Schauspieler zu sein und damit die Aufmerksamkeit und den Applaus des Publikums herauszufordern, hat etwas verführerisches an sich - wem ist der Gedanke noch nicht gekommen, einmal ein großer Star sein zu wollen?
Doch Jedem, der ein wenig über diesen Wunsch hinaus denkt, wird die Kehrseite bewusst sein - die langwierige Arbeit, der harte Konkurrenzkampf und besonders die Beurteilung, der sich ein Schauspieler zu jedem Zeitpunkt unterwirft. Während auf der Bühne das sensible Hineinfühlen in eine Rolle gefragt ist, um glaubwürdig und unverkrampft wirken zu können, bedarf es gleichzeitig eines starken Selbstbewusstseins und einer harten Schale, um sich vor den unterschiedlichsten Meinungen schützen zu können. Wenn der Regisseur Christian Schwochow, gemeinsam mit seiner Mutter Heide, ein Drehbuch zu dieser Thematik entwirft, dann kann man von ihm authentische Einblicke erwarten, aber gleichzeitig befindet er sich damit in einem klassischen Dilemma.
Sein Film "Die Unsichtbare" widmet sich den Berufsanfängern, die noch zur Schauspielschule gehen - ein auch in Hollywood beliebtes Thema, das einen kommenden Star zwar mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert, aber keinen Zweifel daran lässt, das dieser sich am Ende durchsetzt. Es gibt auch genügend Filme, die die das Scheitern zeigen, bis zum Abdriften in den Alkoholismus oder die Drogensucht, aber selbst solche kritischen Werke stärken gleichzeitig die Faszination dieses Berufes, dessen begehrenswerte Seiten immer mit anklingen - wer kann es den Machern auch verdenken, dass sie ihren eigenen Berufsstand nicht mit der gleichen rigorosen Härte betrachten, wie sie es gegenüber anderen Berufsgruppen vermögen? - Auch Christian Schwochow gelingt diese Quadratur des Kreises nicht.
Wahrscheinlich war ihm das auch bewusst, denn mit den typischen Mechanismen des Theaterbetriebs befasst er sich nur am Anfang seines Films. Die Schauspiellehrer, die knallhart Josephine (Stine Fischer Christensen) aburteilen, um sofort umzuschwenken, wenn ein Meinungsführer - wie in diesem Fall der Theaterregisseur Kaspar Friedmann (Ulrich Noethen) - eine andere Haltung vertritt, verschwinden ebenso schnell aus dem Geschehen, wie die Konkurrentin um die Hauptrolle, Irina (Anna Maria Mühe), die sich nach kurzer Enttäuschung mit ihrer Nebenrolle abfindet. Schwochow vermeidet erfreulicherweise übertriebene Konflikte, sondern konzentriert sich in der Theaterarbeit hauptsächlich auf die Konfrontation des Regisseurs Friedmann mit seiner Hauptdarstellerin. "Die Unsichtbare" wird zunehmend zur One-Woman-Show, in der sich Josephines Privatleben und ihre Theaterrolle zu einem unheilvollen Konglomerat verbinden.
Viel prägnanter als die Figuren des Theaterbetriebs - von Regisseur Friedmann einmal abgesehen - bleiben die Menschen in Josephines unmittelbarer Umgebung in Erinnerung - ihre Mutter (Dagmar Manzel), ihre stark behinderte Schwester Jule (Christina Drechsel) und der Tunnelbauer Joachim (Ronald Zehrfeld), der im Nachbarhaus wohnt. Es wird deutlich, dass die Bezeichnung "Die Unsichtbare" keineswegs nur Josephines anfänglichen unscheinbaren Status in der Theaterschule bezeichnet, sondern auf ihr gesamtes Leben zutrifft, von Stine Fischer Christensen in jedem Moment des Film überzeugend verkörpert.
Zwar entsteht der Strudel, in den sie gerät, aus der intensiven Auseinandersetzung mit der von ihr zu verkörpernden Hauptrolle - zudem stark von ihrem Regisseur forciert - aber als Kritik am Berufsstand ist das nicht zu verstehen, auch wenn die Figur des Regisseurs das Klischee vom kompromisslosen Künstler, der seine Schauspieler wie ein Süchtiger aussaugt, ohne jemals wahre Befriedigung finden zu können, hier bedient. Trotz der damit verbundenen Frage, wie sehr sich ein Schauspieler in seine Rolle hinein versetzen sollte, bleibt die Form der Abgrenzung immer subjektiv und ist letztlich ein Ausdruck der jeweiligen Persönlichkeit. Genau um diese geht es in "Die Unsichtbare", so dass es schade ist, das Schwochow nicht auf ein paar klischeehafte dramatische Momente verzichtet, sondern sich ganz auf seine Hauptdarstellerin verlässt.
Allein der Blick in Josephines Gesicht hätte genügt, um ihre innere Zerrissenheit zu verdeutlichen, die aber an einer Tatsache keinen Zweifel lässt - das Theater hat gesiegt! (7/10).