Review

Auf zu frischer Tat ertappt


Was wäre wenn die Polizei Morde schon gemeldet bekäme, bevor sie eigentlich geschehen? Das ist das Thema von "Minority Report", in dem Tom Cruise im Washington des Jahres 2054 als sogenannter PreCrime-Ermittler Morde aufhalten muss, die noch gar nicht geschehen sind. Hitchcock trifft auf Tarkowsky, Kubrick auf den hier voll auftrumpfenden Steven Spielberg. Tiefsinnige Themen wie der freie Wille oder vorbeugende Verbrechensbekämpfung treffen auf einen Thriller alter Schule in neuester Umgebung. Vor allem die dargestellte Zukunft, anhand von etlichen Wirtschafts- & Gesellschafts-Wissenschaftlern mit Spielberg zusammen vorausgesagt & entwickelt, ist so wundervoll detailliert, nimmt gerade in Wirklichkeit Form an & wirkt beängstigend realistisch. Wunderschön futuristisch, nie zu abgehoben & dreckig genug um wahr zu werden. Und die Idee der zukünftigen Morde gepaart mit einem klassischen Thrillerplot greift einfach viel tiefer als man es sich erträumen könnte - emotional, jedoch vor allem philosophisch, action- & spannungstechnisch. Für mich ein unterschätztes Hitch... äh Spielberg-Meisterwerk & die B-Seite zum ebenfalls genialen, philosophischeren "A.I.".


Tom Cruise war selbst damals auf seinem Scientology-Zenit ein absoluter Sympathie-Träger & klasse gejagter Held. Dazu kommt dieser unverwechselbare Minority Report-Touch, für dessen Look Spielbergs Stammkameramann Janusz Kaminski sich selbst übertroffen hat. Dazu im Kontrast ein majestätischer Klassik-Soundtrack & eine perfekt getimte Verfolgungsjagd über fast den kompletten Film, auf die jeder andere Regisseur stolz wäre, jedoch kaum in der Lage. All das wird die gerade gestartete TV-Serie nicht mal ansatzweise erfassen können - warum muss heute aus jedem guten Film eine TV-Serie gemacht werden? Ok, dann gäbe es kein "Fargo" oder "Hannibal", doch wesentlich mehr sind seinem Ursprung gnadenlos unterlegen. Anderes Thema. "Minority Report", der Film, war seiner Zeit so weit voraus, wie man es nur sein kann & ist für mich ein moderner Klassiker. Eine der letzten wirklich großen Stunden Spielbergs. Packendes Kinetik-Kino, dazu noch clever, gewagt & emotional mitreißend.


Schon alleine wenn ich die zukunftsweisenden Touchpads oder die Augenscanner, kleine Details wie den gläsernen Menschen oder die selbstfahrenden Autos sehe, kriege ich eine Gänsehaut, wie nahe an der gerade entstehenden Realität diese sind. Ich will nicht zu weit in die Zukunft schauen, aber "Minority Report" könnte das Jahr 2054 genauer voraussehen, als seine Precogs ein Verbrechen oder "Blade Runner" seinerzeit das Jahr 2019. Diese ziemlich graue Dystopie erschreckt mich jedes Mal aufs Neue & nur gegen Ende überschlägt sich der Film vielleicht etwas in seinen aufgetürmten Twists. Trotzdem sähe so wohl ein Hitchcock-Thriller der Zukunft aus & der Film bietet einen kurzen Blick in eben diese, wie sie unangenehmer & gefährlicher kaum sein könnte - selbst ohne Morde ;)


Fazit: wegweisende Sci-Fi-Verfolgung, die zu Spielbergs & Cruises Sternstunden gehört. Wird selbst in 100 Jahren nicht alt sein & besteht jeden Zahn der Zeit bravurös, das zeichnet sich jetzt schon ab - absolut unterschätzte, beängstigend realistische Zukunftsvision & Hitchcock-Thriller in einem!

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