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Am 8. Februar 1983 wurde das Rennpferd Shergar aus seiner Stallung nahe Curragh in Kildare County (Irland) entführt, worauf bei einem Radiosender eine Lösegeldforderung in Höhe mehrerer Millionen Pfund einging – nicht nur unter Kennern galt Shergar nämlich als eines der besten Rennpferde des Jahrhunderts, weshalb diverse prestigeträchtige Siege (inklusive eines Rekords beim 81er Epsom Derby) sowie die lukrative Zuchtaussicht des Tieres eine derart hohe Summe rechtfertigte. Da die Behörden jedoch davon ausgingen, dass die IRA hinter der Operation steckte, beschloss man die Einhaltung des Grundsatzes, nicht mit Terroristen zu verhandeln (bzw keinesfalls auf ihre Forderungen einzugehen), und verweigerte die Zahlung. Bis heute ist das Schicksal des Pferdes noch immer ungeklärt – und genau aus dieser Tatsache entwickelte Regisseur/Drehbuchautor Denis C.Lewiston die Idee zu diesem „Was wäre wenn?“-Kriminaldrama aus dem Jahre 1999, welches sich ganz bewusst als Werk der Fiktion auf Basis eines realen Ereignisses gibt, also kein Anspruch auf geschichtliche Authentizität erhebt…

Der 16-jährige Kevin (Tom Walsh) hatte es bislang nicht leicht im Leben: Nach dem frühen Tod seiner Eltern in diversen Heimen aufgewachsen, geriet er in seiner Jugend irgendwann ernsthaft mit dem Gesetz aneinander, worauf er vor der Vollstreckung eines Haftbefehls (wegen Einbruchs) floh und seitdem auf dem Hof von Eammon Garritty (David Warner) als Stallbursche Zuflucht gefunden hat. Letzterer kann den Jungen verstehen, schätzt seine Tatkraft und hegt ebenfalls einen Gräuel gegenüber den Behörden, was größtenteils aus der Tradition resultiert, dass seine Familie schon länger mit der IRA sympathisiert. Eines Tages stellt er einer Splittergruppe jener Organisation seine Scheune zur Verfügung – ein Kommando unter der Führung des Terroristen Gavin O´Rourke (Mickey Rourke) hat nämlich das wertvolle Rennpferd Shergar entführt und benötigt für einige Tage einen unauffälligen Ort, wo man das Tier halten sowie vor der Polizei verstecken kann.
Da Kevin später mal in die Fußstapfen seines Vaters treten will, welcher damals ein halbwegs erfolgreicher Jockey war, ist er natürlich über jenen Sport im Bilde, weshalb er Shergar auf Anhieb erkennt und sich bei der folgenden täglichen Pflege des prachtvollen Geschöpfs eine besondere Verbindung zwischen ihnen entwickelt. Nachdem die Verantwortlichen jedoch die Forderung der Terrororganisation ablehnen, um Stärke zu demonstrieren, beschließt O´Rourke, das Pferd zu töten und dessen Kopf der Presse zu übersenden. Als Kevin davon erfährt, kann er es einfach nicht fassen und/oder zulassen, weshalb er kurzerhand seine Sachen packt sowie vorm Eintreffen der Männer davon reitet.
Auf der Flucht verändert er per Haartönung Shergars Äußeres und schließt sich dem zusammen mit seiner hübschen Tochter Kate (Laura Murphy) in einer Kutsche herumreisenden Poeten und Pferdetrainer Joe Maguire (Ian Holm) an. Bei ihnen ist er freundlich willkommen und kann sich seit langem wieder richtig geborgen fühlen – zu ihrem Schutz hält er deshalb die Wahrheit vor ihnen geheim. Joe verdient seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit der Teilnahme an Amateur-Pferderennen, und als er Kevins Begabung erkennt, bietet er ihm an, eines seiner Tiere bei einem Volksfest-Wettkampf zu reiten. Endlich scheint sein Traum in Erfüllung zu gehen, doch an jenem Tag gelingt es seinen Verfolgern schließlich, zu ihm aufzuschließen, denn trotz der Ausschaltung O´Rourkes (durch die SAS) kann die IRA es nicht zulassen, dass eine Operation auf diese Weise ausgehebelt wird – und so treibt man Shergar, der aufgrund eines Regengusses inzwischen wieder zu erkennen ist, sowie seinen Beschützer mit etlichen Jeeps bis an die Klippen der Steilküste von Mohar…

