"Lieber die Katze im Hirn als den Spatz in der Hand" dachte sich Fulci gegen Ende der Achtziger. Über den Zustand von Fulcis Spatz ende der Achtziuger ist zum Glück nichts bekannt, die Missetaten der in seinem Bregen wütenden Katze hingegen sind seit der Erscheinung des Filmes im Jahr 1990 in aller Munde und hinterlassen und hinterlassen bei Fans des Maestros seit her genau dort einen fiesen Geschmack. Den meisten Reviewern geht es dabei vorrangig um die Copy and paste - Produktion des Filmes, während die wenigen interessanten Momente der hauchdünnen Handlung leider etwas unter den Teppich fallen. Neben der Tatsache, dass die Filme, die hier als Schnittvorlage, allesamt zu öde sind, um eine Sichtung außerhalb dieser Fulci Best-of zu rechtfertigen...
Lucio Fulci, ein von Freunden und Mitarbeitern geliebter, im Lieblingsrestaurant stets hofierter und den Journalisten und Kritikern vergötterter Regisseur steckt inmitten einer psychischen Krise: gorige Flashbacks beim Mittagessen, Halluzinationen über Gärtner als blutgierige Mordbuben und Kameramänner als Nazischergen sowie Handgreiflichkeiten gegen Journalisten sind nur einige der Symptome, mit denen sich der sympathische ältere Herr (als einen solchen will uns der Film Fulci zumindest verkaufen) rumschlagen muss. Abhilfe soll dem frischgebackenen Irren eine Therapie beim Psychiater und Freud - Lookalike Egon Swharz (SIC!) bringen. Da dieser in seiner Freizeit selbst gerne in fremden Gedärmen wühlt kommt ihm der Regisseur ob seiner jüngsten Eskapaden als Sündenbock gerade recht. Fortan darf unser Fulci - Lutzn - nun per Hypnose um einige falsche Erinnerungen bereichert - deliriös von einem Tatort zum anderen stolpern, bis sich das Treiben des eigentlichen Täters und damit die Handlung des Filmes endlich gewaltsam in Wohlgefallen auflöst. Uff!
Zugegeben, die meisten der Filme, aus denen hier geklaut wird, habe ich nur halb oder im Schnelldurchlauf gesehen. Nach dieser Gorekompilation des späten Fulci beschleicht mich jedoch das Gefühl,mit den eigentlichen Originalen nichts verpasst zu haben. Des irren Katers Bregenmahl hingegen bindet diese Szenen zumindest amüsant genug ein, um zu unterhalten und Fulci darf seine Vorliebe für Hitchcock-Gedächtniscameos endlich auf einen flotten 90 - Minüter strecken, den er sich selbst auf den Leib geschrieben hat.
Leider scheint der gute Mann offensichtlich nicht viel von sich selbst gehalten zu haben, denn der heute durchaus positiv(er) rezipierte Genrepionier Fulci bewegt sich desorientiert und hilflos durch seine eigene Geschichte. Und ich habe nicht das Gefühl, dass es nur an den mangelndem Schauspieltalent des Maestros liegt, der hier im wesentlichen nur von Mord zu Mord schlufft und an seinem Verstand zweifelt. Hätte man eine derartige Produktion dieser Tage gedreht und dafür einen Fulci vor die Kamera gezerrt, der mittlerweile das stolze Alter von 97 Jahren erreicht hätte, wäre das dem Publikum gleich zwei empörte Aufschreie wert gewesen: zum einen darüber, wie man einen verdienten Regisseur wie Fulci durch den Dreck ziehen - und bei allem Schrott, den der Mann nach circa 84 drehte, bedenke man bitte: er hat jede Menge Klassiker aus allen erdenklichen Genres in seinem Portfolio! - und zum anderen, wie man einen offensichtlich psychisch kranken (ev. dementen?) Charakter so der Lächerlichkeit preisgeben kann. Vielleicht lese ich diesen Aspekt auch falsch und es ist eigentlich die Dauerpointe des Films, die uns Zuschauern zeigen soll, dass Fulci tatsächlich einfach nur der harmlose nette Onkel von Nebenan ist statt des gewaltgeilen Goregrantlers, für der er wegen seines Berufes gehalten wird. Wer weiß? Mir jedenfalls wäre ein aktiverer, reflektierterer Fulci, der auch aktiv etwas zur Suche nach dem eigentlichen Killer beiträgt lieber gewesen. Und da Fulci sich hier als Drehbuchautor selbst die Blöße und damit der Lächerlichkeit preis gibt geht das hier schon in Ordnung, auch wenn es stark masochistisch wirkt.
