Ich bin großer Anhänger des Werkes von David Cronenberg und besitze alle seine Filme seit Beginn. So war EINE DUNKLE BEGIERDE natürlich Pflichtprogramm und die Erwartungen an die besondere Handschrift des Meisters sind groß. Manchmal ist man nach Filmen des Regisseurs etwas verstört, hier bin ich es auch, aber leider eher aufgrund der Erkenntnis, daß das Gesehene zwar handwerklich und dramaturgisch in Ordnung ist, die historische Ausstattung ist auch geradezu fehlerlos, aber von Meisterwerk oder speziellem Cronenberg-Faktor kann nicht die Rede sein zumindest wenn man Cronenberg Enthusiast ist und vielleicht überzogene Erwartungen hatte.
STORY OHNE SPOILER (!):
Der Psychoanalytiker C.G. Jung (Michael Fassbender) therapiert die junge Russin Sabina Spielrein (Keira Knightley). Er steht mit Sigmund Freud (Viggo Mortensen) in Kontakt und tauscht sich mit ihm aus, aber gefühlsmäßige Untiefen nahen, denn Beruf und private dunkle Begierde scheinen sich zu vermischen.... Das Thema um die weltbekannten Psychoanalyse-Protagonisten bieten so viel Stoff um daraus eine fesselnde Story zu machen, aber leider bleibt vieles nur an der Oberfläche und von psychologischem Tiefgang kann nicht gesprochen werden.
Schauspielerisch bieten Fassbender als Jung und Mortensen als Freud als auch Vincent Cassel als Otto Gross eine sehr gute und intensive Leistung. Mortensen nimmt man nach leichten Startproblemen den verhärmten Freud dann glaubhaft ab und die beiden agieren gut miteinander und die Unterschiede in den Ansichten und der finanziellen Ausstattung von Jung und Freud kommen unterschwellig sehr gut zum Vorschein. Keira Knightley darf man zwar großen Enthusiasmus mit diesem Film ins Charakterfach springen zu wollen unterstellen, aber für mich sind die Anfälle am Anfang einfach nur pures Overacting. Sie will Hysterie darstellen, simuliert aber eher spastische Anfälle und schiebt ihr überdimensioniertes Kinn ins Bild. Sie gewinnt eher an Tiefe in der Darstellung in der zweiten Hälfte des Films.
Die ruhige Gangart des Films sehe ich nicht als langatmig an, der Film verströmt schon einen dramaturgischen Sog in dem man sich erfolgreich fallen lassen kann. Auch die Geschichte dieser beiden historischen Figuren wird inhaltlich nur sehr oberflächlich behandelt und wer sich nur ein wenig mit den tatsächlichen Hintergründen beschäftigt hat weiß weit mehr als einem der Film vermittelt. Daß Cronenberg daraus nicht mehr macht und eher in massenkompatibler Art Möchtegern-Hobbypsychologen Kenntnisse befriedigt ist schon enttäuschend.
FAZIT (für Schnellleser mit wenig Zeit):
Cronenberg entfernt sich mit diesem Film bisher am weitesten von seinem filmischen Kern der letzten Jahrzehnte und den Stärken für die er bekannt ist. Und damit meine ich bei weitem nicht seine Bodyhorror-Wurzeln. Er ist sein gutes Recht sein Sujet frei zu wählen und auch die Fans zu vergraulen, aber haben die Thriller der letzten Jahre noch klar seine Handschrift getragen, so konnte zumindest ich diese in EINE DUNKLE BEGIERDE nicht mehr feststellen.
"Unterbewußtsein", "Begierde", "Arztehre" , "psychische Störungen", "Streit unter Wissenschaftlern" usw., die Themen geben ein reichhaltiges Menü ab, aber selbst Cronenberg macht daraus nicht mehr als ein handwerklich ordentliches Drama ohne Höhepunkte. Es gibt sicherlich eine Reihe von Sehern für die dies der erste Film von Cronenberg ist und somit konnten diese unvoreingenommen auf das Dargebotene zugehen. Aber wäre der Film nicht von Cronenberg - ich hätte ihn aufgrund des starken Fernsehspiels-Charakter sicherlich nicht aus freien Stücken gewählt oder zu Ende gesehen. Dennoch schafft es der Film nachzuwirken und das Kopfdrama zieht die eigenen Gedanken erfolgreich mit in die Handlung ein. Vielleicht ist dies die größte Leistung Cronenbergs mit dem vorliegenden Film und deshalb vergebe ich als Cronenberg Sympathisant trotzdem ergebene....
6/10 Peitschen...äh,...Punkten