Review

HELL - Tim Fehlbaum (2011)

It’s gettin‘ hot in here – so take off all your clothes!

Gleich zu Beginn: trotz mäßiger Erwartung an den Film wurde ich in einigen Belangen positiv überrascht! Die Optik und die Inszenierung sind definitiv überzeugend und auf internationalem Niveau – wobei letzter Punkt nicht immer unbedingt etwas Gutes sein muss. In den wenigen Actionsequenzen zum Beispiel bekommt man das übliche (derzeit offenbar moderne) Schnitt-Staccato serviert. Furchtbar schnell und unüberschaubar das alles – man bekommt kaum noch etwas mit. Und bei dieser Orientierung an den modernen Sehgewohnheiten bleibt es dann auch. Der Film folgt brav den Genrekonventionen und ist daher en detail vorhersehbar. Das übliche Intro, irgendwelchen Leuten passiert irgendetwas furchtbares, gibt sogleich den Fingerzeig in die Richtung, die auch den Helden des Films bevorsteht.
Zuerst einmal bekommt man aber in beeindruckenden Bildern eine Katastrophe serviert, die man dank Klimawandel-Berichterstattung im TV so als durchaus glaubhaft und potenziell möglich hinnimmt. Das Setting ist fantastisch und hat enorm viel Potenzial. Recht schnell gelangt die Gruppe aber in die Berge und schon erinnert alles stark an „The Road“. Zu stark! Als bloße Referenz geht das bei mir nicht mehr durch, viel eher ist es als Beleg dafür zu werten, wie stark „The Road“ den Look des modernen Endzeitfilms prägen wird. Fehlbaums apokalyptische Landschaften – wohlgemerkt erst in den Bergen – sind nahezu identisch (obwohl man ab und zu einige grüne Baumwipfel im Hintergrund sehen kann). Damit aber nicht genug. Teilweise werden 1:1 identische Sequenzen serviert, die lediglich in den deutschen Raum übertragen, doch aber problemlos als inhaltsgleiche Parts der großen Vorlage identifizierbar sind.
Im Vergleich zu "The Road" jedoch versteift sich HELLauf ein einziges Segment der postapokalyptischen Einöde und Gesellschaft: den Hang zum Kannibalismus innerhalb der letzten denkbaren und möglichen Gesellschaftsstruktur - der Familie. So verlässt der Film überraschend schnell das Endzeitszenario (dieses liefert jetzt nur noch bloße Kulisse und Optik, was ich persönlich sehr bedauere, sond doch die Sonnenszenen durchweg beeindruckend!) und mutiert zum Backwood-Slasher mit einem kannibalischen Clan, der Männer als Zuchtvieh hält und Frauen für die Fortpflanzung bewahrt. Nichts Neues also. Fehlbaum selbst sagte, dass er weniger die Katastrophe als das potenzielle Verhalten des Nachbarn in den Mittelpunkt stellen wollte (Vgl.: http://www.hell-derfilm.de/ - Produktionsnotizen) und wird diesem Anliegen darum durchaus gerecht. Das fantastische Katastrophenszenario wurde somit aber völlig verbraten und das Potenzial nicht ausgeschöpft. Die Geschichte per se hätte dieses pompöse Weltenunglück nicht wirklich nötig gehabt, wäre dann aber auch nur unteres Mittelmaß bis Mumpitz gewesen. Durch das Katastrophensetting bekam der Film aber entsprechende Aufmerksamkeit, da er – wie schon erwähnt – in diesen Bereichen hervorragend inszeniert und ausgestattet ist. Nun ist es aber so, dass sich normale Kinogänger ob des Wechsels zum Horrorgenre verdutzt die Augen reiben werden, da sie einen Katastrophenfilm erwarteten und dass Horrorfans ob der braven, unblutigen, konventionellen und typischen Inszenierung des Horrorparts ebenfalls eher enttäuscht sein dürften. Der Film sieht fantastisch aus, wird überwall beworben, bekommt Publicity en masse, ist aber am Ende nichts Halbes und nichts Ganzes, weder Fisch noch Fleisch (und viel zu sehr „The Road“!).
Hinzu kommen die typischen – und immer wieder ärgerlichen – Logiklöcher. Beispiel gefällig? Während die Herren der Schöpfung verwildern, bärtig und langhaarig wie Alt-68er daherkommen, hat die (sehr hübsch in Szene gesetzte) Hannah Herzsprung immer perfekt rasierte Beine. Dann das übliche warum das Böse nicht richtig abstechen und zur Strecke bringen etc. – eben viele kleine Ärgernisse am Rande.

Dennoch lässt dieser Film auch Hoffnung auf etwas mehr Vielfalt in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft aufkeimen. Mut hat Herr Fehlbaum bewiesen, wenn er auch im Detail nicht überzeugen konnte. An dieser Stelle zücke ich ja üblicherweise noch den anerkennenden Debüttanten-Bonus, der HELL ins brauchbare Mittelmaß mit 5-6/10 Punkten hievt. Für eine deutsche Produktion ist der Film allemal einen Blick wert, toll aussehen tut er ja und mir fallen auf Anhieb drei, vier sehr beeindruckende Szenen ein, die ob ihrer Aufmachung auch nachhaltig im Gedächtnis bleiben könnten.





Abschließend/ zusätzlich/ ergänzend folgendes: Die Schlachthausszene möchte ich bei meiner Forderung nach mehr Drastik, die dem Horrorpart mit Sicherheit gut getan hätte, explizit ausklammern. So man das Arbeitsgerät kennt, mit dem der Metzger dort zur Sache geht, ist die Szene so wie sie ist eindrucksvoll und bedrückend genug. Eine Sequenz a la „Frontier(s)“ ist hier absolut nicht notwendig gewesen. Allerdings hätte dann das Sounddesign gern etwas heftiger ausfallen können. Auch hier liegt der Fehlerteufel eben im Detail. Apropos: Bisher war ich, sicherlich bedingt durch Marshalls „Überleben!“ (1993) immer der Meinung, dass Menschenfleisch ein wenig wie Hühnchen, also zart und weiß, aussieht. Hier hat es jedoch eher die Farbe und Form von kräftigem Rindfleisch. Ja was denn nun? Das müsste mal jemand recherchieren!

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