Homies
Ein großes Missverständnis
Das neuste Jimi Blue Ochsenknecht Vehikel Homies hatte es echt nicht leicht. Gerade mal 5500 Besucher in den Kinos und ein Presseecho, gegen das „Zeiten Ändern Dich" aufgenommen wurde wie heutzutage „The Artist". Wenn da keine Köpfe in der Produktionsfirma gerollt sind, dann ist Jimi Blues Debütalbum ein echter Klassiker. Aber bei allen Schelten und Schmähungen denen dieses Coming of Age - Drama/Deutschrapmusical ausgesetzt war, muss ich nach ausgiebiger Sichtung einfach mal mit der Faust auf den Tisch hauen. Weder die Fachpresse, noch die Zuschauer, noch die Typen, die Filmpreise vergeben haben Homies verstanden.
Homies ist nämlich gar nicht der völlig missratene Versuch das Beste aus „8 Mile" und „Mulan" in 90 Minuten zu kombinieren. Ganz offensichtlich hatte Regisseur und Co-Autor Adnan Köse ein ganz anderes Genre im Visier und wurde dabei nur gründlich missverstanden. Es ist doch sonnenklar, dass Homies in eine Reihe mit Comedy Evergreens wie „High School High", „Malibu´s Most Wanted" und „Hip Hop Hood" gehört. Also ich persönlich habe mich fast bepisst vor lachen und bin mir sicher, dass diese Reaktion auch von den Machern beabsichtigt war.
Worum geht's?
Im Großen und Ganzen geht es um den 18-jährigen, milchgesichtigen Marvin (Jimi Blue Ochsenknecht), der den Schmerz des harten Lebens mit poetischem Feingefühl in seinen Raptexten transportiert. Seiner Karriere steht nur eine kleine aber feine Tatsache im Weg. Marvin kommt leider aus keinem grauen Asphaltdschungel, sondern lebt mit seiner Mutter in einer arztpraxissterilen Villa im reichsten Außenbezirk Münchens. Blöd gelaufen für Marvin, dabei möchte er doch so gerne den harten, realen Straßenhustle kennen lernen und sich nicht länger von den drei Nachbarsjungen (die in ihrer Montur auch in Stanley Kubricks
„Shining" als Spukgestalten hätten auftreten können) auf Grund seines Rapfaibles verarschen lassen.
Zum Glück kommt ihm eines Nachts der Geist seines verstorbenen, amerikanischen Rapidols DW Court (Günther Kaufmann) zur Hilfe. Nachdem dieser ihn mit einigen Weisheiten belehrt hat, kurzzeitig auf deutsch (!) vor sich hin rappt und ihm eine Kette schenkt, die sogar bei Gucci Mane für Stirnrunzeln sorgen würde, schubst er ihn kurzerhand vor den Wagen von Osman (Ismail Deniz), dem Anführer einer coolen Problemviertel Clique. Ohne lange zu zögern nimmt die sympathische Bande den ohnmächtigen Marvin mit in ihre Hood und behält ihn vorübergehend. Der türkischstämmige Glatzkopf Osman ist ein klares Alphamännchen. Er kleidet sich wie eine Mischung aus Ja Rule und 2Pac, schwingt gerne Reden wie die Gangsterrollen von Al Pacino und Robert De Niro und ist der Besitzer einer Pizzeria, in der so ziemlich jede Figur des Films irgendeiner Tätigkeit nachgeht.
Marvin ergreift die unverhoffte Chance seiner Street Credibility auf die Sprünge zu helfen und überzeugt die Jungs mit seinen unverwechselbaren Rapskills. Dabei lügt er ihnen vor, er stamme ebenfalls aus harten Verhältnissen.
Wo wir gerade von harten Verhältnissen sprechen. Außenaufnahmen des lebensbedrohlichen Viertels werden leider nie gezeigt und die Ghettobewohner sehen allesamt aus, als hätte man sie direkt vom Set einer beliebigen deutschen Dailysoap weggecastet und jedem vierten ein bisschen Dreck ins Gesicht geschmiert.
Dass das Leben in der Hood aber keineswegs so harmlos und fröhlich verläuft, wie viele Zuschauer zu diesem Zeitpunkt eventuell annehmen könnten, stellen wir eines Nachmittags in der Pizzeria fest. Zwei fiese, finstere Hoodgestalten nehmen einem leicht sehbehinderten Mädchen zum Spaß die Brille weg und werfen sie hin und her, während das Opfer auf Grund der traumatisierenden Gewalttat mit den Tränen kämpft. Marvin nimmt all seinen Mut zusammen und geht dazwischen. Mit dieser heldenhaften Tat verdient er sich den Respekt der Gang und die Sympathie der blonden Stella (Sabrina Wilstermann), in die sich Marvin natürlich sofort verliebt.
