Review

Wenn gerade kein fünfter, siebter oder neunter Teil zu haben ist, dann greift man einfach mal zur Nostalgie...
...denn soweit ist es jetzt schon gekommen, die goldenen 80er-Jahre mit ihren Teenager-Fantasy-Blockbustern gehören jetzt schon in die zitatwütige Nostalgieecke.

Aber Meister Spielberg hat noch immer seine Finger dran, denn sein moderner Epigone J.J. Abrams versicherte sich bei seiner Kindheitsverarbeitung der probaten Mitarbeit des Kenners amerikanischer Pubertätsträume und so ward (zwar nicht über Nacht) daraus eine kleine, flotte Mixtur aus "Die Goonies" und "E.T.", ein bißchen angereichert mit "Invasion vom Mars" namens "Super 8".

Was schon bei "Cloverfield" enorm gut funktioniert, läuft offenbar auch bei diesem Film wie geschmiert, nur ist "Super 8" weniger dem Katastrophenfilm als vielmehr den Jugendzeitabenteuern unserer Kindheit verhaftet, spielt aber dennoch nebenbei auch noch die Suspensekarte aus. Ohne den übermenschlichen Angreifer zuvor zu präsentieren, übte der Film schon mittels gelungener Anreißerszenen (Ausbruch aus einem entgleisten Zug) den nötigen Reiz aus, um auch die SF-Actionfans in einen Film zu treiben, der nebenbei das Feld der Kindheitstraumata und der ersten Liebe beackert - insofern keine Mogelpackung, sondern mit Spannung und Emotionen alles drin, was Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Freude machen soll.

Wo früher die 50er walteten, macht man nun den Rückschritt nur bis ins Jahr 1979 in die typische Americana-Kleinstast Lillian, wo sich gleich zu Beginn ein Familiendrama ereignet, die Mutter des 13jährigen Joe bei einem Arbeitsunfall verstirbt und der Junge mit dem erzieherisch eher unbeschlagenen Deputy-Papa zurückbleibt. Und was tut ein echter Hollywood-Jugendlicher in seiner Freizeit statt des vom Papa anvisierten Baseballcamps: er interessiert sich für Horrorfilme, macht in Make-Up und Kameraführung und dreht unter der Ägide seine übergewichtigen (muß dabei sein!) Freundes Charles einen Super-8-Zombiefilm, weil diese historisch gerade unheimlich angesagt waren (eigentlich hätte es eher ein Slasher sein müssen, aber was solls...). Und natürlich kommt in diesen Mix aus Konflikten und Träumereien auch ein Mädchen mit der hübschen Alice, die schon einen Wachstumsschub weiter ist und von Joe dezent angeschmachtet wird. Nur ist sie leider auch die Tochter des Mannes, der indirekt für den Tod von Joes Mutter verantwortlich gemacht wird, was die Gruppendynamik aus elterlicher Sicht nicht einfacher macht.

Doch das ist alles zeitweise zweitrangig, als ein High-School-Lehrer des Nachts einen Militärzug zum Entgleisen bringt und natürlich steckt hinter der Aktion ein übles Geheimnis und im Zug ein Besucher, der fortan die Gegend wahrhaftig unsicher macht. Hunde fliehen, Menschen verschwinden und reichlich technisches Zeugs verabschiedet sich auf Nimmerwiedersehen, während die Armee langsam aber sicher die Stadt besetzt, um den Ausreißer wieder einzufangen.

Man spürt es schon, in Abrams Film ist scheinbar an alles gedacht worden: eine zarte Liebesgeschichte, jugendliche Darsteller, Eltern-Kinder-Konflikte, kaputte Familien, Aliens, Miltär, Ausnahmezustände, Suspenseszenen und am Ende sogar ein monumentales Gefecht - und genau diese spielbergsche Idealmischung macht den Film so reizvoll für das inzwischen geschmacksneutral plastizierte 3D-Publikum, das selbst mal wieder in bessere Zeiten abtauchen würde, jetzt wo man selbst Kinder hat, mit denen man sich so einen Film ansehen kann.

Und ja, Abrams kann mit ein paar Pfunden wuchern, selten sahen die Spät-Siebziger so schön aus wie in diesem Film, so detailreich nachgestellt und so gemütlich kleinstädtisch, wie nur Stephen King uns Amerika erklären konnte, obwohl hinter der nächsten Ecke das Böse lauert. Dazu kommt ein überaus erlesener Cast aus begabten Kinderdarstellern, denen man sogar die Chemie untereinander bescheinigen kann.
Joel Courtney ist als Joe dabei die richtige Wahl, nicht total typisiert, kein Loser, kein Herzensbrecher, eigentlich ein ganz normaler Junge mit beinahe normalen Freunden und einem reizvollen Hobby, gefühlvoll und unternehmenslustig, wenn auch ohne große abgründige Kanten. Als Gegenüber strahlt jedoch Elle Fanning den gesamten Cast nieder, die die Gefühlspalette der halb verliebten, halb um ihren Säuferdaddy trauernden Teenagerin dermaßen gekonnt runterleiert, daß dem Publikum der Mund genauso offen bleibt wie der Teenagerfilmcrew bei ihrer ersten Szene.
So kommt der Film auch genau dann in größere Schwierigkeiten, als sie im letzten Viertel eine Weile aus der Handlung entfernt wird und das emotionale Zentrum ganz allein auf der Fünfergruppe von heranwachsenden Jungs besteht. Die wiederum glänzen über weite Strecken in ihrer jugendlichen Durcheinanderrederei mit einiger Chemie und lassen in den Dialogen einige Male erfreulich die Funken fliegen. Nur kommt leider nicht jeder ausreichend zu seinem Recht, allein der dicke Charles hat einige erfrischend atypische Szenen für seine adipöse Erscheinung.

