Und es war doch etwas faul an der ersten Mondlandung. Zwar sind die Amerikaner 1969 tatsächlich dort gelandet, aber was sie dabei vorfanden wurde der Weltöffentlichkeit über 40 Jahre lang verschwiegen: ein Raumschiff der hochentwickelten Roboterrasse „Transformers".
Die Verquickung historischer Fakten mit Filmplots hat innerhalb des Fantasy-Superheldengenres erst kürzlich beim X-Men-Reboot „Erste Entscheidung" prächtig funktioniert, als die Beinahe-Nuklearkatastrophe der Kubakrise als Blaupause diente. Hier wie dort ist der Einfall auch ein augenzwinkernder Seitenhieb auf die Kolonnen von Verschwörungstheoretikern, die manisch jedes geschichtliche Großereignis hinterfragen und dabei sämtliche Regeln der Logik und Wahrscheinlichkeit beschwingt über Bord werfen. Da wirken Mutanten oder eine Alienroboter-Spezies auch nicht viel abstruser.
Für Transformers 3 ist die Verknüpfung von fact und fiction jedenfalls ein durchschlagender Erfolgt, beschert sie doch der in punkto Einfallsreichtum nicht unbedingt wegweisenden Reihe die beste, weil spannendste und interessanteste Exposition. Die Montage von Originalaufnahmen und Spielszenen ist stimmig, die Vermischung von Menschheits- und Transformersgeschichte originell erdacht. Diesmal waren die Scriptautoren wohl etwas länger und fruchtbarer zusammengesessen, als beim in dieser Hinsicht unsäglichen Vorgänger.
So gesehen macht der oft (zu recht) gescholtene Krawall-Spezialist Michael Bay im inzwischen dritten Aufguss seiner Actionspielzeug-Saga erst einmal alles richtig und sorgt damit zunächst für wohlwollendes Erstaunen. Die überaus heftige Schelte bezüglich Stupidität und Einfallslosigkeit von Transformers 2 ist an dem eigentlich als Kritik-resistent bekannten Blockbuster-Garant offenbar doch nicht ganz spurlos vorübergegangen. Auch der peinliche Pennäler-Humor des ersten Sequels wurde zumindest deutlich spürbar zurückgefahren. Ist der gute Michael gar vom „Hochglanztrash-Saulus" zum „Spektakel-mit-Hirn-Paulus" mutiert? Gut, ganz so weit ist die vermeintliche Läuterung dann leider doch nicht gegangen.
Die clever erdachte Einleitung spielt für den weiteren Verlauf kaum eine Rolle, da sich Autobots und Decepticons erneut eine krawallige Schlacht auf der - und diesmal auch um die - Erde liefern, bei der der eigentliche Aufhänger schnell in Vergessenheit gerät. Auch ist Transformers 3 wie sein Vorgänger entschieden zu lang geraten und legt trotz einer enormen Zahl an Sprechrollen kaum Wert auf Charakterentwicklung und Figurenzeichnung.
Hauptdarsteller Shia LaBeouf konnte lediglich im Originalfilm durch die drollig-komische Darstellung typischer Teenagerprobleme Sympathiepunkte sammeln und stolpert nun als Autobot-Spezi Sam Witwicki ebenso gehetzt und konfus durch das lärmige Actioninferno wie in Teil 2. Seinen skurrilen Eltern ist nach dem Fremdschäm-Fiasko des Vorgängers lediglich noch ein überflüssiger Cameo vergönnt. Megan Fox-Ersatz Rosie Huntington-Whiteley schafft das Kunststück Sehnsucht nach der mimisch ebenfalls talentfreien Vorgängerin aufkommen zu lassen, verfügte die doch zumindest über einen im Ansatz selbstironischen, prolligen Charme, der bestens mit dem Transformers-Kosmos harmonierte.
Man muss nicht sonderlich clever sein, um darauf zu kommen, dass die Mitwirkung so gestandener Mimen wie John Malkovich (als spleeniger Abteilungsleiter in Sams neuer Firma), Francis McDormand (als grummelige CIA-Chefin) und (bereits zum dritten Mal als durchgeknallter Verschwörungstheoretiker und Ex-Spezialagent) John Turturro in erster Linie durch monetäre Interessen motiviert gewesen sein dürfte. Trotzdem sind es ausschließlich deren Nebenfiguren, die für etwas Spaß und Abwechslung in einem ansonsten bierernsten und reichlich humorlosen Effektgewitter sorgen. Das ist umso bedenklicher, als all diese Charaktere völlig überflüssig für den Fortgang der Handlung sind und offenbar nur für ein paar Lacher bzw. Schmunzler in den Plot hineingeschrieben wurden. Lediglich Frauenschwarm Patrick Dempsey macht als Decepticon-Kollaborateur nicht nur eine gute Figur, sondern auch etwas inhaltlichen Sinn.
