Review

FREUNDE MIT GEWISSEN VORZÜGEN (FRIENDS WITH BENEFITS, USA 2011, Regie: Will Gluck)

oder besser
FREUNDE MIT GEWISSENESCHLECHTS-VORZÜGENERKEHR

Die Hollywood-Regel sieht für „romantische Komödien“ folgenden Ablauf vor:

1. In einer hübsch inszenierbaren amerikanischen (Groß-)Stadt oder auf dem vornehmlich amerikanischen Lande (Bsp.: SWEET HOME ALABAMA) treffen sich Mann und Frau, lernen sich kennen und lieben. Grundvoraussetzung: beide sind hübsch und begehrenswert!

2. Als begrenzte Variationsmöglichkeit für die Ursache des Treffens fungieren gerne Trennungen, Heiratsanträge, Wetten, Job- und Perspektivwechsel, Experimentierfreude, Beziehungspausen und dergleichen mehr, gern auch in Kombination

3. Mann und Frau entdecken ihre Zuneigung zu einander, sind glücklich und erleben tolle Dinge – immer!

4. Irgendeine tragische Familiengeschichte wird aus Gründen der Dramatik (eventuell auch für provoziertes Mitleid) gern mit eingeflochten, ist aber kein Muss

5. Mann und/oder Frau macht etwas Dummes, dass die Beziehung sofort in ihren Grundfesten erschüttert und zu einer sofortigen Trennung führt

6. Nach erfolgter Trennung wird man sich des elementaren Fehlers bewusst und erreicht durch meist höchst aufwendige - gelegentlich auch mit körperlicher Anstrengung verbundene - Aktion die Wiederzusammenführung des Paares und folglich das finale Happy-End zu schnulziger Musik

7. Es folgt meist ein aufwendiger Abspann, der ein tolles, glückliches Gefühl beim Rezipienten hinterlassen soll – *hach* ist das Leben nicht schön?

FREUNDE MIT GEWISSEN VORZÜGEN will tatsächlich zwischen den Zeilen das gängige Hollywood-Schema für pseudo-romantische und oftmals wenig komische Liebeskomödien parodieren. Dies ist tatsächlich auch erfrischend, da sich der Otto-Normal-Cineast sicherlich schon häufiger fragte, ob er der Einzige ist, der das Schema-F durchschaut und satt hat. Ärgerlich ist aber auch, dass sich der Film trotz erkannter und angesprochener Schwäche (die Protagonisten sitzen auf der Couch, sehen sich einen solchen Film an und machen sich darüber lustig) stoisch an das vorgegebene Grundgerüst hält. Die Frage, ob nun das Schema oder die Existenzberechtigung des Films selbst parodiert werden sollte, ist hier folglich gerechtfertigt.

Wie wird nun die Parodie versehentlich parodiert und somit ad absurdum geführt? Der Blogger und Art-Director Dylan Harper (Justin Timberlake) wird von Jamie Ralice (Mila Kunis) nach New York gelockt. Letztere ist eine sogenannte Headhunter-In, d.h., dass sie im Auftrag diverser Firmen diverse als geeignet erscheinende Kandidaten für diverse, just freigewordene Stellen ködert. Dylan wird nun für eine Stelle bei GQ angeheuert, wofür Jamie eine fette Provision kassiert. Nebenbei lernen sich beide kennen und werden Freunde, gehen essen, erleben Dinge und entdecken ihre Gemeinsamkeiten. Elementar hierbei: beide haben mit festen Beziehungen abgeschlossen. Da der Verzicht auf Sex jedoch schwer fällt, vergnügen sie sich mit einander, jedoch nicht ohne vorher auf die (digitale) Bibel zu schwören, dass die Beziehung rein körperlich bleiben muss und die Freundschaft nicht gefährdet. Dass das nicht funktionieren wird liegt auf der Hand…

Bereits eine knappe Inhaltsangabe verdeutlicht, dass das Hollywood-typische Grundschema beibehalten wird. Da nützt es auch wenig, wenn die Protagonisten vor dem Fernseher eben dieses bemängeln und kritisieren um anschließend bewusst davon abzuweichen um dann wiederum Schemen-gerecht zueinander zu finden. Über dieses ärgerliche Defizit, dass nebst einer netten und neuen Geschichte auch das Potenzial zu einer grundsoliden Satire verschenkt wurde, hilft dann auch nicht mehr das bemüht sympathische Schauspiel der beiden Hauptdarsteller, wobei Timberlake allerdings weit hinter Kunis zurückbleibt. Charakterdarstellerische Höchstleistungen liefert natürlich niemand ab, aber im Rahmen dieses Films genügt es für glaubwürdige Momente, die den Rezipienten bei Laune halten. Sobald Woody Harrelson auftritt, können allerdings beide einpacken.

Weitere Punkte Abzug gibt’s für ungünstig platzierte Logiklöcher. Wenn man einen Film schon nach dem Motto „sex sells“ an den Mann bringen möchte, dann bitte richtig! In den ersten zwei Dritteln des Films macht keiner Liebe! Das ist Sex! Da ist es unmöglich, dass ständig jeder einen Fetzen Bettlaken über pikanten Stellen hat. Sex-Thematik mit suggerierter Offenheit und Butter bei den Fischen – aber hübsch dezent  für das junge Publikum. Das nervt gewaltig. 6/10 Punkte gibt’s dennoch für kurzweilig amüsante Unterhaltung mit Woody Harrelson und Tony Hawk als skurrile Randerscheinungen. Auch gibt es wesentlich schlechtere Beiträge aus dem Pool "romantischer Komödien", die weder witzig noch romantisch sind.

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