Zuweilen überhäufen Kritiker und Filmfreunde einen Streifen mit Lobeshymnen und man erwartet daraufhin mindestens einen kommenden Kultstreifen. Tatsächlich gelingt dem Dänen Nicolas Winding Refn ein audio-visueller Leckerbissen, was jedoch nicht kaschiert, es bei seinem Neo-Noir mit einem völlig schnörkellosen und im Kern recht flachen Action-Drama zu tun zu haben.
Der namenlose Driver (Ryan Gosling) hält sich mit mehreren Jobs über Wasser: Er arbeitet als Automechaniker, springt als gefragter Stuntman beim Film ein, während er nachts die Fluchtfahrten nach Einbrüchen übernimmt. Als er seine Nachbarin Irene und ihren Sohn näher kennen lernt, entwickelt Driver eine tiefe emotionale Bindung zu den beiden, die auch nicht nachlässt, als Irenes Mann aus dem Gefängnis entlassen wird. Um jenem zu helfen, legt er sich allerdings mit der Mafia an und gerät rasch zwischen die Fronten…
Die Eröffnungssequenz untermauert in allen Belangen, wie präzise Refn bei der Inszenierung vorgegangen ist, als Driver von den Cops gejagt wird, im Hintergrund Polizeifunk und die Übertragung eines Baseballspiels gleichzeitig laufen und der wortkarge Fahrer fast teilnahmslos auf seinem Zahnstocher herumkaut. Score, Farbgebung, Kamera und Schnitt bilden sofort eine homogene Mischung, die an Tage glorreicher Actioner wie „Bullitt“ erinnern und spätestens nach den Opening Credits in Pink kommt 80er Flair in die Bude, - da lässt „Miami Vice“, einschließlich des Synthie-Soundtracks grüßen.
Auch die sich anbahnende Romanze besticht durch wenige Worte und kleinen Nuancen beim Austausch von Blicken, - man erfährt nicht wirklich etwas über die Hintergründe von Driver, jedoch, wie seine coole Fassade für Momente beiseite geschoben wird und es offensichtlich auch einen emotional handelnden Menschen dahinter gibt, der loyal, manchmal auch ein wenig selbstlos handelt, zum Ende hin sogar zuweilen recht impulsiv, wie einige krachende Gewalteinlagen unterstreichen.
Nur leider offenbart die Story keinerlei Überraschungen: Hier ein Mäzen und moralisch einknickender Kumpel, dort ein windiger und stets motzender Mafiaboss, ein paar namenlose Handlanger und kleine Rädchen im letztlich überschaubaren Spiel um einen Koffer voller Geld und einen abgekarteten Raubüberfall.
Pure Actionfans zehren von rar gesäten, jedoch hervorragend gefilmten Verfolgungsjagden, doch am Ende werden Genrefreunde lediglich vom Style überzeugt, jedoch nicht von der Substanz der Geschichte.
Auch wenn Ryan Gosling mit nur wenigen Gesichtsausdrücken und stoischer Gelassenheit Sympathien erntet, Ron Perlman als meckernder Gangster ein paar tolle Szenen hat und Carey Mulligan als Irene einen Beschützerinstinkt und somit den harten Kerl mit weichem Kern im Betrachter weckt, so unaufgeregt und ordinär entfaltet sich die Story um eine Liaison, einen einsamen Fahrer in den ebenso einsamen nächtlichen Strassen von LA und den Racheakt gegenüber den Verantwortlichen, die jene aufkeimende Gefühlswelt des Hauptakteurs zunichte machen und ihn gleichzeitig herausfordern.
Das ist im Kern selten spannend, nur phasenweise atmosphärisch und eben gerade deshalb noch sehenswert, weil sich die Erzählung möglichst zeitlos gibt und gleichermaßen einige Referenzen populärer Vorbilder hervorhebt, was ein gewisses Retro-Feeling mit sich bringt.
Optische Kniffe, wie zwei Protagonisten lediglich als Schatten zu visualisieren oder mit erzählerischen Kontrasten, zwischen endloser Zeitlupe und Gewalteruptionen zu spielen, verleihen der Erzählung ein paar markante Momente, doch insgesamt entfaltet sich „Drive“ als Werk ohne Drive, doch immerhin mit souverän in Szene gesetzter Verpackung.
6 von 10