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Eine Symphonie von einem Film, ein kleines Meisterwerk...

Da läuft einem so ein Film über den Weg, dessen Trailer Action am laufenden Band verspricht, aber neeeee, da kommt plötzlich alles ganz anders und nach Filmende sitzt der 'früher war alles besser'-veranlagte Filmfreak noch ein Weilchen nahezu sprachlos vor der Glotze.

Allein beim Titel hatte ich ja eines der für Hollywood so üblichen und meist zudem sehr unrühmlichen Remakes erwartet. Opfer wäre hier Walter Hills 'Driver' gewesen, was man den Machern schon hätte verübeln müssen. Dieses Meisterwerk kann man einfach nicht verbessern.
Aber so sollte es passend ausgedrückt sein: 'Drive' orientiert sich grob an 'Driver', erweist dem Original diverse Referenzen, aber erzählt dann unerwartet eine ganz andere Geschichte.

Der Fahrer verdient auf drei Arten mit seinem Talent für Autos Geld, als Stuntman für Filmaufnahmen, als Schrauber in einer Werkstatt und als Fluchtfahrer für Überfälle. Er hat kaum Privatleben, ändert dies angesichts seiner Nachbarin mit Kind aber offenbar sehr gern. Eine sehr, sehr zarte Romanze entwickelt sich, doch kommt nie zum Erblühen, da ihr Mann aus dem Gefängnis entlassen wird. Der Fahrer wird quasi zum neuen Familienmitglied und weil der Ex-Insasse noch Schulden bzgl. Schutz im Gefängnis zu begleichen hat, soll ein Raubüberfall stattfinden. Dieser geht gehörig schief und nahezu alles eskaliert...

Auch diese Inhaltsangabe liest sich nach einer actiongeladenen Geschichte, aber sie ist es gar nicht. 'Drive' ist tatsächlich unglaublich vielschichtig. Es ist Gangsterfilm, Film Noir, Thriller, Psychostudie und Romanze in einem und das alles in einer den 80'er Jahren geschuldeten Optik und Akustik, dass ich kaum fassen konnte, wie dieser Streifen an mir vorbeigehen konnte. DAS war allerdings ganz einfach, der Trailer implizierte damals etwas völlig anderes, etwas, auf das ich keine Lust hatte.

Der ganze Film läuft ziemlich ruhig ab. Statt massig atemberaubender Verfolgungsjagden mit der Polizei oder fiesen Schergen findet der Film seine Stärken in durchdachten Aktionen, in dem sich die Bankräuber unter einer Brücke vor einem Helikopter verstecken und der Polizei noch direkt folgen, ohne entdeckt zu werden.
Dies wird allerdings auch dem zurückhaltenden Charakter des Fahrers gerecht, der stets den kühlen Kopf zu bewahren scheint. Er bleibt ruhig, handelt gänzlich sachlich und punktet damit in der Geschichte und vorerst auch beim Publikum.
Doch dann kommt eine bestimmte Situation und der Fahrer tickt kurz, aber prägnant aus. So läuft generell auch der Film ab, er ist recht ruhig, aber hintergeht den Zuschauer bezüglich der Gewaltspitzen, die ihn erwarten. Diese sind extrem gut platziert sind und sorgen für einiges an Verblüffung vor dem Bildschirm.

Bei der Besetzung kann man über keine Fehler meckern. Ryan Gosling ist nicht gerade DER Mime, aber für diese Rolle die Idealbesetzung. In sein fast stets neutrales Gesicht stiehlt sich allenfalls mal ein ganz leichtes Lächeln, wenn er mit seiner neuen Familie unterwegs ist. Die Gewaltspitzen hingegen lassen ihn ebenfalls keine Mine verziehen, was diesen Film für mich zur Psychostudie macht. Was für eine Geschichte muss hinter diesem Typ stecken, dass er wortwörtlich ohne mit der Wimper zu zucken, fast alles hinnimmt, sowohl unerträgliche Spannung bezgl. einer möglichen Verhaftung oder dem Tod eines Menschen?
Alle weiteren Rollen sind durchweg auch sehr gut, entsprechend sympathisch oder abstoßend, besetzt, da gibts rein gar nichts zu meckern.

Das letzte zu besprechende wäre noch der mir eigentlich zu plakative, aber nichtsdestotrotz sehr eingängige Soundtrack. Hier gehts sehr elektronisch zur Sache, aber glücklicherweise sind viele Einschläge aus den 80ern zu vernehmen, die in absolutem Einklang zu den bewegten Bildern stehen.

'Drive' ist aufgrund alldessen für mich nicht einfach nur ein Film, sondern ein kleines zurückhaltendes Meisterwerk, das sich viel zu sehr versteckt, um die gebührende Beachtung zu bekommen. Im Jahr 2011 ist es tatsächlich jemandem gelungen, eine Symphonie aus Bild, Ton und etwas Handlung zu komponieren, die mich völlig unerwartet vom Hocker riß.
Hier waren tatsächlich einige begabte Leute am Werk, die gezeigt haben, was das Medium Film eigentlich ist.
Danke hierfür!

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