Geschmack ist ja immer so eine Sache. Bekanntlich lässt sich darüber nur schwerlich streiten, dennoch gibt es ja doch so etwas wie Massenkompatibilität. Diese sorgt dann dafür dass Millionen kleine Mädchen in Schreikrämpfe verfallen, sobald Sie Mel Gibsons Biber (Justin) sehen. Oder dafür, dass glitzernde Vampire plötzlich cool sind (in meiner Kindheit wären solche Gestalten auf dem Schulhof zusammengeschlagen und um ihr Pausenbrot erleichtert worden). Oder dafür, dass Lesen wieder in ist, solange es grenzdebile Fantasy mit kleinen Zauberern ist, in deren Welt alles Namen hat, für die man sich eigentlich jenseits der Pubertätsgrenze schämen sollte.
Und dann kommt ein Film wie Drive, der bei Publikum wie Kritikern mit Lobpreisungen überschüttet wird und man sitzt nach dem Abspann immer noch irgendwie sprachlos vor der Glotze und hat ein imaginäres Fragezeichen auf der Stirn. Das also ist es, was die Allgemeinheit toll findet? Bei so etwas findet sich endlich der kleinste gemeinsame Nenner von Anspruch und Mainstream?
Drive hat viele gute Zutaten, keine Frage: Die tollen Bilder, die schönen Autos, die guten Darsteller und schöne handgemachte Splattereffekte. Es gibt einen ambivalenten Hauptcharakter, irgendwo zwischen schüchtern und eigenbrötlerisch, beherrscht und jähzornig, liebevoll und unberechenbar einzuordnen. Es gibt eine zarte Liebesgeschichte ohne viel inhaltslosem Gerede. Es gibt Verfolgungsjagden und wilde Kämpfe. Aber in seiner Gesamtheit ist Drive leider ein Film, der trotz seiner gerade mal 95 Minuten eine ganze Menge Sitzfleisch erfordert.
Noch nie in meiner Laufbahn als Filmfan ist mir ein Film untergekommen, der eine emotionsgeladene Geschichte dermaßen emotionslos erzählt. Der soviel über das Innenleben seiner Protagonisten verrät und gleichzeitig so wenig Zugang zu Ihnen bietet. Der die Balance zwischen Spannungsbogen und leisen Tönen dermaßen stört, dass am Ende weder das eine (Spannung) noch das andere (Drama) Gefühl übrigbleibt. Stattdessen aber ein dermaßen unterkühlter Film, dass man selbst bei 36° C im Schatten eine Decke braucht um nicht zu frieren.
Das alles könnte man sogar verzeihen, wenn die eigentliche Geschichte etwas anderes bieten würde als absoluten Standard. Denn mehr ist es nicht. Vielleicht ist das auch der eigentliche Witz, den uns Herr Refn hier erzählt. Ein Film der von Anfang bis Ende gegen jede Erwartungshaltung gebürstet wurde nur um eine schon zigtausend Mal erzählte Geschichte wiederzukäuen.
Wer Action oder Spannung erwartet, sei an dieser Stelle gewarnt. Wer Emotion erwartet auch. Wer jedoch einen sterilen aber schön gemachten, meditativ langsam inszenierten Film sehen möchte, oder einfach 80er-Jahre Musikvideos schön findet, für den mag das hier die Empfehlung des Jahres sein.