Review

Ich überlege, ob ich eventuell einen Handlungsspoiler in diesem Review habe, aber eine Handlung gibt es bei „Lara Croft: Tomb Raider“ gar nicht.
Es beginnt wie jeder Indiana Jones Film: Lara Croft (Angelina Jolie) steigt in eine Grabkammer ein um nach Artefakten. Im Gegensatz zu Kollege Indiana bekommt sie es hier allerdings nicht mit Schlangen oder Fallen zu tun, sondern mit einem Amok laufenden Special Effect in Form eines Roboters, der ihr nach dem Leben trachtet. In einer mittelprächtigen Ballerszene bezwingt sie das Biest dann auch. Die Tatsache, dass Lara sehr akrobatisch kämpft, ist zwar spektakulär, in erster Linie aber lächerlich. Den es wirkt, als würde ein 10jähriger Playstationsüchtel alle Sprungkombinationen des neues Tomb Raider Games vorführen. Kaum denkt Lara, dass Vieh sei endlich tot, steht es wieder auf um erneut anzugreifen (wie originell). Diesmal wird der Roboter mit eigenen Waffen geschrottet und in eine CD (Inhalt: Lara’s Partymix) in ein Laufwerk am Roboter geschoben. Dann erkennt der Zuschauer, das alles nur eine Übung war – so wie nahezu jeder C-Actionfilm (dort geht es dann meistens um Spezialeinheiten) beginnt. Mit ihrem Mix dürfte Frau Croft auf nur wenigen Partys willkommen sein, da das auf der CD enthaltene Gedudel eine Beleidigung für die Ohren ist.
Dann geht’s erst mal Duschen, auf dass das 12 bis 14jährige Zielpublikum von der Wahl der Lara Croft überzeugt wird. Das vollkommen jugendfreie Duschen (wir brauchen ja PG 13) ist die ‚spektakulärste’ Szene seit der Erfindung des Softpornos. Jeder halbwegs erwachsene Zuschauer fragt sich, ob das auf der Leinwand tatsächliche eine Oscar-Preisträgerin oder nicht doch Julie Strain ist.
Die nun kommende Story ist vermutlich herausgekommen, als der Drehbuchautor jede Menge Abenteuer- und Mysteryfilme im Alkoholrausch gesehen hat: Lara findet eine seltsame Uhr in ihrer Villa, welche sie dazu veranlasst auf Schatzsuche zu gehen. Dabei zofft sie sich zuerst mit den Illuminaten, macht dann aber später gemeinsame Sache mit ihnen (warum sie ihnen diverse Mordanschläge verzeiht, entzieht sich der Kenntnis des Zuschauers). Außerdem trauert Lara noch um ihren verstorbenen Daddy (Jon Voight), der schick in zwei, drei Traumsequenzen die typische Altersrolle des erfahrenen, weisen Mannes markieren darf.
Leider wendet sich „Tomb Raider“ an ein Publikum, dass nicht älter als 14 ist. Der Humor ist zum größten Teil sehr kindisch; lediglich die Auftritte von Lara Crofts Butler sind auch für ‚ältere’ Generationen geeignet (16 aufwärts). Damit der etwas ironischere, subtilere Humor der Butlerfigur die Blagen nicht überfordert, hat er nur wenige Auftritte. Auch bei der Coolness hält sich das Filmteam an das jüngere Publikum. Wer hier denn Zynismus der Willis-Kracher „Stirb langsam“ und „Last Boy Scout“ erwartet, wird enttäuscht. So darf Lara Sprüche vom Stapel lassen, die noch nicht mal im dümmsten B-Actioner auftauchen. Beispiel gefällig? Lara entziffert eine paar Hieroglyphen, die vor Fallen warnen. Sie kommentiert das mit dem tollen Satz: „Fass nichts an, oder du bist am Arsch.“ Während sich die Zielgruppe unter die Kinosessel lacht und sich freut, dass Lara so böse Wörter benutzt, schlägt der Fan von Actionfilmen mit coolen Sprüchen seinen Kopf gegen den Sitz des Vordermanns.
