Ausschweifendes, außerordentliches, mit Absicht tüchtiges Thrillerstück um einen Kampf nicht mehr um das Leben, sondern nur noch das Überleben an sich, wobei der Untergang der Zivilisation bereits von Beginn an weg fortgeschritten ist, und sich der gesamte Rest eigentlich schon in freier Wildbahn und den Regeln vom Recht des Stärkeren befindet. Zweiter Film des mit dem allseitig als herausragend entgegen genommenen The Chaser debütierenden Na Hong-jin, der hier einige Ebenen größer und mit ganzen Bestimmungen und trotzdem weiterhin durchdachter Dramaturgie, vielleicht etwas zu forcierter und parallel unfokussierter Analogie angesetzt ist. Spielend in zwei unterschiedlichen und durch starre Grenzen getrennten Ländern, aber in einem gleich trüben und nicht nur optisch verkommenen und zunehmend blutverschmierten Dasein, in dem die Entwicklung vom Niederschlag weg nur noch weiter in den Abgrund aus Liebe und Hass, Sehnsucht und Einsamkeit taumeln kann:
Der in Yanji, einer kreisfreien Stadt des Autonomen Bezirks Yanbian der Koreaner in der Provinz Jilin der Volksrepublik China lebende Kim Goo-nam [ Ha Jeong-woo ] ist mit RMB 60,000 hoch verschuldet. Sein Job als Taxifahrer bringt nichts ein, anschliessende Besuche im lokalen Mahjongclub fördern die Krise nur noch, und dass sich seine Ehefrau Lee Hwa-ja [ Tak Seong-eun ], für die er vor einem halben Jahr das Visum nach Korea bezahlt hat, nun nicht mehr meldet, macht ihn von Tag zu Tag wütender. Dass ihm der örtliche Gauner Myeon Jeong-hak [ Kim Yoon-seok ] für den Mord an den einstigen Judo - Champion Professor Kim Seung-hyeon [ Kwak Byeong-gyoo ] in Seoul viel geld anbietet, scheint die einzige Möglichkeit aus dieser Misere zu sein, für Kim selber, seine kleine zurückgebliebene Tochter und die um sie kümmernde Mutter [ Seong Byeong-sook ] zu sein. Kim nimmt die Offerte an, sieht sich aber bald mit weiteren Schwierigkeiten gegenüber, und das nicht nur in Form der ihn in Kürze unerbittlich jagenden Gangster Kim Tae-won [ Jo Seong-ha ] und dessen rechter Hand Choi Seong-nam [ Lee Cheol-min ].
Geteilt ist das The Murderer Skript in vier Kapitel mit sich nur langsam ausbreitenden Ausmaßen, zu je zwei Hälften, in denen in "Taxi Driver" und "Killer" erst nur die Geschichte von Kim Goo-nam erzählt und dann in "Joseon Clan" und dem finalen "Yellow Sea" die weiteren Bezüge und Einflüsse hinzugezogen, Hauptfigur Kim selber aber niemals aus den Augen gelassen wird. Der vergleichsweise ruhige, schon mit Regression und Depression startende Beginn mit begründet eingemischten Wesen und Vorfällen erweist sich dabei als überaus festes Fundament für den späteren Hetz- und Gewaltexzess, ist sich die Handlung alles andere als nur der gesteigerten Brutalität, sondern den sie ausführenden und einsteckenden Teilnehmern und auch ihrer Herkunft selber interessiert. Ohne sich um Sympathien, einem schnellen Fortgang und der reinen Mainstreambegegnung zu scheren, wird auch der Antiheld mit grundsätzlich niederen Motiven, wenn auch sicherlich einigen positiven Nebenzusätzen und seine Umgebung dann gleich als ein abstossendes Abbild gefüllt mit Urinstinkten gezeichnet. Das primäre Motiv der Zeichnung der gleichermaßen abgeschnittenen und diskriminierten Joseonjok, der in China lebenden ethnischen Koreaner, stellt dabei nur den pointierten Zusatz, die attraktive Umkleidung, nicht den Schwerpunkt in der Dramatisierung bei; [ ist Regisseur Na zwar selber auf eigenem Fuß für zwei Monate nach Yanbian gereist, fanden aber die Dreharbeiten der Einleitungsszenen im zwei Stunden entfernten Qiqihar, mit nach eigenen Aussagen "more cinematic feeling like noir" statt.]
