Ryan Gosling ist der Fahrer und wenn etwas diesen Status im Film noch bestärkt, dann, das sein Name niemals fällt. Die Reduzierung einer Persönlichkeit auf ihre Tätigkeit, vermittelt hohes Können und Professionalität, ebenso wie dessen ruhige Art von Coolness und Abgeklärtheit zeugen sollen. In den ersten Minuten, wenn Gosling am Steuer eines Fluchtfahrzeugs der Polizei von Los Angeles entkommt, scheinen sich diese Klischees noch zu erfüllen, aber Gosling gelingt es, gerade mit seinem sehr zurückhaltenden Spiel, dieser Figur eine Tiefe zu geben, die eine ganz andere Seite anklingen lässt.
Es ist die Begegnung mit Irene (Carey Mulligan), die verdeutlicht, dass seine Sprachlosigkeit und extrem ruhige Art beinahe autistische Züge in sich trägt. Darunter lässt Gosling eine tiefe Emotionalität spüren, die äußerlich kaum erkennbar ist, aber als er nach dem ersten gemeinsam verbrachten Tag mit Irene und deren Sohn Benicio, ihr still gegenüber steht, spürt man ihre Gefühle und Verbundenheit, ohne das sie durch Interaktionen ausgedrückt werden müssen. Der "Fahrer" kann gar nicht anders agieren, als er es tut, und die einzige Möglichkeit, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen, ist zu fahren, so wie er es auch meist mit Irene tut, die Diejenige ist, die ihre Hand auf die seine legt, obwohl die junge, verheiratete Frau, deren Mann im Gefängnis sitzt, selbst sehr zurückhaltend ist.
Die stilisierte Figur eines "Fahrers" wurde schon in vielen Action-Filmen verwendet, in der Regel in der Heldenrolle, verbunden mit coolen Sprüchen und einer selbstbewussten Art gegenüber dem weiblichen Geschlecht - doch mit diesen Figuren hat der "Fahrer" hier nichts gemein, außer seiner Professionalität hinter dem Lenkrad. Die scheinbare Stilisierung dieses Typus wird mit zunehmender Laufzeit demontiert, denn Gosling verliert immer mehr die Kontrolle über sich, was sich in erschreckenden Gewaltexzessen zeigt, in denen er nicht mehr die Grenzen einhält, die von einer Identifikationsfigur erwartet werden.
"Drive" gelingt es so, einen scheinbaren Supertypen auf eine menschliche Größe zu reduzieren - auf einen Menschen, der zwar eine besondere Fähigkeit besitzt, in der Kommunikation aber komplett versagt. Seine Namens- und Geschichtslosigkeit ist keine Stilisierung, sondern Zeichen seiner Unfähigkeit, sich Anderen mitzuteilen. Der Fahrer taugt nicht als Identifikationsfigur und das es Gosling trotzdem gelingt, ihm sympathische Züge zu verleihen, macht erst die Komplexität dieser Figur aus, auch ersichtlich darin, dass es dem Betrachter schwer fällt, sich von dessem Heldenstatus zu verabschieden.
Denn natürlich spielt "Drive" mit den Erwartungshaltungen der Betrachter an diese Figur, verkauft die Sprachlosigkeit als Coolness und lässt lange Zeit offen, welche Verbindungen unter den einzelnen Protagonisten bestehen, die zu Beginn scheinbar zusammenarbeiten, als Shannon (Bryan Cranston) den Geschäftsmann Bernie Rose (Albert Brooks) darum bittet, ihm finanziell beim Aufbau eines Rennstalls zu helfen, den er mit dem Fahrer betreiben will. Auch Nino (Ron Perlman) beteiligt sich an dem Geschäft. Zwar tauchen erste Risse erst auf, als Irenes Ehemann Standard (Oscar Isaac) aus dem Gefängnis entlassen wird, aber schon von Beginn an, vermittelt "Drive" niemals den Eindruck, das hier irgendetwas glatt gehen könnte.
Fast ist es schade, dass "Drive" von der Handlung her, die keine Freude oder Befriedigung vermittelt, sondern in der die Gewalttaten regelrecht schockieren - weniger in ihrer drastischen Darstellung, als durch die explosive Unbeherrschtheit der Ausführenden - wenig überraschendes zu bieten hat, sondern auf die klassischen Mafia-Motive zurückgreift. Doch angesichts der ruhigen Bildführung, der sparsam, aber wirksam eingesetzten Action und einer durchgehenden Ernsthaftigkeit, die keinerlei Bedürfnisse nach coolen Sprüchen befriedigt, bleibt so noch ein Rest an vertrauten Action-Elementen (8/10).