Drei Frauen. Drei starke Frauen. Die erste in einer lasziven Duschszene. Ihr Handy klingelt. Sie unterbricht das heftige Liebesspiel abrupt. Wenig später erfahren wir: Kazuko ist Polizistin und sie war mit einem Mann in einem Love-Hotel. Von Kollegen wurde sie zu einem Tatort in einem herunter gekommenen Wohnhaus gerufen. Dort fand man eine halb verweste, zerstückelte Frauenleiche, deren fehlende Teile durch Gliedmaßen einer Puppe ersetzt wurden. Wenig später ein zweiter Torso. Es zeigt sich, dass es sich wohl um ein einziges Opfer handelt. Überraschungen zuhauf. Gibt es hier gleich in den ersten Minuten. Mehr als in jedem kompletten Hollywood-Film.
Und es regnet, immer wieder in diesem Film. Da kommen Vergleiche zu Takashi Ishiis grandiosen BLACK ANGEL-Filmen auf. Dann Szenenwechsel: Die zweite Frau, in einer hellen, luxuriösen, klinisch reinen Wohnung. Sie macht den Eindruck eines verschüchterten Hausmädchens, z.B., als sie einem eintreffenden Mann die Hausschuhe penibel innen vor der Tür platziert. Lob erntet. Tee serviert. Lob erntet. Doch die Kommunikation ist nichtssagend, ritualisiert. Dann die Information: Izumi ist die Ehefrau des Ankömmlings, eines erfolgreichen Schriftstellers schwülstiger Erotikromane. Sie sitzt in einem goldenen Käfig. Noch etwas, irgendetwas möchte sie vor ihrem kurz bevorstehenden 30. Geburtstag tun.
Sie erhält von ihrem Mann die Erlaubnis, in einem Einkaufsmarkt als Verkäuferin zu arbeiten. Dort wird sie dann von einer Kundin zu Modefotografien überredet, die sich immer mehr in Richtung Softporno entwickeln. Allmählich gleitet Izumi in eine andere Welt hinein.
Dabei trifft sie auf die dritte Frau, die deutlich ältere Mitsuko, eine Literaturprofessorin einer Elite-Universität, die in ihrer Freizeit ihren Körper für schlichte 5.000 Yen zur Liebe anbietet. "Verlang Geld für Sex von jedem, den du nicht liebst" rät sie Izumi.
Wie Sion Sono diese drei scheinbar unabhängig voneinander sich entwickelnden Handlungsstränge schließlich zu einem komplexen Ganzen zusammen führt, ist umwerfend. Gerade die Montage ist exzellent, auch wenn sie bei oberflächlicher Betrachtung zuerst einmal fast schludrig erscheinen mag. Trotz der langen Laufzeit von fast 2,5 Stunden kommt hier nie Langeweile auf. Der Film ist ästhetisch brillant, in seinem fast bavaesken Spiel mit Farben, grandios gespielt und jederzeit packend. Wenn man als Erkenntnis aus diesem Streifen, der zu vielerlei Interpretationen Anlass gibt, eines mitnehmen kann, dann, dass man aus gesellschaftlichen Konventionen ausbrechen sollte, sofern man in ihnen leidet, selbst wenn man dabei in Abgründe gerät, die von der gesichtslosen Masse rundweg tabuisiert sind.
Sion Sono ist seit langem einer der aufregendsten Regisseure unserer Zeit, nicht nur in Japan. Manche Kritiker schreiben seinen Bekanntheitsgrad im Westen ja dem Provokationspotential seiner Filme zu. Nichts könnte falscher sein, seine Filme sind stattdessen höchst packende Expeditionen in unerforschte oder gemiedene Regionen gesellschaftlichen Wirkens. Provoziert bin ich eher von Myriaden nichtssagender, mit Effekten überladener Hollywoodproduktionen und der Banalität und political correctness bildungsbürgerlich verquaster europäischer Erzeugnisse.
Weil GUILTY OF ROMANCE einen Tick schlechter ist als STRANGE CIRCUS und LOVE EXPOSURE erhält er "nur" 9, allerdings starke - Punkte.