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„Du bist ein Arschloch des öffentlichen Interesses!“

Regisseurin Ilse Hoffmanns dritte Arbeit für die „Tatort“-Krimireihe ließ sie erstmals mit dem Duisburger Ermittlerduo Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik) für deren nach dem Kino-„Tatort“ „Zahn um Zahn“ dreizehnten Fall zusammenarbeiten: „Der Tausch“ wurde im April 1986 erstausgestrahlt. Zusammen mit Hartmut Grund verdingte sich Hänschen-Darsteller Chiem van Houweninge erneut als Drehbuchautor.

„Du bist emotional viel zu sehr beteiligt!“

Eine Gruppe militanter Iraner versucht gewaltsam, den Physiker Bohm (Gerhard Garbers, „Heinrich Heine“) aus dem Duisburger Gefängnis zu befreien, das Wachpersonal kann den Plan jedoch vereiteln. Einer der Angreifer und einer der Schutzmänner kommen dabei ums Leben. Die Duisburger Kripo nimmt die Ermittlungen auf. Als sie den Terroristen gefährlich auf die Spur zu kommen drohen, entführt die Gruppe den kleinen Simon (Rainer Matschurat), den Sohn Schimanskis derzeitiger Lebensgefährtin Veronique (Yolande Gilot, „Ein pikantes Geschenk“). Sie wollen ihn gegen Bohm austauschen, doch Schimanski bietet sich seinerseits als Geisel im Austausch gegen den Junge an…

„Die Sache ist hochpolitisch.“

Der Fall beginnt spektakulär: Mit Maschinenpistolen schwer bewaffnete Männer in Hockeymasken bei einem Befreiungs- bzw. vielmehr Entführungsversuch – Bohm hat nämlich keinerlei Interesse an seiner Haftentlassung –, Schießereien und Tote. Schimmi liegt derweil mit seiner Veronique im Bett oder tollt mit deren Sohn Simon herum. Nach Beginn der Ermittlungen kann Herr Bohm als unmittelbar beteiligter Zeuge leider nicht viel zur Aufklärung beitragen, da man ihn mit Äther betäubt hatte. Die Kripo sieht sich gezwungen, ein Bordell zu stürmen, wo sie einen weiteren Toten vorfindet. Thanner besteht anschließend auf seine Work-Life-Balance und geht in einer Wave-Disco tanzen, wodurch das Publikum mit krassen Frisuren und einer guten Dosis ‘80s-Pop-Ästhetik konfrontiert wird. In schrillem Sakko gräbt er dort doch tatsächliche eine junge Frau (Nicole Ansari-Cox, „Immer & ewig“) an, was amüsant und zugleicht grotesk anmutet – und Anlass für einen komödiantischen Dialog zwischen ihm und Schimanski am nächsten Morgen ist.

„Ich weiß es nicht.“

So richtig kniet man sich erst in die Ermittlungsarbeit, als Schimmis Ziehsohn entführt wird. Kriminalrat Königsberg (Ulrich Matschoss) entzieht Schimanski aufgrund dessen persönlicher Involvierung den Fall, doch dieser ermittelt selbstverständlich auf eigene Faust weiter. Interessanterweise schien es damals in Duisburg eine Perserkneipe zu geben, denn in diese von zwielichtigen Gestalten bevölkerte Spelunke verschlägt es ihn, bevor er sich gegen Simon austauschen und somit in die Höhle der Löwen bringen lässt. Der Stil dieses „Tatorts“ schlägt erneut in Richtung Action-Krimi um, Schimmi prügelt und kämpft sich körperlich herausfordernd durch. Das ist größtenteils kompetent und spannend inszeniert, nur leider beging man den Fehler, es dem Helden etwas zu leicht zu machen und ihn beispielsweise völlig unbeschadet aus einem Kugelhagel entkommen zu lassen, was zu Lasten des gerade den Duisburger „Tatorten“ sonst so häufig anhaftenden Realismus geht. Auch dass Thanners Disco-Bekanntschaft sich als eine der Terroristinnen entpuppt, ist ziemlich unglaubwürdiger Unfug.

Dass es die Iraner ausgerechnet auf einen inhaftierten Physiker abgesehen haben, weil er an der Entwicklung von Mikrochips für Raketen beteiligt war, verschärft den Eindruck der Überkonstruktion zwecks Handlungskonstitution. Offenbar versuchte man, die Themen iranische Einwanderer, Terrorismus und Industriespionage miteinander zu vermengen, was nicht gänzlich gelingt – zu schwammig und knapp bleiben die Einblicke ins persische Milieu der Ruhrpott-Stadt, zu einseitig bis gar despektierlich seine Darstellung. Die Kalter-Kriegs-Thematik schwingt ebenfalls mit, bleibt aber diffus – außer im BKA-kritischen Epilog, als Schimmi seine Weltsicht eigentlich sehr schön zusammenfasst, vom CIA-Arschloch dafür jedoch aufs Maul bekommt. Auch das eine Szene, die man eigentlich nicht sehen möchte – umgekehrt würde ein Schuh daraus. Schön sind hingegen neben bereits Genanntem der Schuss Selbstironie der Ermittler und die Neo-noir-Anleihen, die sich in schummrig ausgeleuchteten Abend-/Nachtszenen und sintflutartigem Regen zeigen. Selbst die von Chris Norman gesungene „Midnight Lady“ zählt zu den erträglicheren Dieter-Bohlen-Kompositionen und setzte sich nach Ausstrahlung dieses „Tatorts“ hartnäckig in den deutschen Charts fest. Dennoch: Einer der schwächeren Einsätze des Kultduos Schimanski/Thanner.

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