Pinkes Blut auf meisterhaftem Asphalt
Wer "Drive" liebt, beweist guten Filmgeschmack. Gewagte These, ich weiß, da Geschmack bekanntlich subjektiv ist und sich schlecht kategorisieren oder präzisieren lässt. Trotzdem trennt sich für mich hier die Spreu vom Weizen. Filmfans von Gelegenheitsguckern. Guter Geschmack von schlechtem. Kunst von flacher Unterhaltung. "Drive" von der "Fast & Furious"-Reihe. Ok, unfairer Vergleich, versnobte Ansicht - aber es ist eben meine Meinung. Wer in diesem Zeitlupen-Feuerwerk nicht das Neon-Meisterwerk sieht, was es eindeutig ist, mit dem würde es mir schwer fallen über gute Filme zu diskutieren. Kein Film beeindruckte und prägte mich weit nach meiner Kindheit so sehr wie Refns ungewöhnliche Heist-Ballade. Es geht um einen wortkargen Stuntdriver & Mechaniker, der nachts Fluchtwagen fährt & sich in seine Nachbarin verknallt. Ihr zu Liebe nimmt er den falschen Job an und gerät in einen Strudel aus Gewalt, Stil und langen Sprechpausen...
Nie vergesse ich den Kinobesuch, in dem das halbe Kino, sicher auch "dank" der fehlleitenden Trailer, den nächsten tumben Actionreisser ala "Fast & Furious" erwartete... und dann kam "Drive". Er verzauberte mich, verärgerte viele andere Besucher. Das Kino tobte. In Nöten brodelte die Leidenschaft und Unverständnis. So kann es gehen. Ich hoffe meine Mitgucker haben sich nochmal einen freien, ruhigen & vorurteilsfreien Abend gegönnt & "Drive" eine zweite Chance gegeben. Denn diesen Film muss man auf der Zunge zergehen lassen. Gegen aktuelle Mainstream-Sehgewohnheiten, oft scheinbar mäandernd und selbstverliebt, aber im Endeffekt ein filmischer Diamant irgendwo zwischen Mann, Kubrick und Tarantino. Diesen Kunstwurf schaffte Regisseure NWR seitdem nicht mehr ganz zu wiederholen. Ein einmaliges Filmerlebnis, dass man sacken und seelisch schmelzen lassen muss.
"Drive" lässt mich, wie andere Best of All Time-Filme, bei jedem Gucken versinken und Neues entdecken. Eigentlich hätte er eher ein Gedicht statt herkömmlicher Kritik verdient. Wer die 70er/80er-Gangsterballaden ala "Point Blank" oder "Thief" immer mal mit einer ultrabrutalen Graphic Novelle fusionieren sehen wollten, der ist hier im siebten Filmhimmel. Was ist das bitte für ein hochkarätiger Cast? Wie oft habe ich mir nachts im Auto schon Cliff Martínez traumwandlerisch guten Soundtrack gegeben? Wie effektiv sind bitte diese Gewaltausbrüche? Was für eine faszinierende Mixtur aus Hypnose und Schlag ins Gesicht? Wie cool ist Ryan Gosling? Und wie kann ein farbenblinder Regisseur einen so betörend schönen Film drehen? Und die wichtigste aller Fragen: wie kann man "Drive" nicht mögen? Einer meiner 50 liebsten Filme aller Zeiten und nie mehr wegzudenken. Gänsehaut pur und ein handfester Beweis, Pink auf Schwarz, warum ich Filme liebe.
Fazit: NWR's unvergessliches Meisterwerk. Einer der besten nach der Jahrtausendwende. Style, Emotionen, Replayvalue, Innovation, Schauspiel - hier stimmt alles. Ein Gourmetspiess für Filmfans. We call it a Klassiker.