Stella wirkt die meiste Zeit als stände sie unter dem Einfluss sedierender Psychopharmaka. In ihrer Freizeit lässt sie sich als Tänzerin von Detlef D. Soost rumkommandieren und trällert beim Müll raus bringen mit Vorliebe kitschige Arien über das harte Leben in der Hood. Es wird gesungen!!!Der Gesang muss an dieser Steel ganz groß erwähnt werden. Die Charaktere beschränken sich nämlich nicht aufs rappen. Nein, sie singen auch. Und das tun sie gerne und oft. Eigentlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Und das nicht nur auf der Bühne, sondern auch handlungsvorantreibend. Da fehlt eigentlich nur noch, dass im Hintergrund geschminkte Katzen ihr Unwesen treiben und Sha Rukh Khan im Finale den Chor unterstützt.
Absoluter Höhepunkt diesbezüglich ist die Szene, in der Osman Stella mit einem schmalzigen Song seine Liebe gesteht. Wer hier nicht lacht, der hat wirklich schlimme Dinge erlebt.
Ich bin mir sicher, dass Osmans bardische und tänzerische Glanzleistung auf Youtube schneller die Millionenmarke knacken würde als Hafti Cho sagen kann.
Osman wird übrigens in seinen Gesangs- und Rapparts von dem Münchner Rapper und Songwriter Ali A$ synchronisiert, der auch für sämtliche Texte zuständig war. Für den Soundtrack zeichnet sich Erfolgproduzent Tai Jason verantwortlich. Beide sind auch mit Cameos im Film vertreten.
Wie geht's weiter?
Zurück zu Marvin. Der hat mittlerweile nicht nur das Problem, dass Osman eifersüchtig auf ihn und Stella ist. Der Bösewicht hat auch herausgefunden, dass Marvin eigentlich gar nicht so Ghetto ist, wie er immer behauptet. Mit diesem Wissen zwingt er den oft etwas abwesend wirkenden Rapper für ihn als Ghostwriter zu arbeiten. Das Drama nimmt unaufhaltbar seinen Lauf.
Wird Marvin die Erwartungen die der 1988 in Brooklyn erschossene DW Court in ihn gesetzt hat erfüllen können? Wird er Stellas sediertes Herz erobern? Wird er den Beef mit dem angepissten Osman überleben? Kann das Ghetto ihm verzeihen, dass er nicht aus dem Ghetto kommt? Wird seine Mutter seine Rapkarriere anerkennen? Wird sich Osman von seinem 2Pac Gedächtnisbandana verabschieden? Wird die leidgeprüfte Brillenschlange mit dem an dieser Stelle zum ersten Mal genannten Sidekick Kemal glücklich werden? Ist „Hip Hop Express" wirklich der richtige Titel um einen so immens wertvollen Streifen in den USA zu veröffentlichen?
Das alles entscheidet sich auf dem... Dreimal raten... Richtig! Auf dem großen Rapwettbewerb am Ende des Films. Der läuft dann in etwa so ab, wie wir es aus „8 Mile" und „Blutzbrüdaz" gewöhnt sind, nur ohne Schimpfwörter.
Top oder Flop?
Was haben wir unterm Strich? Wir haben eine abstruse schwarz-weiß Karikatur der Ober- und Unterschicht, inklusive völlig sinnentleerter Weisheiten am Fließband. Wir haben mit dem Geist von DW Court den absurdesten Mentor seit Bruce Lees Erbe 1986 in „Karate Tiger" geschändet wurde. Wir haben mit Osman einen Antagonisten, dem ich sofort seine eigene Comedy Show geben würde. Und so weiter und so fort...
Genug der Aufzählungen. Homies baut problemlos eine aberwitzige, knallbunte und völlig realitätsferne Welt auf, die man einfach gesehen haben muss. Dieser Mikrokosmos saugt dich ein und lässt dich nie wieder gehen. Die Drehbuchautoren haben auf jeden Fall eine Menge Fantasie und einen bedenklichen Hang zum Absurden.
Wer Homies hatet hat einfach nichts verstanden. Ich habe mich großartig amüsiert und ihr werdet das auch. Vergesst „Daniel - Der Zauberer". Vergesst „Kopf oder Zahl". Homies besteigt mühelos den deutschen Trashtron. Unbedingt angucken, lachen, weinen und weiterempfehlen!