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Marvel bastelte weiter an seinem Filmportfolio und schickte den nächsten Superhelden auf die Leinwand. Mit Captain America entschied man sich für eine altgediente Figur, die in Papierform seit 1941 erscheint. In seinen Anfängen eingesetzt zu Propagandazwecken, entwickelte er sich, wie viele seiner Kollegen, in stetem Auf und Ab weiter, wobei die Figur immer mal wieder mit einer politischen Komponente bedacht wurde.

Eine gewisse Dosis Patriotismus ließ sich in Anbetracht der geschichtlichen Umstände auch bei der Inszenierung des ersten Auftritts im MCU wohl nicht vermeiden. Übertrieben hat man es hier nicht, es wird eher damit gespielt.
Nachdem der schwächliche Steve Rogers sich zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs mehrmals erfolglos darum bemüht hat, in die Armee zu kommen, um in Europa den Nazis entgegenzutreten, erhält er die Chance auf Mitwirkung bei einem geheimen wissenschaftlichen Experiment. Dieses vervielfacht seine Körperkräfte und macht ihn zum ersten einer geplanten Reihe von Supersoldaten. Der Anschlag eines deutschen Spions macht das Programm jedoch zunichte.

Nach der Erschaffung der Figur weiß die Obrigkeit also erst mal nicht viel mit Rogers anzufangen. Und so schickt man ihn auf Werbetour, um für den Kauf von Kriegsanleihen zu posieren. Die Lösung heißt also erst mal Kommerz, Amerika. Wird Rogers dabei auf der Bühne gefeiert, so sieht es beim Auftritt vor echten Soldaten anders aus. Hier prallen Show und Realität aufeinander.

Der Rest ist dann die Weiterführung der hauseigenen Superheldenformel, die Hauptfigur wächst weiter und trifft auf den hiesigen Schurken. Red Skull ist dabei ein typischer zeitgenössischer deutscher Bösewicht, mag Ledermäntel, hört Wagner und gibt pathetische Sätze von sich. Hugo Weaving vermag immerhin, der Figur noch etwas Charisma einzuhauchen. Und Nazis suchen nach Artefakten, da kommen doch leichte Indy-Vibes auf.
Chris Evans ist in der Titelrolle zu sehen. Anfangs mit Bodydouble und mal mehr, mal weniger geglücktem CGI-Einsatz zum Hänfling gemacht, zeigt er später, wofür er mit Hanteln gespielt hat. Seine Darstellung wirkt aber auch abseits der Physis sympathisch und er transportiert die für diese Figur notwendige Naivität. Stan Lee war übrigens mal ein dekorierter General, wie es scheint.
In weiteren gelungenen Rollen bekommt man noch Tommy Lee Jones und Hayley Atwell zu sehen. Ein bisschen harter Hund, ein bisschen Sexismus, kann man alles unterbringen. Ebenso die Freundschaft zu dem von Sebastian Stan gespielten James Barnes, einem Kumpel von Rogers. Was in besseren Zeiten noch eine Rolle spielen wird.

Diese Mischung aus Retrodesign, SciFi- und Fantasy-Setting schafft eine eigene, entkoppelte Welt und sieht überwiegend ziemlich gut aus. Die Mischung macht's, wenn auch der massive Einsatz von CGI mit der Zeit ermüdet und sich gerade in der letzten halben Stunde eine gewisse Videospieloptik einstellt.
Darüber hinaus ist „Cap“ einfach eine Ecke zu lang geraten, eine straffere Inszenierung hätte ihm gut getan. Die Ansammlung an Mitkämpfern, deren Charakterisierung sich auf Aussehen oder Herkunft beschränkt, bringt den Film kein Stück weiter. Der übermäßige Einsatz von Lens Flare auch nicht, aber das ist letztlich Geschmackssache. Andererseits finden sich hier schon Dinge, die im späteren Verlauf der Saga noch eine Rolle spielen. Diese Verknüpfungen sind ja ein bisschen das Salz in der Suppe des MCU.

Des Captains erster Auftritt ist sicherlich nicht sein bester. Trotzdem bekommt man einen über weite Strecken unterhaltsamen, wenn auch zu lang geratenen, Retro-Fantasy-SciFi-Cocktail mit gut aufspielendem Personal und einigem Krachbumm. Moral- und Rachemotive, versetzt mit etwas geschichtserzwungenem Patriotismus, verkörpert durch eine Figur, die (noch) keine Ecken und Kanten hat. Wird noch besser, aber als Auftakt im Gewand eines hochbudgetierten B-Movies in Ordnung.

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