Review

Unter dem Pseudonym "Starbuck" hatte David Wozniak (Patrick Huard) vor mehr als 20 Jahren hunderte von Samenspenden abgegeben, mit denen auf Grund eines Fehlers der verantwortlichen Klinik 533 Kinder gezeugt wurden. Das David als junger Mann diese ungewöhnliche Einkommens - Methode gewählt hatte, erstaunt nicht, denn auch als Mittvierziger scheint er der Pubertät noch nicht wirklich entwachsen zu sein. Als einer von drei Söhnen arbeitet er im Betrieb seines Vaters (Igor Ovadis), einer Fleischerei, aber ohne diese Familienbande hätte er seinen Job längst verloren. Auch seine Freundin Valérie (Julie LeBreton) hat ihn als zuverlässigen Partner aufgegeben und will das gemeinsame Kind ohne ihn bekommen. Zudem wird er von Geldeintreibern brutal unter Druck gesetzt, denen er 80000 Dollar schuldet.

Angesichts dieser Ausgangssituation läge eine tragische Geschichte über einen Mann mittleren Alters nahe, der im Leben zu scheitern droht, aber bei "Starbuck" handelt es sich um eine Komödie der Kategorie "Feel-good-Movie", dessen Konstruktion beinahe prototypisch für das Genre steht. Im Gegensatz zu einer RomCom, die sich der komplizierten Findung eines attraktiven Paares unter idealen Rahmenbedingungen widmet, geht das "Feel-good-Movie" weit darüber hinaus. Eingebettet wird die Story in ein reales Umfeld mit durchschnittlichen Menschen, deren Probleme allgemein nachvollziehbar sind. So schwierig die beschriebene Situation erscheint, so emotional umfassend wirkt letztlich deren Lösung, die im Idealfall den Blick frei werden lässt auf das Gute im Menschen, das letztlich doch siegt und bei dem Betrachter ein "gutes Gefühl" erzeugt. Doch dafür bedarf es einiger manipulatorischer Kniffe:


1. Der Protagonist:

Typen wie David, die ihr Leben nicht in den Griff bekommen und optisch an die 80er Jahre erinnern, werden im Film normalerweise als Loser oder Witzfigur gezeichnet, im Idealfall noch als origineller Side-Kick. Doch Patrick Huard, trotz der altmodischen Attitüde von attraktiver Präsenz, spielt ihn mit solch lässigem Gestus, das man ihm seine Fehler sofort verzeiht. Im Gegensatz zu seinen angepassten Brüdern oder den Fußballkumpels, ist seine unkonventionelle Art sympathisch, abgesehen davon, das aus seinem Mund weder frauenfeindliche, noch sonst diffamierende Sprüche zu hören sind, wie sie bei den anderen Männern an der Tagesordnung sind. Selbst seine Freundin Valérie wirkt nicht überzeugend, wenn sie ihm den Laufpass gibt, sondern wie eine Frau, die an einem geliebten Kindskopf verzweifelt.

Auch die äußerlichen Probleme, die auf David zukommen, werden geschickt verklausuliert. Die Brutalität der Geldeintreiber wird in fast zärtlichen Bildern verdeutlicht, wenn David unter Wasser gedrückt langsam die Luftblasen entweichen, während echte Beschädigungen nicht stattfinden. Nicht einmal die Einrichtung seiner Wohnung, idealtypisch für einen Mann, der seine Kindheit noch lebt, wird zerstört. Die Gefahr, die David durch seine Schulden erwächst, bleibt zwar präsent, soll letztlich aber nur sein zeitweise egoistisches Handeln gegenüber seinen biologischen Kindern begründen. Um seine Gläubiger zu befriedigen, wäre es sinnvoll, die Klinik auf Schadenersatz zu verklagen, die ihm den Kinderreichtum eingebrockt hatte, wie ihm sein Freund und Anwalt rät, der in "Starbuck" die Rolle des skurrilen Side-Kicks inne hat. Das aber hätte zur Folge, das er dem zahlreichen Nachwuchs seine Identität nicht mitteilen dürfte. Für jeden eine klare, keinesfalls verwerfliche Entscheidung, da ein Samenspender nicht die Verantwortung für einen eventuellen Nachwuchs tragen kann - nicht so für den sympathischen, unkonventionellen David.