Wieder einmal erweist sich Bay als visueller Meister und erzählerischer Dilettant und Personalunion. Der holprigen Dramaturgie, holzschnittartigen Figurenzeichnung und dem mangelnden Gespür für Rhythmus und Atmosphäre stehen spektakuläre Bilder und atemberaubende Kamerafahrten gegenüber. Wenn zum Finale der Krieg zwischen Autobots und Decepticons in den Straßenschluchten von Chicago ausgetragen wird, fährt der erfolgreichste Bruckheimer-Zögling buchstäblich alles auf, was die moderne Tricktechnik zu bieten hat und inszeniert eine Zerstörungsorgie, die man in dieser Perfektion und Wucht bisher noch nicht gesehen hat. Bay greift dabei keineswegs lediglich auf Computereffekte zurück, die solchen Szenen immer etwas steriles und künstliches verleihen. So hinterlässt vor allem das 30 Meter lange Modell eines langsam einstürzenden Hochhauses einen bleibenden Eindruck und lässt sie Szenen im und am Gebäude erschreckend realitätsnah erscheinen.
Natürlich kann Bay nicht aus seiner Militär-Fetischismus-Haut und weidet sich gewohnt genüsslich an heroischen Gesten und schick photographiertem Kriegsgerät. Überhaupt ist man überrascht, welch tragende Rolle menschliche Kombattanten in einer Auseinandersetzung zwischen riesenhaften Maschinen spielen können, die mit ein zwei Schlägen oder Schüssen ganze Häuserzeilen Erdbebenreif zertrümmern. Schlimm wird es auch, wenn Michael seine ebenfalls heiß geliebte Pathos-Keule auspackt. Nicht dass in einem solchen Weltuntergangsszenario pathetische Sprüche oder Momente völlig unvorstellbar wären, im Gegenteil. Das Problem liegt nicht in der Partitur, sonder in der naiv-polternden Interpretation. Die unfreiwillige Komik trieft aus allen Ösen, wenn riesige Zerstörungsmaschinen, die ganz nebenbei wesentlich an der Zerlegung einer Großstadt beteiligt sind/waren, geschwätzig von Schicksal schwadronieren und vermeintlich motivierende Durchhalteparolen raushauen.
Bleibt noch der für kalkulierte Effekt-Blockbuster seit dem globalen Avatar-Reibach offenbar obligatorische 3D-Effekt. Und hier hat Bay seinen großen Sprüchen zur Abwechslung mal auch Taten folgen lassen. Vor allem in den Action-Sequenzen erreicht Transformers 3 eine beeindruckende Tiefenwirkung die erst deutlich macht, wie abgrundtief schlecht die neue Technik in Filmen wie Kampf der Titanen, Green Hornet oder Fluch der Karibik 4 umgesetzt wurde. Vor allem bei der finalen Schlacht um Chicago gelingen Bay teilweise phantastische Aufnahmen, die im Kino nicht nur für staunende Gesichter sorgen dürften, sondern auch das irrwitzige Geschehen trotz seiner Hektik und Unübersichtlichkeit echter wirken lassen. Die nach eigenem Bekunden intensive Beschäftigung mit der 3D-Materie hat sich jedenfalls voll ausgezahlt. Hier gibt es keine billigen Jahrmarktseffekte wie in den Zuschauerraum fliegende Teile. Selbst die nachträglich konvertierten Szenen (vor allem Close-ups) fügen sich stimmig in das visuelle Gesamtkonzept ein und fallen qualitativ nur kaum merklich ab.
Was nach all dem Gedöns bleibt ist die erfreuliche Botschaft, dass der in jeder Hinsicht katastrophale zweite Teil einigermaßen deutlich übertroffen werden konnte. Das mag kein großes Kunststück sein, aber immerhin ist Transformers 3 erkennbar nicht ganz so dämlich, kindisch und langatmig wie der debile Vorgänger. Zwar gibt es auch hier dramaturgische Schwächen, ordentliche Logiklöcher, vernachlässigte bis überflüssige Figuren sowie einen Mangel an Charme und post-pubertärem Witz zu beklagen, trotzdem ist der dritte Aufguss der Roboter-Saga wieder stringenter, stimmiger, unterhaltsamer und dank seiner düsteren Ausrichtung weniger infantil ausgefallen.
Visuell setzt Regisseur Bay wie erwartet neue Maßstäbe und zeigt auch endlich wieder mal, dass die 3D-Technik durchaus zur optischen Aufwertung taugt, wenn man sich denn etwas Mühe gibt. Am Ende steht gewohnt seelenloses Bombastkino der Marke Bruckheimer-Bay, mit all seinen sattsam bekannten Stärken und Schwächen. Außen glänzend, innen hohl. Das muss man nicht mögen, das kann man aufgrund seiner Vorhersehbarkeit aber auch nicht glaubwürdig entrüstet verteufeln. Wo Bay draufsteht, ist auch (wieder) Bay drin. Wie gesagt, nach Transformers 2 immerhin eine gute Nachricht.