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Ein Königreich für eine Digibox

Regisseur Dome Karukoski („Das Mädchen und der Rapper“) lieferte ihm Jahre 2010 seinen dritten Spielfilm ab. Der in finnisch-schwedisch-isländischer Koproduktion entstandene „Helden des Polarkreises“ entpuppt sich als dramatische Liebeskomödie mit viel Lokalkolorit.

„Du hast mein Geld für Alkohol ausgegeben?“

Finnland begräbt das Zeitalter des analogen Fernsehempfangs, ab dem nächsten Tag wird nur noch digital gesendet. Aus diesem Grund bittet Inari (Pamela Tola, „Frozen Land“) ihren Freund Janne (Jussi Vatanen, „Dirty Bomb“), einen Digitalempfänger käuflich zu erwerben und vertraut ihm dafür 50,- EUR an. Der arbeitslose Tagedieb jedoch vertrinkt das Geld lieber mit seinen Freunden, woraufhin Inari der Kragen platzt. Sie stellt ihm ein Ultimatum: Sollte es ihm bis zum nächsten Morgen nicht gelingen, eine Digibox aufzutreiben, kündigt sie die Beziehung endgültig auf. Mit seinen Freunden Kapu (Jasper Pääkkönen, „Matti“) und Tapio (Timo Lavikainen, „Heart of a Lion“) versucht er zunächst, im näheren Umkreis ein solches Gerät aufzutreiben, scheitert jedoch. Zu dritt beschließt man kurzerhand, mit einem geliehenen Auto den Elektronikhandel Inaris Vaters im entfernten Rovaniemi aufzusuchen. Nach wenigen Kilometern aber ist bereits der Tank leer, ausgerechnet in unmittelbarer Nähe des Hauses Pikku-Mikkos (Kari Ketonen, „Gourmet Club“), Inaris Ex-Freunds. Beim Benzin-Abzapfen aus dessen Wagen wird man prompt erwischt, doch gönnerhaft offeriert Pikku-Mikko Janne seine fast neue Digibox, die er nicht mehr benötigt. In seinem Stolz gekränkt lehnt Janne dankend ab, doch Inaris finanziell weich gebetteter Ex wittert seine Chance, die Situation für sich ausnutzen – während das Trio mit geliehenem Benzin seine Reise fortsetzt, versucht er, Inari für sich zurückzugewinnen. Janne und Co. landen derweil u.a. in einem Hotel, wo sie Geld aufzutreiben versuchen und schlittern von einer verrückten Situation in die nächste…

„Das waren Killerlesben!“

Trotz dieser Handlung weist „Helden des Polarkreises“ erfrischend wenige gewohnte Motive aus US-Romantic-Comedy o.ä. auf und präsentiert sich vielmehr als Verliererkomödie mit starken Road-Movie-Anleihen. Primär geht es um einen arbeitslosen Tunichtgut, der es bisher gewohnt war, in den Tag hineinzuleben und seine hübsche, smarte Freundin als selbstverständlich zu betrachten. Janne muss jedoch erkennen, dass er es zu weit getrieben hat und plötzlich verborgene Kräfte aktivieren, um um seine Liebe zu kämpfen. Erst in dieser Situation erkennt er, was er an ihr hat und setzt alles daran, diese verdammte Digibox aufzutreiben. Das bietet viel Anlass für gern auch mal schwarzen Humor und Situationskomik, ist aber andererseits zunächst einmal eine aus dem Leben gegriffene Ausgangssituation, wie sie sich ähnlich täglich weltweit abspielen dürfte – was den Einstieg in den Film denkbar einfach gestaltet.

„Irgendwas läuft doch in eurem Hirn falsch!“

Dieser illustriert zu Beginn die wunderschönen winterlichen Landschaften Finnlands, die dem gesamten Film als Kulisse dienen werden. Aus dem Off zitiert Janne aus seinem Referat über die hohe Selbstmordrate seines Heimatorts, unterlegt mit entsprechenden Rückblenden. Er und seine Freunde erweisen sich als männliche Spezies irgendwo zwischen Idioten und Dilettanten, so dass Inaris Reaktion sehr verständlich anmutet und man sich als Zuschauer durchaus fragt, womit Janne überhaupt eine Frau wie sie verdient hat. Bevor er einem dann doch irgendwie ans Herz wächst, vergeht dann auch konsequenterweise eine ganze Weile, denn bei Inaris Ex wird’s für ihn noch einmal richtig peinlich, was seinen Verliererstatus manifestiert. Ab diesem Zeitpunkt jedoch wird „Helden des Polarkreises“ zunehmend absurd und leider auch etwas arg konstruiert. So landet man in einem Ort ohne Männer, was Anlass für die eine oder andere zotige Situation ist, fährt besoffen mit dem Auto durch die Gegend und lernt ein paar Russen kennen, für die Janne ein Rentier fachmännisch auseinandernimmt und zubereitet, was der Film indes nicht zeigt und auch verschweigt, wie ausgerechnet dieser Kerl das hinbekommen hat.

Nach zwei Dritteln verliert Karukoskis Film etwas an Tempo, doch um die Sympathie des Zuschauers für Janne zu gewinnen, bedient er sich des Außenseiter- bzw. David-gegen-Goliath-Tricks: Zum verachtenswerten Subjekt gerät Pikku-Mikko, der sich als regelrechter Schweinehund entpuppt, nachdem Inari schon im Begriff war, zu ihm zu ziehen. Schließlich legt er sich sogar nackt zu ihr ins Bett, nur um Janne gegenüber einen falschen Eindruck zu erwecken. Klar, dass der Zuschauer in Anbetracht dessen eher zu Janne hält als zu diesem aufgeblasenen Möchtegern-Don-Juan.

Letztendlich wendet sich tatsächlich überraschenderweise doch noch alles zum Guten, wobei das Happy End etwas sehr dick aufträgt. Für einen netten Filmabend gern auch mit der Liebsten eignet sich „Helden des Polarkreises“, der zu großen Teilen ohne allzu pubertären Humor und romantische Klischees auskommt, aber allemal, fasziniert insbesondere mit Einblicken in die finnische Lebensart und Natur und sollte eventuell von manchem, der lieber Filme wie diesen schaut, anstatt selbst für sein Auskommen zu sorgen und in adäquater Weise für seine Freundin da zu sein, als Warnung verstanden werden...

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