Es ist interessant, dass sich Fulci auf seine Produktionen der späten Achtziger beschränkt, statt in seiner Klassikerschublade zu plündern, was aber auch seinen im Film dargestellten Ruf als "dieser Horrorregisseur" unterstreicht. Interessant ist dahingehend übrigens auch, dass Fulci in einer Szene eine deutsche Journalistin angreift, die einen Bericht über ihn drehen will und die Kamera ihres in seinen Augen als Nazi auftretenden Kameramannes zertrümmert: in unseren Gefilden war Fulci mit zunehmender Popularität in den 80ern der Regisseur der Wahl, wenn es darum ging, das Genre Horror und seine Fans schlecht zu machen, wobei die Kritik sich meistens auf die gezeigte Gewalt beschränkte und den konservativen Pöbel des Landes nach Zensur plärren ließ.
Dass dann Fulcis Psychologe offenkundig auch noch ein Deutscher ist und selbst mordet ist ein weiterer interessanter Seitenhieb, zumal der fiese Freudianer sich ja auch über die Theorie, dass filmische Gewalt reale Gewalt provoziere lustig macht und Fulci als Sündenbock gerade deshalb auserwählt, WEIL er sein Brot mit dieser Art von Unterhaltung verdient. Mehr als (Selbst - )Parodie ist in diesen Szenen aber nicht erkennbar, zu einer handfesten Satire reicht es leider nicht aus.
Aber das will der Film auch nicht sein: der Regisseur wollte hier mutmaßlich noch ein letztes Mal die ganz große Fleischplatte a la Fulci servieren. Leider hat er hier auf sehr viele Konserven zurückgegriffen, die sich in großen wie schnellen Schritten dem Überschreiten des Verfallsdatums näherten. Was sehr schade ist, denn die galgenhumorigen Ansätze schätze ich ebenso sehr wie die Idee des Regisseurs, sich und sein Werk als eigentliche Protagonisten in den Vordergrund zu stellen. Aber wenn schon ein Best of Fulci, warum dann nicht auch mit den richtigen Klassikern? Es gibt in meinen Augen immerhin einen Grund, warum seine Werke der frühen Achtziger heiß begehrt sind und teilweise nach, aber auch vor ihrer verdienten Listenstreichung in obskuren Kleinkinos eine Wiederaufführung erfuhren, während seine späteren Videoverbrechen in lieblos gestalteten Boxen mit Ranzcovern in der Müllerfiliale ihres Vertrauens jahrelang auf Käufer warteten. So bin ich zumindest erstmals auf den Namen Lucio Fulci aufmerksam geworden und habe ihn Gott sei Dank nicht im Vorbeigehen abgeschrieben.
Naja, ich kann nicht behaupten, dass der Film mich mit seinen 90 Minuten Spielzeit nicht unterhalten hat, aber diese Unterhaltung rührt im Gegensatz zu anderen Filmen, die ich hier rezensierte rein von seinem Trashfaktor her.
Immerhin darf Fulci auf seiner passenderweise "Perversion" getauften Yacht mit einer hübschen Dame im Arm in den verdienten Urlaub fahren und den Film mit einer absoluten Rarität in Fulcis Kinokosmos beenden: mit etwas ähnlichem wie einem Happy End. Und damit ist der Streifen vielleicht auch der perfekte Abschluss für einen Fulcifilmabend mit Freunden, ein guter Rausschmeißer für die Heimkinoretrospektive einer großartigen und vielseitigen Filmkarriere, der leider noch einige mittelmäßige Nachträge folgen sollten. Ich werde diese These bei Zeiten in der Praxis überprüfen.