Review

Diese Review wurde geschrieben, während der Film lief. Nur so kann die Hektik eingefangen werden, die von Stones Bildern versprüht wird.

Der Sport ist ein Spiel. Durch die Sensationsgier von Medien und Massenpublikum kann er mitunter aber zum knallharten Ernst werden. Diesen Umstand prangert Stone mit seinem unkonventionellen - ich will fast sagen "Footballepos" - an.

Die Medienkritik wird vermittelt durch adrenalisierte, kurzschnittige, überstylte Bilder, schräge Kamerapositionen, künstliche Situationen, Zeitlupen, verschiedene Blickwinkel. Nichts Neues also für den aufmerksamen Cineasten, spielte Stone doch schon in "Natural Born Killers" mit diesen Stilmitteln und verfolgte ein ganz ähnliches Ziel, denn auch hier war die von den Medien überspitzte Darstellung von Ereignissen das Thema.

Diesmal setzt er sich mit einem weniger ernsten Thema auseinander als mit psychopathischen Killern. Sollte man jedenfalls meinen, denn oberflächlich betrachtet geht es ja nur um ein Spiel. Dieses Spiel ist aber nicht zufällig Football, die wohl härteste Sportart, die man noch als Sport bezeichnen kann. Verständlich, dass die Originalteams der NFL sich nicht auf den Film einließen und man die Dolphins in die Sharks umtaufen musste, denn ein Werbefilmchen für die National Football League ist das sicher nicht. Es wird nicht der Spaß am Sport vermittelt wie in den harmlosen Footballkomödien "Helden aus zweiter Reihe" oder "Waterboy". Nein, der Sport wird reduziert auf die menschlichen Urinstinkte. Kein Lächeln in den Gesichtern der Spieler, keine Freundschaft. Stattdessen Konkurrenz, Manipulation, gnadenloser Kampf der Oppositionen. Und insofern schrumpft der Unterschied zwischen dem ernsten Spiel aus "Any given Sunday" und dem spielerischen Ernst aus "Natural Born Killers".

Niemand hat behauptet, der Film sei ein Hochgenuß für die Augen. Harmonie und Poesie sucht man vergebens. Die Bilder stehen vielmehr für sich selbst, sollen beim Betrachter gar kein Gefallen auslösen; sie sollen nur die Botschaft vermitteln, und das gelingt ausgesprochen gut und ist damit doch wieder poetisch. Ausgesprochen viel Zeit des immerhin zweieinhalb Stunden langen Streifens wird auf die eigentlichen Spiele angewendet. Sie werden quasi im Überfluß gezeigt, sind nichts besonderes mehr, sind ganz im Gegenteil der harte Alltag unserer zweifelhaften Helden, was der Idee des Spiels ja immerhin entgegensteht.
Willie Beamen (Jamie Foxx), ein Neuer, wird aufs Feld geschickt. Wie ein Hering, der ins Haifischbecken geworfen wird. Vor dem ersten Spielzug übergibt er sich regelmäßig, was vom Publikum frenetisch bejubelt und vom Kommentator mit bissigen Sprüchen kommentiert wird. Wo doch das Übergeben eine unkontrollierbare Körperfunktion ist, die zeigt, dass etwas nicht stimmt. Überhaupt ist der junge Beamen die fluktuierende Linie im Team. Wird er zu Beginn noch nicht ernst genommen und gar ausgelacht, mutiert er angestachelt durch das Umfeld binnen kürzester Zeit zum Superstar, wird gehätschelt und getätschelt (vom Bürgermeister und von der Teambesitzerin (Cameron Diaz), die das Team nur geerbt hat und weder über ein besonderes Wissen noch über eine besondere Beziehung zum Team verfügt, dafür aber über jede Menge Ehrgeiz und Machtverlangen), schießt dann über das Ziel hinaus und muß wieder hinuntergezogen werden, um nicht in einer Flut von Sternen zu versinken.
Als Konstante zum instabilen Jungspieler Beamen fungiert der etablierte, in Miami aber glücklose Trainer Tony D`Amato (Al Pacino). Er verfolgt knallhart seine Linie, hat dabei mit massig Widerstand zu kämpfen (vor allem jene Teambesitzerin). Dass er - Achtung, leichter Spoiler im nächsten Satz - am Ende als Sieger dasteht, lässt den letzten Funken Optimismus in Stones Werk aufkeimen, da letztendlich doch die alten Werte siegen. Langsam kristallisiert sich die Beziehung zwischen dem alten Hasen D`Amato und dem Jungspund Beamen als roter Faden heraus, ein dünner Strohhalm, an dem sich der Zuschauer während des 150 Minuten langen Bilderfeuerwerks festkrallen kann.

