Review

Mit "Evidence" kommt der nächste "Found Footage"-Film (selbstgedrehtes bzw. eigentlich gefundenes Material) um die Ecke gekrochen und schon die Inhaltsangabe hört sich nicht so prall an:


Vier Freunde gehen in den Wald campen und einer von ihnen will eine Dokumentation übers Zelten (!) drehen. Ich frag mich schon da, für wen man eine Doku übers Zelten drehen will. Für den Neffen? Für Oma, damit die  mal sieht, wie man einen Joint richtig wickelt? Oder für die eigenen Kinder, damit die in zwanzig Jahren erfahren, wie derb krass Daddy in seinen rebellischen Teenager-Zeiten drauf war? Wie auch immer - ich nehme die Ausgangslage der Geschichte hin und verfolge das Geschehen mit der Handkamera.
Wie wir es von anderen Werken gewohnt sind, ist erstmal tote Hose angesagt, bis es ab der Filmmitte im Busch brennt und die Monster/Serienkiller/Dämonen dem  Film Dynamik, Spannung und Mitfiebern mit auf den Weg geben sollen. Wenn der Film dann noch zusätzlich punkten will, sollte er einen außergewöhnlichen Schlusstwist vorweisen.

Bei "Evidence" ist davon wenig zu sehen. Zuerst lernen wir unsere Glorious Four kennen, die rumblödeln und sich am Lagerfeuer mit Schnaps wegbeamen, wie jeder andere Jugendliche auch. Schon in der ersten halben Stunde kommt Regisseur Howie Askins  mit seiner dämlichen "Ich drehe eine Doku übers Campen"-Story in Erklärungsnot. Denn das fragen sich die drei anderen Freunde auch, warum Buddy Brett (Brett Rosenberg) die Kamera bei jedem dämlichen Dialog an hat und mitfilmt. Wenn ich ganz penibel bin, sollte sich selbst Brett fragen, was das Aufnehmen von Hirnlos-Kommentaren oder sinnlosen Situationen mit einer Doku zu tun hat. Aber lassen wir das.

Natürlich bleibt es nicht beim Feiern zwischen Bäumen und Sträuchern und das Böse (ich will natürlich nicht verraten, was es ist, vielleicht kommt von euch auch noch einer auf die Idee, sich diesen Film anzusehen) macht sich erst durch Furzgeräusche und Büschelwackeln bemerkbar, bevor es richtig tätig wird und Jagd auf das Quartett macht. Mit dabei immer die Kamera, wobei man es durchaus verstehen kann, dass das Licht der Kamera im dunklen Wald hilfreich ist - andernseits ist es aber auch logisch, dass der Typ mit der einzigen Lichtquelle (die vier haben keine Taschenlampen dabei) vorneweg läuft. Nicht so bei diesem Film, da hat man gefühlte dreißig Minuten den Arsch der Brünetten im Bild. Ein Wunder, dass die sich nicht den Kopf an einem Baum stoßt oder über Wurzeln fällt.

Das Wort "Wackelkamera" wird in "Evidence" neu definiert: Noch nie hab ich ein solches Ausmaß an Gewackele gesehen - da wurde das Ansehen zur reinen Tortur. Natürlich gehört zu diesem Genre dieses Stilmittel dazu, doch im Hinterkopf hab ich immer dieses "Brett will eine Doku" drehen und somit ergeben viele Situationen überhaupt keinen Sinn, dass die Kamera das Geschehen aufnimmt.

So, gott sei dank bleiben wir nicht nur im Wald, aber auch der Twist im Schlussdrittel (von 70 Minuten Laufzeit + Abspann) wirkt auch an den Haaren herbeigezogen. Auch wenn hier zumindest etwas Atmosphäre und Spannung entsteht, stehen diesen zwei Sachen die immer wilder werdende Wackelei der Kamera entgegen (somit geht sämtliche Übersicht flöten) und - das eigentlich Aus für den Film - dass man mit den vier Charakteren nicht mitfiebert.




Alles zusammengerechnet ergibt "Evidence" bis jetzt für mich die persönliche Krönung an Handmade-Filmen ( "I saw the Devil" habe ich noch nicht gesehen, der soll ja auch der reinste Abfall sein).  Die Geschichte ist für die Tonne, die Charaktere sind unsympathisch und die unter Tollwut stehende Wackelkamera beamt den Zuschauer in eine neue Bewusstseinsebene. Der Twist ist nicht wirklich schlecht, jedoch wirkt er an den Haaren herbeigezogen, so dass ich wirklich gar nichts positives an "Evidence" ausmachen kann.
 Ganz schlecht.

1/10

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