Handzahm oder auf eigenen Füßen?
Ein Outlaw mit einem Gewissen, ein Gebildeter aus dem Osten, ein Unternehmer mit einer Vision und dessen hübsche Schwester. Um diese vier Akteure dreht sich das Geschehen in Western Union. Ein Film, in dem Fritz Lang mit viel Geschick den einstmals Wilden Westen zähmen lässt und gleichzeitig auch zum Entstehungszeitpunkt aktuelle Themen mit einfließen lässt.
Mit dem nicht immer gesetzestreuen Vance Shaw beginnt die Geschichte. Eigentlich auf der Flucht, hilft er einem Schwerverletzten, dem visionären Unternehmer, rettet ihm durch sein Eingreifen wohl das Leben. Später wird sich herausstellen, dass diese scheinbar zufällige Begegnung für beide von großer Wichtigkeit war. Die Szene wird mit Blick auf das Ende des Films von großer Bedeutung. Beim Unternehmer wird klar, dass auch schwere Rückschläge passieren, aber trotzdem schließlich ein Erfolg erzielt werden kann. Der Outlaw, der im Laufe des Films am Aufbau der Telegrafenleitung, die das handlungstechnische Gerüst des Films bildet, mitwirkt, wird - aus diversen Gründen - daran zu Grunde gehen. Denn er wird aus seiner Welt, dem Wilden Westen, vertrieben. Ironischerweise trägt er durch die Beteiligung am technischen Fortschritt selbst dazu bei. Aber später mehr dazu.
Während der Unternehmer im konkreten wie übertragenen Sinne wieder auf die Beine kommt und seinen Plan von einer transkontinentalen Funkverbindung in die Tat umsetzen will, halten alle möglichen Menschen Einzug im Örtchen Omaha, direkt in "the Middle of Nowhere", um sich als Tagelöhner Geld zu verdienen. Dabei bekommen einige Mitstreiter sogar so etwas wie Charakter. So gibt es beispielsweise einen Koch, dem die Aussicht auf möglichen Kontakt mit Indianern gar nicht schmeckt. Während das Bild noch auf eher quadratisches Format setzt, versucht man auf personeller Ebene eher den Schritt Richtung Breite und präsentiert ein buntes Ensemble.
Zu diesem gehört auch der studierte Ingenieur Richard Blake (Robert Young), der in seiner Ausdrucksweise und seinem Äußeren zunächst nicht so recht zum Rest passen will. Und während sich die örtliche Bevölkerung noch fragt, was Telegrafen überhaupt seien und wozu man eine Uhr bräuchte, den technischen Fortschritt also noch gar nicht erfassen kann, ist Blake nicht so leicht klein zu kriegen. Ganz deutlich wird dies, wenn ihm in leicht spöttischer Absicht das wildeste aller Pferde gegeben wird und sich beinahe alle darauf freuen, ihn gleich durch die Luft wirbeln zu sehen. Doch Blake gelingt zum Erstaunen der Menge die Zähmung des schwarzen Rosses. Was oberflächlich für Schmunzler sorgt, lässt darunter noch viel stärker klar werden, dass der zivilisierte, hochgebildete Osten den Wilden Westen zähmen kann und wird. Hufe für Hufe.
Dass sich die Geschichte zuträgt, während in weiter Ferne im Osten Krieg herrscht, kann durchaus auch als direkter Bezug auf den Zweiten Weltkrieg gewertet werden. Diese eher leisen Untertöne klingen aber glücklicherweise nicht stärker als nötig an. Viel eher liegt der Fokus auf der inneren Zerrissenheit des Outlaws, der während der Bauarbeiten seine ehemalige Bande trifft, die ihre eigenen Pläne hat, um aus der Telegrafen-Geschichte ihren Vorteil zu ziehen. Dass sich der Gesetzlose hier nicht einfach nur zwischen seinem Arbeitgeber und irgendwelchen Kumpels entscheiden muss, wird erst im letzten Akt enthüllt und lässt die dramatische Fallhöhe des ambigen Antihelden umso stärker anwachsen. Erneut gekonnt doppelbödig ist dabei das Verbrennen der Hände zu sehen, die für Shaw die letzte Möglichkeit sind, um sich aus seinen Fesseln zu befreien. Im Showdown geschieht dann, was geschehen muss. Denn was ist ein Revolverheld, der seine Hände nicht mehr nutzen kann?
So wird auch der wie ein positives Ende wirkende Schluss mit kritischen Tönen unterlegt. Doch gerade die finale Szene offenbart erneut, dass es die Zivilsation ist, die voranschreitet und das Wilde immer weiter vor sich herschiebt oder es gleich ganz verschluckt.