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Filme, die auf ärgerliche oder auch schockierende Weise Aufmerksamkeit erregen (welch passendes Wort!) und sich damit einen besonderen Namen, nämlich „Skandalfilm“ machen, sind auf der Titelliste eines Cineasten meist in den vorderen Reihen zu finden, aber dieser Fall zeigt, dass manchmal doch mehr die Herkunft als das berüchtigte Werk selbst dafür die Verantwortung trägt. Inszenatorisch im eher unkonventionellen Stil, sorgt „Baise-moi“ für gelegentliche Überraschungseffekte und springt flott vom einem Ereignis zum nächsten, ohne sich mit langen zwischenzeitlichen Erklärungen auf zu halten (ausschlaggebend für die kurze Lauflänge). Die Vorgehensweise ist leicht zu durchschauen: Was betont werden soll, gibt’s im Close-Up zu sehen, was zusätzlich verstören soll, wird in besonders wackeligen Bildern gezeigt. Überhaupt fällt natürlich die anscheinend niemals still stehende Kamera ins Auge und man versucht, leider ohne wirklichen Erfolg, den Sinn zu enträtseln. Inhaltlich gibt sich der Film ziemlich dünn und einfallslos. Man könnte ihn als ein französisches „Natural Born Killers“ mit einem Schüsschen „Bound“ bezeichnen. Dass dieser wahrhaftig schroffe Mix aus Gewalt und Hardcore in dem offenbar noch recht peniblen Frankreich gleich für jede Menge Furore sorgte und das schaffte, was seit Ewigkeiten keinem anderen filmischen Machwerk dort gelungen war (von 16 nachträglich auf X), mag ja noch halbwegs verständlich sein, aber da der Rest der Welt heutzutage um einiges abgebrühter ist, verwundert es ebenso wenig, dass der Film anderswo sein anscheinendes Ziel zumindest weitestgehend verfehlt hat. Es ist ein Film, an dem sich die Geister scheiden, da kann man sicher sein. Die einen sehen in ihm ein extravagantes Kunstwerk, viele andere dagegen stempeln ihn als unsäglichen filmischen Sondermüll ab. Und dabei hat er sogar, man glaube es oder nicht, tatsächlich seine gewissen Reize (und wieder ein nur zu angemessener Begriff!). Da wäre zum einen die schonungslos dargestellte Vergewaltigungsszene, die einen ganz anderen Eindruck hinterlässt, als wenn man so etwas in einem gewöhnlichen TV-Krimi sieht, wo alle Details ausgelassen werden, oder gar bloss in der Zeitung liest. Und das dürfte auch ein wesentlicher Grund dafür sein, dass „Baise-moi“ ausserhalb seines Herkunftslandes einen Grossteil seines Publikums kalt gelassen hat. Von dieser mit Abstand am schwersten verdaulichen Szene, die leider schon zu Anfang vorweg genommen wird, förmlich desensibilisiert, verpufft die Wirkung des Films rasch, da alles darauf folgende im Vergleich hierzu deutlich verblasst, ja teilweise fast schon harmlos erscheint. Allerdings bezieht sich dies nur auf Zuschauergruppen, die mit Streifen der aggressiveren Sorte bereits hinreichend Bekanntschaft gemacht haben und daher wissen, was auf sie zukommt. Unerfahrene und/oder Zartbesaitete werden mit Sicherheit nicht bis zum Schluss durchhalten und wahrscheinlich schon während der Vergewaltigung zusehen, dass schnellstens eine Taste auf der Fernbedienung gedrückt wird, die den Spuk auf der Stelle von der Bildfläche verschwinden lässt. Ein weiteres grosses Plus sind die beiden, der Pornofilmbranche entstammenden Hauptdarstellerinnen, die in ihren Rollen richtig glaubhaft rüberkommen, was auch gar nicht mal so weit unter dem Erwartungswert liegt, sind die beiden hier doch voll in ihrem Metier. Genauer betrachtet sind sie sogar das wichtigste Zugpferd für den Film, der in erster Linie von ihrer Performance getragen wird. Bleibt zum Schluss noch die Frage, was „Baise-moi“ eigentlich aussagen will, und hier hapert es gewaltig. Soll hier ein tiefgehender Einblick in das Milieu, in dem unsere zwei Femme fatales verkehren (ja, schon gut!), gegeben werden? Das würde zwar erklären können, was es mit der wackeligen Kamera, die sich oft sehr nah und in Blickrichtung einer der beiden befindet, auf sich hat und ferner eine Interpretation des verschwommenen Bildes (trübsinnige Stimmung??) zulassen, jedoch fehlt es an der erforderlichen Vertiefung der Charaktere, um sich wirklich in sie hineinversetzen zu können. Oder schildert der Film mehr die wildesten, krankhaftesten Ideen einer Frau, deren Erfahrungen in Bezug auf das andere Geschlecht gar nicht in Worte gefasst werden könnten? Um es kurz zu machen: „Baise-moi“ liefert keinen eindeutigen Anhaltspunkt dafür, dass hier überhaupt eine hintergründige Intention verfolgt wurde. Es könnte sich also um ein weiteres Kunstwerk, das von vielen zu Unrecht verkannt wurde, handeln, es könnte aber auch genauso gut ein primitives Stück Schundfilmgeschichte sein, das sich einfach nur über die Grenzen aller möglichen Tabus hinaus Beachtung verschafft hat. In jedem Fall kann man aber sagen, dass die Art, auf die „Baise-moi“ zu provozieren versucht (was besonders daheim funktionierte), in jeder Hinsicht einfach nur plump ist. Ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl hätte im Nachhinein nur von Vorteil sein können.

Fazit: Äusserst zwiespältiger Skandalfilm, den jeder, der sich ein Urteil über ihn bilden will, selbst gesehen haben sollte. Positive Aspekte sind unabhängig davon, wie man ihn letztendlich auffasst, zu verzeichnen, so dass insgesamt das Prädikat „passabel“ zu vergeben ist.

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