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Will man vom Seuchenthriller als einem Genre sprechen und den Zombiefilm dabei außen vor lassen, so ließ es sich bisher in erster Linie auf einen Schlüsselfilm herunterbrechen: Wolfgang Petersens explosiven „Outbreak“.
Demgegenüber setzt Steven Soderberghs plotmäßig ähnlich gelagerter „Contagion“ eine gänzlich andere, realistische wie dokumentarisch angehauchte Herangehensweise: Ähnlich wie „Outbreak“ zeigt auch „Contagion“ die Übertragung eines neuartigen Virus durch banale Begegnungen im täglichen Leben, packt dies aber in vergleichsweise triste Handkamerabilder und verdeutlicht seinen dokumentarischen Gestus durch Einblendungen des jeweiligen Infektionstages. Außerdem geht es hier nicht um einen verdichteten Handlungsort wie das abgeriegelte Dorf in „Outbreak“, sondern um eine weltweit grassierende Epidemie, verdeutlicht durch ein Panoptikum los verbundener Figuren.
Den Bruch mit dem großen, effekthascherischen und bisweilen auch etwas pathetischen Blockbuster verdeutlicht „Contagion“ nicht zuletzt dadurch, dass eine Figur gleich zu Beginn stirbt, die von einem der ersten und prominentesten Namen auf der Besetzungsliste gespielt wird: Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) ist eines der ersten Opfer des mysteriösen Virus, gegen das es kaum eine Heilung zu geben scheint, das sich aber rasend schnell ausbreitet.

Nun folgt der Zuschauer Figuren wie Beths Mann Mitch (Matt Damon), dem Verschwörungstheorie-Blogger Alan Krumwiede (Jude Law) oder den im Auftrag der Regierung handelnden Experten Ellis Cheever (Laurence Fishburne) und Leonora Oates (Marion Cotillard) durch den Film…
„Contagion“ ist spröde, hin und wieder vielleicht auch etwas zäh, aber in seiner beeindruckenden Nüchternheit durch und durch faszinierend: Es gibt sie, die Heldentaten, die Selbstopfer und die Verzweifelung im Gesicht der Katastrophe, doch all das bereitet Soderbergh ohne Effekthascherei und große Gesten auf. Tatsächlich hat sein Figurenpanoptikum mehr als einmal die Funktion darauf hinzuweisen wie unbedeutend doch der Einzelne im Fall der ganz großen Katastrophe ist – und das, obwohl sich der Film ja in erster Linie den Schlüsselfiguren der Geschichte widmet. Tod wird hier als etwas Trauriges, aber auch Allgegenwärtiges angesichts der Lage beschrieben. Und diese ist heftig: Immer wieder verweist „Contagion“ auf das Verhalten des Menschen in Extremsituationen, der hier plündert, raubt und entführt um zu überleben – oft auf Kosten anderer.
Gleichzeitig seziert der Film auch mit fast diebischer Freude die Hintergründe des Ganzen: Eine Expertin stellt klar wie oft wir in der Mitte unser Gesicht berühren ohne groß darauf zu achten, laxe Hygiene ermöglicht den schnellen Ausbruch der Krankheit und die außereheliche Affäre Beths als Geheimnis macht es schwerer die Erkrankten untereinander zu verbinden. Das Ganze präsentiert Soderbergh ohne moralischen Zeigefinger, es gibt keinen Hygiene-Holzhammer-Appell und Beths früher Tod wird nicht als metaphorische Bestrafung für das Betrügen ihres Gatten inszeniert, sondern als Teil einer Kausalkette von Verknüpfungen.

Selbst der politisch am meisten mit Bedeutung aufgeladene Handlungsstrang, Krumwiedes Kreuzzug gegen die großen Konzerne und das Anpreisen eines homöopathischen Tees als Heilmittel durch den selbsternannten Virologen, wird nicht für große Appelle genutzt: „Contagion“ sagt wenig darüber aus, ob Krumwiede eventuell immun ist oder tatsächlich recht hat, seine Konkurrenz zu den großen Konzernen und den „offiziellen“ Medien verdeutlicht nur die Bedeutung, welche Konzerne und Medien eben in unserer heutigen Gesellschaft und damit auch im Angesicht der hier dargestellten Katastrophe spielen. Das Ende kann man als Happy End lesen, doch auch dies erscheint nur als Konsequenz aus der Geschichte, die alles andere als optimistisch ist: Die Herstellungsdauer eines Anti-Serums und die anfangs selektive Verteilung, die wiederum weitere Leben kosten, all das kommt zur Sprache und wird an den Figuren durchexerziert.
Matt Damon spielt hier zwar die wohl gewöhnlichste Figur innerhalb des Ensembles, von Jason Bourne ist in seiner Darstellung des Familienvaters nicht viel zu sehen, doch die Tatsache, dass er am meisten glänzt zeugt nur wieder von der Wandlungsfähigkeit des talentierten Stars. Kate Winslet als patente Expertin und Jude Law als leicht spleeniger Blogger spielen ebenfalls groß auf, daneben wirken Laurence Fishburne und Marion Cotillard in ihren Arzt-Rollen vielleicht etwas brav, füllen diese aber überzeugend aus. Auch in den Nebenrollen findet man ebenso talentierte wie bekannte Gesichter, darunter John Hawkes, Bryan Cranston und Armin Rhode.

Mit „Contagion“ bürstet Soderbergh den Seuchenthriller effektiv gegen den Strich, was ihm mit dem Actionthriller in „Haywire“ nicht so gut gelingen wollte. Auch „Contagion“ ist bisweilen etwas sehr spröde und sperrig, nicht jeder Handlungsstrang fügt sich harmonisch in die Geschichte ein (Stichwort: Entführung), in seiner beinahe dokumentarischen Nüchternheit und Akribie aber schon sehr spannend und fesselnd ohne große Schauwerte. 7,5 Punkte meinerseits.

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