Die Action insgesamt ist durchschnittlich. Bei den meisten Ballerszene darf Angelina Jolie sich in ‚coole’ Posen ins rechte Licht rücken. Denn so wartet sie auch bis die angreifende Steinstatue ganz nah ist, um ihr die Waffe an den Kopf zu halten, einen pseudo-lässigen Blick aufzusetzen und abzudrücken. Wirklich genial hingegen ist der Überfall auf Laras Anwesen. Lara schwingt an einem elastischen Seil durch das Zimmer (natürlich in leichten, flatternden Seidenklamotten, wie 14jährige sich so was eben wünschen). Dann seilt sich eine Spezialeinheit ab, die aus allen Rohren feuert, aber (wer hätte das gedacht) den kürzeren zieht. Diese Szene zeigt, dass Regisseur Simon West, der mit seinem Debüt „Con Air“ den Grundstein für einen längeren Aufenthalt in Hollywood legte, sein Handwerk beherrscht. Lara kämpft sich akrobatisch, aber nicht zu unrealistisch durch den Kugelhagel. Anfangs sogar noch am Seil hängend (obwohl sich dessen Länge und Dehnbarkeit anscheinend so verändern, wie Lara es gerade braucht). Diese Szene würde auch Actionstylisten der Marke John Woo zur Ehre gereichen – leider ist es die einzige dieser Art im Film. Die restliche Action dürfte allenfalls die „Matrix“-Kiddies hinter den Ofen vorlocken. Gewalt gibt’s natürlich keine (wir brauchen ja PG 13), so enden Ballereien auch harmlos, was den geneigten Jerry Bruckheimer oder Joel Silver-Fan anödet Dieser fragt sich nur, welchen richtigen Actionfilm er sich zu Hause aus der Privatsammlung ansehen soll. So darf auch der Butler in der Überfallszene mit der Schrotflinte rumlaufen; diese allerdings nur einmal abfeuern ohne überhaupt einen Angreifer zu treffen.
Im Punkt Schauspieler sammelt „Tomb Raider“ ebenfalls Minuspunkte. Angelina Jolie wird sogar von der animierten Lara aus den Games übertroffen und steht den gesamten Film mit dem „Fick mich“-Blick durch (wie sich 14jährige sich so was eben wünschen). Die Bösewichte haben ungefähr soviel Ausstrahlung wie eine Packung aufgeschnittenes Weißbrot., vor allem der Oberfiesling sieht aus wie missglückter Klonversuch von Bruce Payne. Jon Voights Rolle kann man maximal als Gastauftritt bezeichnet. Nebenbei schleppt Lara noch einen Computerknilch mit, der halt der schwache Mann neben der starken Frau sein muss (so wie 14jährige sich so was eben wünschen). Er ist sozusagen Laras Q, nur dass seine Gimmicks wie der Roboter vom Anfang kaum zum Einsatz kommen (im Gegensatz zu dem geradezu verschwenderischen Einsätzen in Bond-Filmen). Er sieht aus wie der Steve Buscemis Azubi, doch an dessen Kultpotential reicht er nicht heran.
Während die Story auch eher an Trash-Filme erinnert, ist wenigstens die Machart professionell. Die exotischen Schauplätze sind gelungen abgefilmt worden und auch die Atmosphäre stimmt. Hier zeigt sich, das Regisseur West die geringste Schuld an dem Debakel „Tomb Raider“ trägt.
Das Ende ist richtig lächerlich: Eine armselige Prügelei, die in einer mythischen Wettrennsequenz endet (andere Dimension oder so; was genau passiert bzw. warum verschweigt uns der Film). Dann wird noch eben ein bisschen an der Zeit gedreht, weil den Produzenten anscheinend nicht genug Mystery in dem Film vorkam.
Und so zeigt sich die größte Schwäche von „Tomb Raider“: Das Drehbuch. Zwischen den Action- und Abenteuerszenen wird die Langeweile des Autors deutlich, sich um die ‚unwichtigen’ Szene zu kümmern. Auch vollkommen sinnlose Verlängerungen (wir müssen irgendwie über 90 Minuten kommen um seriös zu wirken) zehren an den Nerven. So findet die Gruppe in einer Höhle eine Glocke. Lara geht hin, läutet sie und sprengt einen verborgenen Eingang auf. Allerdings ohne dass dieser groß gesucht wird (dermaßen intellektuelle Höchstleistungen sollen dem Publikum nicht zugemutet werden; so wie 14jährige sich eben so was wünschen).
Mieses Drehbuch und lustlose Schauspieler, da hilft auch die tolle Inszenierung nichts. So ist „Tomb Raider“ zwar nicht langweilig, aber auch nicht mehr als Durchschnitt. Allenfalls das 12 bis 14jährige Kinopublikum dürfte begeistert nach Hause zurückkehren, um sein Taschengeld am nächsten Tag in das neueste „Tomb Raider“ Game oder Lara Croft Merchandising zu investieren.

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