WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN von Regisseurin Lynne Ramsay baut auf dem Roman von Lionel Shriver auf und zeigt uns eine einstmals glückliche Beziehung, die durch die Geburt des ersten Kindes eine dramatische Wendung erhält. Denn Kevin (als Jugendlicher: Ezra Miller) ist, vor allem gegenüber seiner Mutter, einer ehemaligen Reisejournalistin (Tilda Swinton), eiskalt und abweisend, über weite Strecken geradezu feindselig ... und das von Anfang an. Nur zu seinem Vater (John C. Reilly) kann Kevin eine zumindest neutrale, halbwegs offene Haltung einnehmen. Die anderen Familienmitglieder, also die Mutter und die später geborene Schwester, werden drangsaliert, nicht selten mit drastischen Mitteln. Warum Kevin das tut, erfahren wir nicht. Man muss es ja nicht platt erklären, aber ohne den geringsten Hinweis auf mögliche Ursachen hängt der Film damit leider gleich zu Beginn völlig in der Luft. Und das ändert sich auch nicht mehr. Was einem als Betrachter bleibt, sind wüste Spekulationen. Und die waren noch nie hilfreich.
Ein zweites Manko ist, dass der Film immer wieder zwischen den Zeitebenen changiert. Damit ist aber der Verlauf der Handlung schon weitgehend vorweggenommen, die Spannung beseitigt. Wir wissen, dieses Kind wird Böses tun ... und das tut es dann auch.
Dazu kommt die einfach zu dick aufgetragene Rotsymbolik, die die gesamte Lauflänge durchzieht, ja dominiert. Blut wird fließen, schreit uns der Film mit jedem Bild entgegen. Wobei genau diese Handlung dann arthousegerecht fast völlig aus dem Off gezeigt wird.
Dann gibt es eine weitere störende Szene, die fast als Aufforderung zur Prügelstrafe verstanden werden kann: Als die Mutter Kevin einmal im Affekt den Arm bricht, bezeichnet der ausgerechnet diesen Gewaltausbruch als einzig akzeptablen Akt im Rahmen seiner Erziehung. Nun ja ...
Tilda Swinton wurde für ihre Performance weltweit von den Kritikern hochjubiliert, mehr als routinierten Durchschnitt möchte ich ihr aber nicht attestieren, da gefielen mir John Reilly und Ezra Miller in ihren Rollen deutlich besser.
Insgesamt lässt mich der Film somit mit zu vielen Enttäuschungen zurück, als dass ich ihm eine bessere Note als eine kanppe 4/10 geben könnte.