Der tatsächliche Fall sorgte damals in Großbritannien für landesweite Aufregung und führte in der Folgezeit zu mehr Sichtungen als von Elvis oder UFOs – Spuren und Hinweise, welche die Behörden verfolgen mussten, reichten bis nach Japan oder Saudi Arabien. Der ehemalige Kameramann Denis C.Lewiston (TV´s „the Professionals“) hat die Geschichte (rein fiktiv) weitergesponnen und daraus mit britischen sowie amerikanischen Geldern ein familienfreundliches Drama inklusive „True Crime“-Krimi-Touch gemacht, das man problemlos an einem Sonntagnachmittag beim Durchzappen des TV-Programms entdecken könnte. Freunde dieser Art von Produktionen kann man das Werk dann auch bedenkenlos empfehlen, genauso wie reitenden oder „Wendy“-lesenden Kindern/Teens (obwohl die Erschießung dreier Terroristen überraschend direkt gezeigt wird). Die meisten anderen sollten sich hingegen nach besseren Alternativen umsehen. Mit Pferde-Filmen oder -Serien kann ich persönlich in etwa genauso wenig anfangen wie mit jenen Tieren in Natura: Weder Hollywood-Schmalz a la „the Horse Whisperer“ noch Abenteuerunterhaltung wie „Black Beauty“ konnte mich bislang begeistern – genau genommen gefiel mir aus diesem Bereich neben „Mr.Ed“ eigentlich nur noch Steve Miners „Wild Hearts can´t be broken“, was aber eher an der bezaubernden Gabrielle Anwar lag. „Dreamer“ werde ich mir demnächst sicher auch mal ansehen, doch nur dank Dakota Fanning und Kurt Russell auf der Besetzungsliste. „Shergar“ habe ich ebenfalls ausschließlich aufgrund von Mickey Rourkes Beteiligung eine Chance gegeben, denn oftmals weiß man im Vorfeld einfach schon, trotz allgemeiner Offenheit sowie der Hoffnung auf eine positive Überraschung, worauf ein Sichten im Endeffekt hinausläuft…

Ich muss mich trotz der damaligen Öffentlichkeitswirkung des Falles wundern, wie es den Machern dieser leichtgewichtigen Produktion ohne nennenswerte Pull-Faktoren gelang, einige im Vergleich schwergewichtige Namen für die Besetzung zu gewinnen. Ian Holm (“Lord of the Rings“/“In Hell“) spielt den ständig Zitate oder Lebensweisheiten von sich gebenden Aussteiger ohne größere Mühe, denn er taucht erst nach knapp der Hälfte auf und wird vom Skript zu keiner Zeit auch nur ansatzweise gefordert. Er wirkt ebenso verschenkt wie Mickey Rourke (“9½ Weeks“/“Sin City“), der anfangs noch (zu seiner Einführung) zwei Schäferhunde erschießen darf, im Anschluss dann etliche Male in Szene gesetzt wird, wie er bedrohliche Telefonanrufe tätigt oder seine Komplizen anbrüllt, bevor er nach dem zweiten Drittel im Kugelhagel der Einsatzkräfte abtritt. Vielleicht war es ja eine gute Möglichkeit, freie Tage im Terminplan (inklusive eines Schecks und der Reise zum Dreh nach Irland) sinnvoll zu füllen…?
Es hat mich nicht sonderlich verwundert, David Warner zu sehen, da er nur sehr sporadisch in größeren Hollywood-Filmen (“Titanic“/“Scream 2“) mitwirkt, aber von allen Beteiligten kommt er, trotz einer ebenfalls oberflächlichen Rolle, noch am besten weg. Garritty ist eigentlich eine recht ambivalente Figur, die hauptsächlich aufgrund der Familientradition mit der IRA sympathisiert, während er selbst nicht voll hinter deren Kampf steht. Nach Kevins Flucht mit Shergar wird seine Figur jedoch dazu degradiert, nur noch mit den Verfolgern im Jeep herumzufahren, um die Zielperson für sie zu identifizieren. Tom Walsh (abgesehen von einem Kurzfilm blieb dies sein einziger Auftritt im Business) verbleibt in der (menschlichen) Hauptrolle genauso farblos wie Kevin an sich, weshalb man ihm vielleicht nicht unbedingt die Schuld dafür zuweisen sollte – selbiges gilt übrigens auch für Laura Murphy („Plain Jane“) als Kate, was aber weniger gewichtig auffällt, da ihr Part ungleich kleiner ist. Letztendlich kann man sagen, dass die gute/interessante Besetzung durch die schwachen Charakterzeichnungen des Drehbuchs verschenkt wurde.