Und es ist nicht nur ein Bilderfeuerwerk, fast der gesamte Film wird durch den adrenalindurchfluteten Score gestützt, kaum ein Bild steht für sich selbst. Wie die Stimmung wechselt Song und sogar Musicstyle fast im Sekundentakt. Gerne wird dabei auf das Kontrastprogramm zurückgegriffen - euphorische Musik bei Verletzungsszenen, Melancholie, wenn ein Witz gerissen wird - wenn nicht gerade die Power der sowieso vor Kraft und Flüchtigkeit strotzenden Bilder durch hämmernde Trancebeats noch verstärkt wird.

Mittendrin die warmen Farben von Miami, Rot- und Gelbtöne, Palmen, Strand, Sonne, Meer. Unterbrochen durch ein Musikvideo von Willie Beamen, mit dem dessen Größenwahn dargestellt wird, während der altgediente Quarterback (Dennis Quaid) im Hintergrund steht und zum Einzelkämpfer gegen seine Verletzung wird. Keine Unterstützung vom Mannschaftsarzt (James Woods), der die Korruption personifiziert.

Die Spiele stehen für sich alleine und heben sich vom trügenden Schein der Sonne Miamis ab. Ein nihilistisches Event bei Nacht im Regen, wo der Regen trotz des Gesamteindrucks durch Zeitlupen zum schmückenden Beiwerk wird; später dann das knallbunte Finale im Stadion der Knights, die in den Lakers-Farben gelb und purpur auflaufen, und in dessen Verlauf ein Spieler sein Auge verliert - im wahrsten Sinne des Wortes verliert. Somit wird "Any given Sunday" zu einem episodialen Ereignis, das der langen Laufzeit entgegenwirkt und alles auf der höchsten Energiestufe hält.

Die Zwischenepisoden: eine Spielerparty, bei der Sex, Drugs & Rock`n`Roll herrschen; ein bulliges Monster von einem Footballspieler als liebevoller Familienvater; der Coach in den Armen einer Edelprostituierten; der Coach im Gespräch mit der Teambesitzerin; nicht zuletzt die Schlüsselszene, das emotionale Gespräch zwischen dem Coach und Beamen, bei dem dieser darüber informiert wird, dass der altgediente Quarterback wieder spielen wird. Im Hintergrund läuft "Ben Hur", der Pöbel Roms als Metapher auf die Institution Sport für das Massenpublikum. Weitere Metaphorik folgt: Gewitterwolken, Regen. Die Definition dessen, was ein Quarterback sein sollte.

Zum Ende hin werden Opfer nötig. Das Schicksal Einzelner wird unabtrennbar mit dem Erfolg des Teams verknüpft. Ein Spieler steht vor einer schwerwiegenden Entscheidung, die ihn das Leben kosten oder es für immer verbessern könnte.

Am Ende geht eigentlich alles noch Mal gut, aber man wird das Gefühl nicht los, dass man beinahe Zeuge einer Katastrophe geworden wäre. Und zwar einer Katastrophe, die nicht nötig gewesen wäre, weil sie aus einem Spiel heraus entstanden wäre. Der fade Nachgeschmack bleibt.

"An jedem verdammten Sonntag" ist ganz sicher kein allgemein anerkanntes Meisterwerk. Das kann er auch gar nicht sein, denn die Bildsprache Stones ist einfach nicht benutzerfreundlich genug. Sie ist sozusagen nicht massenkompatibel. Wer hinter die überladene Fassade blickt, der erkennt durchaus die Sinnbildung, die sich in dem Gewitter von Knochenbrüchen und Melancholie entfaltet. Unter dem Strich bleibt das Footballdrama mit Medienkritik ein leicht unterschätzter Film, aus dem man mehr herausholen kann, als es viele Kritiker und Zuschauer tun; allerdings auch etwas weniger, als Stone vielleicht ursprünglich intendiert hatte. Dennoch bleibt es ein Erlebnis für Freunde des Unkonventionellen.
gute 8/10

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