Und genau an diesem Punkt kommen die kleinen Negativa zusammen, die das große Nostalgiefeeling ein klein bißchen schmälern. Chris Columbus schrieb seine Gruppe "Goonies" aus dem Herzen zusammen und stattete mittels dauerhaften Zusammenspiels jeden mit einem unverwechselbaren Charakter aus, egal ob der halbe Film aus hysterischen Schreiereien bestand. Hier haben wir zwar noch den schlacksigen Angsthasen, den zahnspangenbewährten Knallfrosch und einen nicht sonderlich originellen Fünften im Bunde (mehr gibt die Figur nicht her), aber leider kommen die begabten Jungs nicht halb so gut zum Zuge wie ältere Jugendbanden.
Das ist auch im Drehbuch begründet, daß die Screentime der sechs Jugendlichen durch weitere Handlungsstränge begrenzt: der Deputy, der als plötzlicher Sheriff über sich hinauswächst und seinen Sohnemann UND die Stadt retten muß; der versoffene Daddy als zu läuternder Kerl, die Armee mit dem notwendigen Uniform-Bösewicht und zahlreiche Spannungsszenen rund um das Alien, all das knabbert doch manchmal hart an der Laufzeit.

Besonders, weil Abrams zwar wohl eine Liste dabei hatte, was in so eine Art Film alles hineingehört, aber nicht in welcher Gewichtung. Die menschlichen Tragödien werden zwar angerissen, aber immer wieder hintenan gestellt; darüber hinaus kann sich offenbar hier niemand entscheiden, wohin die Ambivalenz des Besuchers nun führen soll. Ist er wirklich eine Gefahr, ist er als (intelligentes, aber agressiv gemachtes) Tier eine echte Bedrohung, bedroht es nur oder verschleppt und tötet es.
Über weite Strecken erweist sich so das Geheimnis um Identität und Erscheinung des "Fremden" als Bumerang, denn als es endlich an der Zeit ist, die Hintergründe alle zu erklären, steht der Film etwas zwischen den Stühlen, präsentiert den Showdown als Kleinstadt im Kriegszustand unter Dauerbeschuß und macht aus der Konfrontation von Junge und Alien einen nicht ansatzweise so emotionalen oder auch nur erklärbaren Moment, der sowohl mitreißt als auch die Vorgehensweise oder die Wandlung schlüssig macht.
So kulminiert alles in einem relativ gewaltarmen, aber auch nicht sonderlich logischen Höhepunkt, der nicht im Mindesten spektakulär genug ist, um den Spannungsaufbau und die zarte Love Story noch zu toppen - hier scheint das Abpausen bei "E.T." doch etwas platt geraten.
Ergänzend wirkt dann auch das Erscheinen des "Wesens" nicht eben für sensationelle Stimmung - bis zum Schluß bleibt die Physiognomie (wie bei "Cloverfield") eher unscharf und eine direkte Konfrontation präsentiert etwas, was unangenehm nach Computerschöpfung riecht und gleichzeitig einen unpassenden Moment der "Vermenschlichung" erhält, obwohl zuvor über Motivation und Vorgehensweise lange Zeit eher Unklarheit herrschte.

Kaum etwas zu ändern war an den Eltern-Kinder-Konflikten, allerdings scheinen die Beziehungen der Figuren untereinander etwas forciert, wahres Drama kommt leider dabei nicht zum Tragen und die Schwierigkeiten zwischen Vater und Sohn werden aufgenommen und wieder fallengelassen, weil man sich mit umfassenden Drehbuch etwas zu viel zugemutet hat. Alles muß beachtet werden, aber so gut wie nichts funktioniert wirklich reibungslos oder so, wie es verdient gewesen wäre. Das ist schade, denn der Cast ist durchgehend gut ausgesucht und hochmotiviert, die Leistungen fast durch die Bank ausgezeichnet.
Es reicht nur nicht zu einem klar definierten Konflikt, es fehlt der große, wahre Bösewicht, die tatsächliche Bedrohung - die einzige Figur, die man halbgar dazu aufbaut, wird schon nach gut drei Vierteln des Film vor dem letzten Akt beseitigt, danach verschwimmen Gut/Böse-Moralfragen zu einer nicht ausreichend definierten Melange.

Dem Publikum wird es größtenteils egal sein, denn "Super 8" macht über weite Strecken Spaß und ist nostalgisch genug, um über dramaturgische und emotionale Schwächen im Aufbau hinwegzutäuschen - allerdings hinterläßt der Film den Nachgeschmack, daß mit einer drei bis vierteiligen Miniserie der Idee wesentlich besser geholfen gewesen wäre.
Und ausgerechnet auf der großen Skala, beim Zugunglück, das zur großen Lebensbedrohung wird just als die Protagonisten erste Gefühle füreinander empfinden, da versagt Abrams Film. Da schießt ungemein realistisch gestalteten Jugendlichen binnen weniger Sekunden ein zuvor normalbeschleunigter Güterzug plötzlich als turboschnelle komplett computergenerierte Schrottorgie der Stufe 7,5 auf der nach oben offenen Michael-Bay-Skala um die Ohren, bei der man das Areal dreier Fußballfelder einäschert, nur eben die sechs Kinder und ihr Auto nicht.
In diesem Moment kann man schon ahnen, daß nicht nur die Zutaten, sondern auch die genaue Menge zählt und wie man alles vorsichtig miteinander vermengt, damit die Komposition gelingt. Dieser meisterhafte Feinschliff fehlt trotz bester Voraussetzungen, dennoch schmeckt die Idee nach mehr. (7/10)

Details
Ähnliche Filme