Der Film MICHAEL zeigt in ungeahnt realistischer und psychologisch eindringlicher Weise eins der schlimmsten Verbrechen das es gibt: Kindesmissbrauch ! In verstörenden, teils dokumentarisch wirkenden Bildern wird der "ganz normale Alltag eines Pädophilen" namens Michael gezeigt der den zehnjährigen Wolfgang mißbraucht. Wer Skandale oder explizite Aufnahmen der Taten im Film sucht sollte wie potentielle Täter schnell das Weite suchen. Der Film versteht es mit hohem Einfühlungsvermögen die für das Kind so nachhaltig traumatischen Handlungen nur anzudeuten. Im Kopf des Zuschauers fügen sich diese dann zu viel schockierenden Bildern zusammen. Dies gelingt dem Regisseur trotz dieses schwierigen Themas sehr einfühlsam und somit ist MICHAEL ein leises, aber von der Wirkung her potentiell wuchtiges Plädoyer gegen Verbrechen dieser Art.
Ganz kurz nur zur Story (OHNE SPOILER!) ohne etwas vorwegzunehmen: Der Angestellte Michael führt ein absolut durchschnittliches Leben bis auf die Tatsache, daß er im Keller seines Hauses einen Jungen einsperrt und sexuell mißbraucht. Die Kollegen und Michaels Familie ahnen nichts davon was in dem Haus passiert. Er versucht sogar Vatergefühle vorzuspielen und es wird auch Weihnachten gefeiert.........Dem Zuschauer bleibt allerdings eine Szene nach der anderen im Halse stecken. Regisseur Markus Schleinzer inszeniert MICHAEL in sehr ruhigen, passiv gefilmten langen Einstellungen völlig alltäglicher Handlungen die das Ganze nur noch realistischer und gespenstischer machen. Es erinnert vielleicht nicht umsonst stark an die Bildsprache von Michael Haneke denn Schleinzer hat für Michael Haneke in einigen Filmen das Kindercasting gemacht.
Die größte Stärke des Films ist, daß er die Taten beschreibt aber nicht gleich im selben Atemzug (be-)wertet. Michael ist im Film vordergründig kein Monster, kein testosteronstrotzendes Biest, sondern ein unglaublich unauffälliger Angestellter der wie die meisten Täter dieser Art seine eigenen Bedürfnisse nach Intimität, Nähe und Macht AUF KOSTEN des Kindes auszuleben versucht. Schockierend sind die Szenen in denen man dem Jungen ansieht wie er sich an die die Übergriffe gewöhnt hat und sich mit seinem Zimmer im Keller und seinen beschränkten Möglichkeiten und der Dauernahrung Tütensuppen arrangiert hat. Innerlich durchlebt er natürlich die Hölle.
Es gibt auch wenige, aber nachhaltige Schockmomente im Film wenn doch mal die Ruhe durch einen eruptiven Gefühlsausbruch der Protagonisten unterbrochen wird und das Filmende gehört mit den dramaturgisch besten die ich je gesehenen habe. MICHAEL überzeugt auf ganzer Linie durch den Nichtgebrauch gängiger Klischees in bezug auf pädophile Täter trotz des Medienhypes um die Fälle Natascha Kampusch und Josef Fritzl in den letzten Jahren. Er widmet sich neben dem Täter auch der so schwerwiegenden Traumatisierung des Opfers und seiner Leidenswelt. Ich kann den Film aufgrund aller Faktoren vorbehaltlos empfehlen, aber vielen wird er aufgrund seiner umbequemen Sperrigkeit und kühlen Dramatisierung des vermeintlich Banalen nicht gefallen.
8/10 Punkten