Die Story von den drei Walen, die hoffnungslos unter einer Eisschicht im us-amerikanischen Alaska eingesperrt sind und nur noch so lange leben, bis die kleine Öffnung, in der sie noch Luft holen können, zugefroren ist, hat Völker verständigende Qualitäten. Das hat sich 1988 bewiesen, als ihr Schicksal nicht nur weltweite Aufmerksamkeit erfuhr, sondern zudem noch dazu führte, dass die Amerikaner und Russen gemeinsam zu ihrer Rettung beitrugen - noch vor dem Ende des kalten Krieges.
Fast ist man geneigt, sich zu fragen, warum ein solch kinoträchtiger Stoff erst nach mehr als 20 Jahren verfilmt wurde, da viele erfolgversprechende Inhalte schon mitgebracht wurden - Tiere und Umweltbewusstsein, eine lebensgefährliche Situation und technologischer Aufwand, ein ehemaliges Liebespaar, ein vorwitziger Junge, Ureinwohner, Militär und Vertreter des Großkapitals. Wer sollte sich da nicht angesprochen fühlen?
Dank heutiger Computertechnik ist es zudem kein Problem mehr, auch die Wale in Aktion zu zeigen, bei denen es sich zudem noch um eine Walfamilie handelt. Daraus ergeben sich eindrucksvolle Bilder von unten aus der Tiefe des Meeres. Der Journalist Adam (John Krasinski), der die Wale zufällig entdeckte, um daraus einen kleinen Film zu machen, erlebt einen unerwarteten Boom, der plötzlich eine große Zahl unterschiedlicher Zeitgenossen ins einsame und sehr kalte Alaska treibt, darunter auch zwei Frauen - die ehrgeizige Fernsehmoderatorin Jill Jerard (Kirsten Allen) und die Greenpeace-Aktivistin Rachel Kramer (Drew Barrymore), zufällig noch Adams Ex-Freundin.
Warum die Beiden sich getrennt haben, wird nie ganz deutlich, aber auch sonst vermeidet "Der Ruf der Wale" jede Art von Komplikation oder Mehrdeutigkeit, obwohl es dafür einige Anlässe gegeben hätte. Einzig die mächtige Ölfirma, die gerade die Konzession erhalten hat, in Alaska nach Öl zu bohren, wogegen Rachel Kramer zuvor vergebens gekämpft hatte, verfügt über das technische Gerät, die Wale zu retten. Zudem verstehen die Ureinwohner Alaskas das ganze Brimborium um die Wale nicht, sondern wollen diese lieber gleich erlegen, so wie sie es traditionell gewohnt sind. Und dass die Amerikaner ausgerechnet die Russen bitten müssen, ihnen zu helfen, weil ihr Eisbrecher der einzige ist, der noch rechtzeitig da sein kann, dürfte ihnen auch nicht ganz leicht gefallen sein.
„Der Ruf der Wale“ deutet diese Konflikte durchaus an, nutzt sie aber nur für die regelmäßigen Spannungsmomente, die wie Wellenbewegungen die lineare Erzählweise begleiten. So hangelt sich der Film von einer Schwierigkeit zur nächsten, nur um sie kurz danach wieder zu überwinden. Selbst der mediale Hype, der plötzlich über den kleinen Ort kommt, verpufft schnell wieder, sobald alle Beteiligten an einem Strang ziehen, um die Wale zu retten. Der Film hat kein Interesse daran, die Ereignisse von 1988 real wieder zu geben und die mit Sicherheit erheblichen Schwierigkeiten und die auch später noch vorhandenen Konflikte darzustellen, sondern nutzt die Wale einfach als Harmoniedeckel, unter den alle Beteiligten kriechen können.
Diese harmlose Betrachtungsweise, genauso wie die schnelle Konfliktbewältigung, hat auch ihre Vorteile – „Der Ruf der Wale“ eignet sich sehr gut als Familienfilm, auch für jüngere Kinder. (4/10)