Davon ausgehend, dass bis heute kaum Einzelheiten der Hintergründe bekannt geworden sind, driftet der Film schon bald nach der Entführung in den Bereich der Fiktion/Spekulation ab. Wird im ersten Drittel noch die Tat mitsamt der öffentlichen Medienwirkung zusätzlich zu den Geschehnissen um Shergar und Kevin thematisiert, reduziert sich der Mittelteil auf die Flucht bzw Verfolgung, was auch noch einigermaßen spannend sowie interessant daherkommt, bevor im letzten Abschnitt der Fokus auf die Zeit mit Kate und Joe gerichtet wird. Es ist vor allem dann, dass sich die Klischees immer stärker häufen (gemeinsames Angeln der Männer, das Nebeneinanderliegen mit dem Mädel unterm Sternenhimmel, wobei sie ihm gar erklärt, wo sich seine Sternenkonstellation (war klar: Pegasus) befindet, oder das Münden seines ersten Rennens (gegen gestandene Jockeys) gleich in einem Sieg), während diese zuvor nur vereinzelt auftraten (in der Nacht, in der Shergar getötet werden soll, gibt es „natürlich“ ein starkes Unwetter/Gewitter etc). Pferde, Freundschaft, Flucht, sowie alles in Irland angesiedelt und mit einem starken, banalen Gefühl von Freiheit versehen – unterstützt von einem einfallslosen Score bekommt man all das geboten, garniert mit etlichen Reit-Aufnahmen durch die grüne Countryside des Landes. Logikschwächen sind allgegenwärtig (was ist eigentlich Kevins Plan mit dem Pferd, warum färbt er es mit wasserlöslicher Farbe, wo es doch in jenem Land nicht gerade selten regnet, warum überlässt er den netten Garritty und dessen Frau so einfach aufgrund seiner Tat der gewalttätigen Willkür der IRA…) und alles ist derart passend, dass es schon trivial wirkt (natürlich trifft er auf seiner Flucht zwei Personen, von denen beide Pferde lieben, wobei der Mann gar Rennen reitet sowie sich das Mädel (zumal im selben Alter) geradezu zum Verlieben anbietet). Vor allem aber der „Showdown“ bringt das Fass schließlich zum Überlaufen, nämlich als nach einer (kameratechnisch angedeuteten) „Thelma & Louise“-Aktion ein vollkommen unrealistisches Happy End heraufbeschworen wird, welches den Gesamteindruck nochmals deutlich trübt.

Wiegt man die einigermaßen gelungenen ersten zwei Drittel mit dem missratenen letzten ab, bleibt letztendlich trotzdem noch ein gerade annehmbarer Familienfilm, da dessen Krimielemente Kurzweil erzeugen und die im Verlauf geführten (einseitigen) „Gespräche“ zwischen Mensch und Pferd zum Glück nicht überhand nehmen. Und während der echte Shergar vermutlich irgendwo auf einem Acker verscharrt oder als Fleisch auf dem Teller einiger Iren endete, wird der Zuschauer hier mit einer Einstellung in die Credits entlassen, dass jenes Tier „in Wahrheit“ unerkannt noch ein glückliches Leben (inklusive Nachwuchs) bei freigeistigen Aussteigern führen durfte – zwar kitschig ohne Ende, doch den Kindern wird’s gefallen…

Fazit: „Shergar“ ist ein gut besetzter, solide inszenierter Film für (nahezu) die gesamte Familie, welcher an banalen Dialogen sowie der einfach gestrickten, anspruchslosen und klischeereichen Handlung leidet, welche zudem angesichts des reinen (aber immerhin vorhandenen) Unterhaltungswerts größtenteils auf hintergründige oder dunklere Intensivierungen (beispielsweise des IRA-Ansatzes) verzichtet…ganz knappe „4 von 10“.

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