Review

Charlie Chaplins erster, abendfüllender Film beschreibt seine eigenen Erfahrungen als Kind im Waisenhaus, welche von tiefer Trauer und Verzweiflung geprägt sind. All das merkt man auch diesem Streifen an, der in seinen besten Szenen kaum intensiver sein könnte. "The Kid" zählt trotz seines glücklichen Endes und der allgemein eigentlich relativ fröhlichen Stimmung zu einem traurigen Stummfilm-Klassiker.

Der Tramp findet ein Baby neben einer Mülltonne liegen und nimmt sich nach einiger Überlegung des Kindes an. Er hegt und pflegt es, bis die beiden fünf Jahre später ein gutes Paar abgeben. Das Kind zerstört absichtlich Fenster, während Charlie immer gleich zur Stelle mit einer neuen Scheibe ist, die allerdings bezahlt werden muss. Das Leben scheint sorgenlos, bis man Charlie das Kind wegnehmen will und letztlich auch noch die leibliche Mutter die Fehler ihrer damaligen Vorgehensweise ausbessern und das Kind zu sich nehmen will.

Fünfzig Minuten lang unterhält der Tramp auf schöne Art und Weise. Der Slapstick herrscht natürlich über den Streifen und es gibt genug Szenen, die nachhaltig im Kopf bleiben und zu Lachsalven animieren. So zum Beispiel jene Sache mit dem muskulösen Jungen, der Charlie eins auswischen will, oder dem flirten mit der Frau des Polizisten. Der traurige Höhepunkt findet sich in der Mitnahme des Kindes. Diese Szene ist auch dank der eindringlichen Musik Chaplins ein Gänsehautgarant.

Nur leider hätte Chaplin nach dieser Szene lieber Schluss machen sollen. Was danach kommt, ist zwar immer noch lustig und unterhaltsam, will aber nicht mehr so sehr ins Grundschema des Films passen. Vor allem die häufig kritisierte Traumsequenz erscheint aus heutiger Sicht überflüssig. Als eigentändiger Kurzfilm hätte dies sehr gut funktioniert, aber nicht als Bestandteil des Films. Auch das Happy End wirkt in seinem Ansatz etwas aufgesetzt.

Trotzdem bleibt "The Kid" ein denkwürdiges Debüt in Sachen Langfilm, der seinen Platz in Chaplins Filmreihe verdient hat. Die perfekte Zusammenarbeit zwischen Chaplin und Jungdarsteller Jack Coogan ist ein Augenschmauß, genau wie das ganze Kind an sich. Trotzdem finde ich nicht - wie so viele andere - dass Coogan Chaplin hier in jeder Szene die Show stiehlt, dazu ist Chaplin einfach zu lustig.

Fazit

Sehr bewegendes Werk mit einigen brüllend komischen Szenen, aber auch ein paar Längen gegen Ende und einem gezwungen wirkenden Happy End.

9/10

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