Nach Rache für Jesse James war Fritz Langs insgesamt sechster US-Film Überfall der Ogalalla schon sein zweiter Western. Das für 20th Century Fox in Technicolor produzierte Werk wird von Koch Media als No. 22 in der Edition Western Legenden auf DVD und Blu-ray endlich unter dem Originaltitel Western Union neu aufgelegt.
Erfreulich ist dies, weil der Titel Überfall der Ogalalla einen Film suggeriert, in dem ein paar ausgeflippte Indsmen wie so oft plump versuchen den weißen Mann abzuschlachten und zu skalpieren, wovon Western Union, in dem ähnlich wie bei Rache für Jesse James die Läuterung eines Kriminellen eine Rolle spielt, einfach zu weit entfernt ist und damit kaum ins Œuvre Fritz Langs passen würde.
Der Film-Dienst urteilt über Western Union, in dem sich die autorielle Handschrift Fritz Langs erkennen ließe wie folgt:
"Auf der Erzählebene ist es ein unlösbarer Loyalitätskonflikt, auf der optischen sind es die Korrespondenzen zwischen den Kreuzen von Telegrafenmasten und Gräbern sowie die eigentümliche Enge der Räume und Landschaften, die eigentlich das Genre konterkariert."
Damit faßt man im Grunde alle wesentlichen Charakteristika zusammen. Obwohl es oberflächlich um einen Trek der Western Union geht, in dessen Zuge die transkontinentale Verbindung des Telegraphienetzes geschlossen werden soll, bewegen sich teils eigentlich über Bundesstaaten erstreckende Handlungselemente in nahezu intimer Nähe.
So trifft man bei der Arbeit in den Great Plains auf Guerillas der Südstaatenarmee, die selbst nicht davor zurückschrecken, die Western Union Arbeiter als Indianer verkleidet zu sabotieren. Überhaupt zeichnet Fritz Lang nach Robert Carsons Drehbuchadaption des Romans von Zane Grey ein eher ambivalentes Bild des Indsman, der durch den weißen Mann auch durch einflößen von Alkohol in Verruf gebracht wird. Hingegen lassen sich – historisch nicht korrekt – gegen den Bau der singenden Drähte protestierende Ureinwohner durch eine charmant-gewitzte Vorführung bei an sich respektvollem Verhalten schnell zu einem Friedenspakt bewegen.
Eingefasst wird diese Erzählung in das Schicksal Vance Shaws (Randolph Scott). In der Eröffnung flieht der Westmann hektisch vor einer Bande. Als sein Pferd schlapp macht, will er zunächst das Reittier des am Boden liegenden Edward Creighton (Dean Jagger) entwenden. Shaw überrascht sich selbst, als er sich doch umentscheidet, dem Verletzten zu helfen. Ohne große Kommunikation legt er den Mann am nächsten Pony Express ab, feuert eine Salve in die Luft, um dann schnell zu entschwinden, als sei er auf die Einsamkeit erpicht.
In kleinen Details erzählt Fritz Lang von einem entscheidenden Wandel für das nicht nur in Nord und Süd, sondern auch in Ost und West getrennte Nordamerika – ähnlich wichtig wie die Verbindung der beiden Küsten durch die Eisenbahn.
Wie sich herausstellt, arbeitet Edward Creighton als Ingenieur für die Western Union. Als er genesen zurück nach Omaha, Nebraska reist, hinterläßt er einem seiner Pfleger zum Dank seine Taschenuhr. Wozu man so ein Zeiteisen bräuchte, wo man doch zu Bett gehe, wenn es dunkel wird und aufstehe, wenn die Sonne aufgeht, frotzelt sein Kamerad vor dem Pony Express, kaum erwägend, welche Bedeutung die Telegraphie für die Infrastruktur Nordamerikas haben wird. Der Fortschritt wird mit zusammenrückenden Bundesstaaten andere Bequemlichkeiten bieten, die Romantik eines unabhängigen Lebens in der amerikanischen Weite jedoch wird früher oder später einer strebsamen Rastlosigkeit weichen müssen.
