Das Motiv der romantischen Komödie mit Happy-End-Garantie ist wohl so alt wie Hollywood selbst. Verständlich - geht es im Kino doch darum, das Grau des Alltags hinter sich zu lassen und den Zuschauer für eine Weile in eine magische Welt zu entführen. Das kann natürlich auf verschiedenste Weise geschehen; die einfachste und wohl auch beliebteste bleibt aber bis heute die komödiantische
Liebesgeschichte.
In diesem Sinne hat sich Nora Ephron in ihrer Filmlaufbahn stets relativ spezialisiert gehalten. Den meisten Kinogängern dürfte sie durch einschlägige Werke wie "Harry und Sally", "E-M@il für dich" oder "Verliebt in eine Hexe" bekannt sein. Einen ihrer größten Hits lieferte sie allerdings ganz eindeutig mit "Schlaflos in Seattle".
Die Geschichte um eine junge Frau, die kurz vor der Hochzeit steht und sich via Radio in einen Mann verliebt, dem sie nie zuvor begegnet ist, rührt zu Tränen. Tom Hanks gibt die Rolle des einsamen Vaters, der den Krebstod seiner Frau nicht überwinden kann, und sich doch nach außen reserviert und ausgeglichen zeigt, mit einer unaufdringlichen Intensität, wie sie wohl nur er darbieten kann. Diese Darstellung stummer Verzweiflung gräbt sich nicht nur ins Herz Meg Ryans, die ihre Figur etwas zu überzogen verwirrt, aber doch sympathisch spielt, sondern auch in das des Zuschauers. So fiebert man bis zur grandiosen Schlussszene sehnlich mit und hofft auf das wohlverdiente Happy End der beiden einsamen Seelen.
Doch nicht nur die Darsteller verleihen dem Film gehobenes Flair. Auch die Kameraarbeit wirkt stilsicher und originell, allerdings nie übertrieben. So wirft schon die erste Einstellung - in der ein großer Schwenk von Tom Hanks auf dem scheinbar einsamen, ruhigen Friedhof weg hinter ihm die Silhouette der unruhigen, mitleidlosen Großstadt offenbart - einen impliziten Blick auf die Psyche der Hauptfigur. Außerdem amüsiert die Story durch zahlreiche Anspielungen auf verschiedenste Filme Hollywoods - und ist an erster Stelle natürlich eine herzerwärmende Hommage an den Liebesfilm-Klassiker "Die große Liebe meines Lebens".
Leider verhindern verschiedene kleinere und größere Fehler, dass "Schlaflos in Seattle" selbst auf das Niveau eines solchen Klassikers klettern kann. So wirken viele Details realitätsfern und unglaubwürdig: Zum einen kommt der emotionale Ausbruch Hanks' am Anfang des Films in der Radio-Live-Show zwar nicht überraschend, aber doch deutlich zu schnell, bedenkt man seine anfänglichen heftigen Widerstände. Jemand, der sich seit anderthalb Jahren so tief in seine Trauer und Schutzwehr hineingearbeitet hat, wird nicht innerhalb von Minuten alles von sich abwerfen und seine Seele öffnen. Und auch, dass zum Finale die Wärter des Empire State Buildings allesamt so freundlich sind, die Liebenden, die sich hier treffen wollen, auf die Aussichtsplattform zu lassen, obwohl sie gerade abschließen, scheint der Wahrscheinlichkeit nach zu schön um wahr zu sein. (Abgesehen davon, dass sich der weiße 70-jährige Liftboy, der Meg Ryan hinaufbringt, bei ihrer gemeinsamen Rückkehr mit Tom Hanks in einen schwarzen 30-Jährigen verwandelt hat.) Und natürlich kann man auch allgemeine Kritik anbringen - ist der Film doch eines jener Paradebeispiele für verklärende, kitschige und realitätsfern unkomplizierte Liebesfilme.
Doch wie eingangs erwähnt: Kino soll zum Träumen anregen. Und diese Aufgabe bewältigt "Schlaflos in Seattle" als einer der romantischsten Filme der 90er problemlos.