2. Die Story:

Auslöser der Handlung ist die Klage von 142 jungen Erwachsenen, die wissen wollen, wer ihr leiblicher Vater ist. Kurz geschockt, auch weil er sein Leben nicht für vorzeigbar hält, beginnt David, sich langsam die einzelnen Steckbriefe seiner biologischen Kinder anzusehen und sucht sie, ohne sich erkennen zu geben, auf. Zuerst noch als Fan im Fußballstadion, um dem Sohn, der ein erfolgreicher Fußball-Profi geworden ist, zuzujubeln, geriert er sich zunehmend als Vater - hilft dem Einen, seinen Traumjob zu bekommen, rettet eine Tochter vor der Drogenabhängigkeit und lässt sich vom Bademeister-Sohn nach einem Unfall im Schwimmbecken wieder beleben.

Wie kalkuliert der Film dabei vorgeht, wird besonders deutlich, als er einen schwer behinderten Sohn aufsucht, der sich in einem Pflegeheim befindet. Wie er sich diesem nach kurzem Zögern annimmt, ihn spazieren fährt, füttert und über das Haar streicht, ist anrührend, aber wieso dieser auf der Liste derer steht, die seine Identität vor Gericht einklagen wollen, wird nicht deutlich. David selbst gibt sich bei einer Versammlung seiner Kinder, in die er zufällig hinein gerät, als dessen gesetzlicher Vertreter aus, was nur funktionieren kann, weil ein echter Vertreter gar nicht auftaucht. Doch selbst wenn dieser existieren sollte, hätte er sich dieser Klage kaum angeschlossen, denn sein Schützling ist nicht in der Lage, seine Situation als Kind eines Samenspenders zu begreifen. Diese Konstellation hat einzig den Sinn, Davids emotionale Stärken noch mehr heraus zu arbeiten.

"Starbuck" greift mit seiner Thematik ein aktuelles Problem auf, wie es deutlich fundierter in "The kids are all right" 2010 behandelt wurde, in dem ein lesbisches Frauenpaar ihre zwei Kinder vom selben Samenspender bekam, den diese als junge Erwachsene kennenlernen wollen. Der Wunsch, zu erfahren, von wem man abstammt, ist einer der Urinstinkte des Menschen, der durch die zunehmende Auflösung des klassischen familiären Zusammenlebens völlig neue Situationen entstehen lässt. Doch "Starbucks" nimmt sich der eigentlichen Problematik gar nicht an, sondern übertreibt nur, indem er eine Masse an biologischen Kindern auf einen sympathischen Außenseiter treffen lässt. Entscheidend für die fehlende Relevanz des Films ist aber, das keine Mutter zu existieren scheint, was schlicht unrealistisch ist.

Einmal erwähnt einer der Kinder, das sie ihre Adoptiveltern lieben würden, diese aber eine echte leibliche Verbindung nicht ersetzen könnten. Kinder, die von einem Samenspender abstammen, benötigen immer noch eine leibliche Mutter, von der im Film nie die Rede ist. Eine Auseinandersetzung mit dieser oder einem möglichen Adoptivvater, auch hinsichtlich des Wunsches, den biologischen Vater kennenlernen zu wollen, findet nicht statt. Selbst als Financiers der Gerichtsverhandlung tauchen sie nicht auf. Stattdessen scheinen die jungen Erwachsenen geradezu ausgezehrt von fehlenden familiären Bezügen zu sein, weshalb es keinerlei fremdelnde Gefühle gegenüber David gibt, sondern nur große, allumfassende Liebe. Keinen Moment gibt es echte Konflikte, die nicht unmittelbar gelöst werden könnten.

In "Starbuck" erweist sich die Story um den Sohn einer polnischen Einwandererfamilie im französisch sprachigen Teil Kanadas zunehmend als groß angelegtes Märchen, das eine witzig, emotionale Geschichte um einen sympathischen Kindskopf erzählt, der unvermittelt zu einer großen, glücklichen Familie kommt, nebst neu geborenem Baby und zukünftiger Ehefrau. Als Film funktioniert das tadellos, ist jederzeit unterhaltend, voll witziger Einfälle und emotional angemessen mitreißend. Doch man sollte dabei nicht übersehen, das "Starbuck" sich nicht als Märchen begreift, sondern sich einen realistischen Anstrich gibt, seine Story in ein urbanes Umfeld einbettet und eine Vielzahl aktueller Probleme anspricht. Das "gute Gefühl", das er am Ende vermittelt, erzeugt er nicht nur durch geschickte emotionale Manipulation, sondern vor allem durch Verharmlosung (5/10).

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