Die Episode in Omaha bietet Gelegenheit für einige leichtherzige Einschübe von Komik. Die Morsetechnik des boomenden Geschäfts der Western Union ist genauso Grundlage für ein paar Späßchen, wie der gebildete Richard Blake (Robert Young), der in seinem kitschigen Prärieanzug, den er modebewußt in New York erworben hat, zwischen den praktisch gekleideten Westmännern hervorsticht. Um seine Reitkunst zu beweisen, setzt man ihn auf den wildesten Gaul, der mit seinem Reiter nach einem schmerzhaften Ausbruch aus dem Corral abbiegt und durch den nächsten Amüsierbetrieb galoppiert. Zur prominenten Stunt-Crew des Films gehörte übrigens unter anderem auch die Legende Yakima Canutt.
Wichtiger für den Verlauf von Western Union ist aber das erneute Auftauchen von Vance Shaw, dem Edward Creighton mit einem Job eine Chance gibt. Da Blake und Shaw sich beide in Creightons Schwester Sue (Virginia Gilmore) vergucken, nehmen sie eine Spannung auf Gentlemen-Basis mit auf die Reise, als sie abreisen, um an dem Bau des Telegraphienetzes nach Salt Lake City, Utah zu arbeiten.
Die Vergangenheit jedoch verfolgt Vance Shaw, der durch sein schweigsames Verhalten einen Verdacht um seine Person weckt. Diese unklare Linie zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch beschäftigt Fritz Lang relativ konsequent, spätestens nachdem er in M – Eine Stadt sucht einen Mörder die moralische Rechtfertigung einer Lynchjustiz in Frage stellte. So kollidierte Lang mit dem in einem abschließenden Gefecht gipfelnden Fatalismus des Films abermals mit den Vorstellungen des Hays-Codes.
Nach einem von 20th Century Fox in die Welt gesetzten Mediengerücht habe der dort unter Vertrag stehende Henry Fonda aufgrund beruflicher Erfahrung der Western Union Crew als technischer Berater zur Seite gestanden. Ohne in den Credits Erwähnung zu finden, hat sich diese Meldung nie konkret bestätigt.
Die Figur des Pioniers Edward Creighton basiert auf einer historischen Person, die gemeinsam mit Bruder John A. Creighton aus Omaha zahlreiche Geschäfte betrieb und so das Kerngeschäft der Telegraphie bald um Investitionen in Eisenbahnlinien erweiterte, die entlang der Telegraphenleitungen verliefen. Am 2. Juli 1861 setzte Creighton in Omaha den ersten Spatenstich für die durch Western Union finanzierte Verbindung nach Sacramento.
Witzigerweise ist Sacramento auch der deutsche Titel für Sam Peckinpahs Film Ride the High Country, in dem er mit Westernstar Randolph Scott und anderen Legenden wie Joel McCrea das Genre mit seinen Grundfesten schließlich zu Grabe trug.
Es ist jedoch nicht nur die Prominenz, wegen der man sich Western Unions erinnert, in dessen lebhafter Darstellung der Straßen von Omaha man in einem Fenster einen Preis für die Feinunze Gold erspähen kann, der an den Festkurs von Franklin D. Roosevelts Gold Reserve Act von 1934 erinnert, zu dem US-Bürger ihr Gold verkaufen mußten, bevor der Wert der eingeschmolzenen und eingelagerten Goldmassen schließlich deutlich nach Oben korrigiert wurde.
In Western Union verschmilzt amerikanische Geschichte mit den Themen und Geschicken der deutsch-österreichischen Lichtgestalt Fritz Lang zu einem unterhaltsamen Film, dessen Tiefgängigkeit zwar nicht belastet, aber das Werk doch deutlich vom Durchschnitt differenziert.
Es gleicht einer Tragödie, wie Lang die eigenwillige Hauptfigur inszeniert, die sich den Menschen, die auf gewisse Weise sein Herz berühren, kaum offenbaren möchte. Sein Ringen mit den Dämonen von Gestern wird beeinflußt durch seinen Fluchtversuch, als die ihn gefangenhaltende Bande loszieht um per Brandstiftung eine Feuersbrunst im Lager der Western Union zu entfachen. Als er sich schließlich seinen Erzfeinden stellt, behindern ihn Verletzungen an den Händen, ähnlich wie Sergio Corbucci später seinen Django durch eine zynische Auffassung von Gerechtigkeit leitet.
Fritz Lang konterkariert das Genre also auch im Bezug auf seine Helden- und Feindbilder, deren Fokus er auf der Suche nach der Realität zerstreut.