J.J. Abrams’ Filme zeichnen sich zwar nicht durch eine erkennbare Handschrift aus, meistens adaptiert er andere Stile, aber eines ist immer gleich: Der Hype um jeden neuen Film.
Der vorliegende Fall orientiert sich am Stil der frühen Filme von Produzent Steven Spielberg, eine figurenbezogene, warmherzige Geschichte im Genre des Phantastischen. Leise beginnt „Super 8“: Eine Anzeige unfallfreier Tage in einem Werk wird auf 0 gestellt, Schnitt zu einer Beerdigung, die Tote war die Frau des Deputy Jackson Lamb (Kyle Chandler) und Mutter von Joe (Joel Courtney). Es kommt zu einer Auseinandersetzung auf der Party, deren Sinn sich jedoch erst später erschließt. Abrams reißt Themen an, wirft Fragen auf und erzeugt damit Interesse, ohne dabei jemals plump zu sein.
Joe und sein bester Freund Charles (Riley Griffiths) sind Alter Egos von Steven Spielberg, dessen Einfluss auf den Film durchscheint: Filmverrückte mit Vorliebe für phantastische Stoffe, die selber gerne drehen – einen Zombiefilm auf Super 8, für das örtliche Filmfestival. Alice (Elle Fanning), die Tochter des örtlichen Trunkenbolds, will ebenfalls mitspielen, besorgt des Papas Auto und fährt mit der kindlichen Filmcrew raus zum Bahnhof um dort eine Szene zu drehen. Es folgt der bereits im Trailer und im Internet zu sehende Zugcrash, nicht nur einer der größten Schauwerte des Films, sondern auch der Einbruch des Übersinnlichen in „Super 8“, der bis dato als normale Jugendgeschichte in den 80ern daherkam (die Teenfilme der 80er werden derzeit ja gerne zitiert, man denke an „Adventureland“, „Easy A“ oder „Hot Tub Time Machine“).
Nicht nur sind die Kids Zeugen des Unfalls, infolgedessen nun das Militär anrückt, sondern sie erkennen auch, dass eine außerirdische Lebensform dabei entkommen ist. Der Kleinstadt stehen turbulente Tage bevor…
Man mag von einem Regiechamäleon wie Abrams halten was man will, hier hat er gut bei Spielberg abgeguckt oder sich gut von ihm beraten lassen, denn „Super 8“ versprüht den Charme, der bereits „E.T.“ oder den von Spielberg produzierten „Die Goonies“ ausmachte. Die Figuren sind Kinder, die zwar teilweise idealisiert werden, deren Perspektive der Film aber problemlos einzunehmen vermag. Schnell kann man als Zuschauer einer ähnlichen Faszination verfallen wie die Kids und Jugendlichen des Films, freut sich darüber im Abspann den Super-8-Film zu sehen, der als Film-im-Film gedreht wird, sucht die Wände der Kinderzimmer nach Postern (wie dem von „Halloween“) und die Handlung nach Zitaten ab. Immer wieder verbeugt sich der Film durchaus hintersinnig vor Klassikern, z.B. dem erwähnten Slasher „Halloween“ durch die Poster-Hommage, der ja wiederum auf den Alieninvasionsfilm „The Thing“ verwies, wenn dieser in „Halloween“ im Fernsehen lief.
Tatsächlich gehört „Super 8“, ähnlich wie „X-Men: First Class“ zu den Blockbustern des Jahres, die beweisen, dass sich Mainstream-Schauwerte und Figurenzeichnung nicht ausschließen müssen. Behutsam erzählt der Film die rührende Liebesgeschichte zweier ganz unterschiedlicher Jugendlicher, deren Beziehung durch die Welt der Eltern verkompliziert wird (auch wenn der Zuschauer erst gemeinsam mit Joe entdeckt, was denn nun dahinter steckt). Gleichzeitig degradiert „Super 8“ die anderen Figuren nicht zu Sidekicks und stereotypen Charakteren, schön zu sehen an Charles: Er hat eine heile Familie, also das, was Joe gern hätte, doch ist neidisch, weil Joe mit Alice anbandelt, auf die er eigentlich ein Auge geworfen hatte. Auch die komplizierte Vater-Sohn-Beziehung wird weder beschönigt noch überdramatisiert, sondern ausgesprochen gelungen in die Alienstory einbezogen. Und die Dialoge, vor allem die der Jugendlichen untereinander, versprühen Charme und unaufdringlichen Witz.
Tatsächlich mag man die groben Handlungsmuster des Films kennen, nicht zuletzt aus den gern zitierten Vorbildern, doch Abrams erzählt seinen Retro-Sci-Fi-Flick so schwungvoll, dass das gar nicht auffällt. Dabei kann „Super 8“ mit meist grandiosen Effekten auftrumpfen, reichlich jugendfreie, aber dafür doch recht düstere Action der spektakulären Art bieten, wenn wahlweise Alien oder Militär in der Stadt wüten und für so einige Schäden sorgen. Abrams verbindet dabei digitale Tricks und reale Stunts zu einer homogenen Melange, spart sich die Blicke auf das Alien in Gänze fürs letzte Filmdrittel auf und vergisst trotzdem nicht eben auch eine Geschichte zu erzählen.
Der Punkt, an dem „Super 8“ ein wenig strauchelt, ist allerdings das Finale. *SPOILER* Das Alien wird als missverstandene, vom Militär gejagte Kreatur dargestellt, was jetzt nicht neu ist, aber ein legitimer Ansatz. Allerdings macht es selbst doch unschön Kleinholz aus einigen Figuren, wobei der Film dann nur Nebenfiguren wegkillen lässt, mit denen dann aber erschreckend wenig Mitleid zeigt – ein krasser Gegensatz zu seiner Sympathie für seine Hauptfiguren. Das wirkt dann leider etwas uneins und schmälert den sonst so positiven Eindruck vom Film. *SPOILER ENDE*
Oft wurde Elle Fannings Leistung gelobt, doch wer „Super 8“ gesehen hat, der weiß warum: Eine grandiose Performance einer ausgesprochen talentierten Nachwuchsdarstellerin, die hoffentlich nicht in ein Karriereloch fällt wie ihre Schwester Dakota. Doch mit Joel Courtney, Riley Griffiths und dem Rest des Jungstruppe hat sie ein paar tolle Spielpartner bekommen, Kyle Chandler ist als Vater zwischen Fürsorge und Überforderung eine ähnliche Bereicherung wie Ron Eldard als ambivalent gezeichnete zweite Vaterfigur. Einzig und allein die Darsteller des Militärs lassen, trotz Mitwirkung des recht charismatischen Noah Emmerich, herausragende Leistungen missen – es fehlt hier an einer wirklich starken Antagonistenfigur.
Doch trotz kleiner Schwächen im Finale und des Fehlens einer einprägsamen Figur unter den Militärs entpuppt sich „Super 8“ als nicht nur nostalgischer, sondern auch warmherziger Blockbuster, der gleichzeitig Spektakelfilm und warmherziges, figurenzentriertes Drama ist. Neben vielen hohlen Materialschlachten im aktuellen Mainstreamkino ein schöner Film mit dem Herz am rechten Fleck.