch erlitt er eine Herzattacke und starb. Im Notizbuch des Verstorbenen findet sich der Name Guido Tessari (Guido Gagliardi, „Lindenstraße“), ein italienischer Restaurantbesitzer und Freund Schimanskis. Als Schimanski Tessari zu seiner Verbindung zu Kantmeier befragt, druckst dieser zunächst herum. Als Schimanski jedoch vor Ort Zeuge eines Anschlags aufs Restaurant wird, berichtet ihm Guido, dass er sich mit Schutzgelderpressern herumplage, sich aber zu zahlen weigere. Diese schrecken auch vor körperlichen Übergriffen auf Guido nicht zurück und wollen ihn sogar zu Hause überfallen. Doch Schimanski vereitelt diesen Plan und überwältigt die beiden Schläger (Luigi Tortora und Biagio Piccolo) zusammen mit Guido. Nun hat Guido einen Trumpf im Ärmel. Damit er sich bei Leone, dem Kopf der Bande, einen Vorteil verschaffen kann, versteckt Schimanski die Gangster bei einem Bekannten, gegen den er wegen dessen illegalem Glücksspiel etwas in der Hand hat. Die Angelegenheit scheint zu Guidos Vorteil geklärt, die Festgesetzten werden laufengelassen. Doch der gerade von einem Kennenlern-Umtrunk mit dem neuen Kriminaloberrat Wolf (Wilfried Blasberg, „Der Fan“) zurückkehrende Thanner weiß nichts davon und verhaftet die Mafiosi auf der Straße. Nun fürchtet man den Zorn Leones… Doch war Guido immer ehrlich zu Schimanski?

„Es kann doch wohl nicht sein, dass Sie um diese Zeit schon wieder betrunken sind!“

Zu Beginn gibt’s ein Wiedersehen mit Schimanskis Adoptivtochter (Vy Nguyen), mit der Schimmi zum Tatort braust. Die beiden Zeugen, ein unheimlich spießiger alter Sack (Gert Burkard, „Didi – Der Doppelgänger“) und eine angepunkte junge Dame (Traute Hoess, „Berlin Alexanderplatz“), sorgen mit ihren Dialogen für Amüsement, doch bei den Ermittlungen im Gaststätten- und Schutzgeldmilieu wird es ernst. Schimmi kooperiert mit einem kleinen Gauner, um die beiden Mafioso-Handlanger rechtswidrig festzuhalten, und muss schließlich sogar versuchen, die Ermittlungen des neuen Vorgesetzten Wolf, einem echten Paragraphenreiter, zu sabotieren. Zwischen Thanner und Schimanski kracht’s bisweilen auch, Schimmi geht gar körperlich auf den triumphierenden Thanner los. Dieser wiederum lernt im Zuge der Ermittlungen in Susi Steuben (Conny Glogger, „Der Glockenkrieg“) eine nette alleinerziehende Dame kennen und verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen. Viel italienisches Temperament bringt zudem Guido ein, insbesondere bei seinem Gefeilsche mit einem Gebrauchtwagenhändler.

Solch humorige Szenen stehen im Kontrast zu einem desillusionierenden Sittenbild der italienischen Gastronomie, zu einer ehemals so herzlichen Freundschaft, die Schimanski neu überdenken muss, und zu einem heftigen Dauerregen, in dem einige Freiluftszenen spielen. Die Verbindung des Todesopfers mit der Schutzgeldthematik entspinnt sich erst nach und nach bzw. gerät zunächst in den Hintergrund, um schließlich für die geschickt platzierte Wendung eine entscheidende Rolle zu spielen. Das ist dramaturgisch wie erzählerisch prima gelöst. Mit seinem permanenten, gestelzten Vorschriftsgequatsche wird sich Neuling Wolf auf Dauer sicherlich keine Freunde machen, im Gegensatz zu jemandem wie Königsberg ist diese Figur jedoch etwas sehr nah an einer reinen Karikatur angelehnt. Als kleine Hommage an italienische Regisseure gehen wiederum Rollennamen wie Federico Leone (von einer Nebenrolle selbst mit Fellini und Sergio in Verbindung gebracht) oder Tessari durch. Und nicht zuletzt ist es der Soundtrack einmal mehr wert, genauer hinzuhören, bringt er doch südländische folkloristische Einflüsse mit und lässt Toni Miccoli am Ende inbrünstig „Mari“ schmettern.

Ein rundum gelungener „Tatort“ also, in dem die Grenzen zwischen Tätern und Opfern, zwischen legal und illegal verschwimmen, der sich auf weder verklärende noch rassistische Weise kritisch mit der italienischen Gemeinschaft auseinandersetzt und dabei deutlich macht, wie sehr man sie doch eigentlich lieben will. Capito?

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