Mag beim Übertritt nach Korea zwar die nunmehrige Metropole Seoul anfangs glänzender und mit seinen breiten Verkehrsstrassen und technisierten Hochhausfassade vielversprechender erscheinen, so gibt das zumeist im nächtlichen Dunkel spielende Geschehen sich keinerlei Illusionen einer nun vielleicht vielversprechenden Zukunft hin. Die Vergangenheit, nunmehr bloß noch blass werdende Erinnerungen des einstigen Glücks nach sich ziehend, ist in der Gegenwart zu einem Fetzen aus erotischen Träumen von Kim an seine verlassende Frau und dem zersplitterten Hochzeitsfoto verkommen; sowieso besteht das Areal aus ständig versifften, vor Schmutz und Alltagsresten verstopften und mit Schimmel und klebenden Dreck- und Essensresten - und bald nur noch mit dem Blut der Menschen gewaschenen - Behausungen. Absteigen, in die Hunde nicht hineinkriechen würden, sich die Personen aber aus Flucht vor der Polizei, den Gangstern, sich selber, oder ebenfalls notgedrungen aus Mangel an Geld und anderen Möglichkeiten verkriechen. Wo sie hausen, Kim allein, Myeon mit seinen namenlosen Spießgesellen.
Mag sich die Gegend auf der Landkarte auch ändern, von Yanji zu den Provinzen Gyeonggi-do, Gyeongsangnam-do, Jeollanam-do, Gyeongsangbuk-do, der unabhängigen Stadt Ulsan und wieder zurück, so bleibt der Schmutz und Unrat, die Rast- und Ruhelosigkeit und die ständige Überstürzung und Treiberei doch die gleichen; eine klamme, grau-diesige Aura voll Isolation und Desolation. Erst spielen die ablaufenden Tage des geplanten Aufenthaltes die große Rolle, die Uhrzeit der Ankunft des auserwählten Opfers, die verglichen werden muss, dann löst sich diese letzte Ordnung in ein verwirrendes Chaos auf, in dem auch und gerade das Gesetz von Recht und Ordnung keine Rolle und schon gar keine übersichtliche Führung hat. Die Ankunft und Fahndung der Polizei vergrößert die Disziplin- und Lustlosigkeit nur noch, wird sich aus blinden Übereifer und einem Sammelsurium aus Anarchie und Verwüstung nur noch mehr in die alles auflösende Katastrophe hineinsgestürzt. Zwei grössere Actionszenen befassen sich allein mit dieser Hysterie aus heulenden Sirenen, schreienden Gesetzeshütern, die sich gegenseitig über den Haufen rennen, mit dem Polizeiwagen überfahren, eine hard-hitting, full distance Massenverwüstung aus Blech, Lärm und Leibern auf Verkehrsknotenpunkten auslösen.
Regisseur Na beweist dabei und auch sonstig sein handwerkliches Talent bzw. die Wahl und Führung geeigneter Mitglieder [ die teuren crash - Spektakel sind ebenso wie das Blutvergießen im Zwei- und Massenkampf von Yoo Sang-seob, einem Martial Art Director der Seoul Action School choreographiert ]; abgesehen von einer zittrigen Autoverfolgung per Hand-held camera wird besonders die Konzentration auf die wie willkürlich wirkenden und trotzdem kontrolliert scheinenden Ursachen und die Bewirkung des Ausganges, auch abgesehen von den stoischen Gemetzeln mit Messer, Axt und Knochen als Waffen gelegt. Eine selbständige, stichhaltige, teils minuziös transparente, teils monströs bis zur Übertreibung, in das spätere ad absurdum von I Saw the Devil ersinnende, da ebenso ausufernde Dramaturgie und Inszenierung, die die Grundzüge und Reminizensen des gerade in Korea zu einer eigener Kunst heran gezüchteten Genres überhaupt nicht scheut, und gleichzeitig neue Wege und Herangehensweisen eröffnet.