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"Euer Gesicht kommt mir bekannt vor. Habe ich euch schon mal bedroht?"

Nach dem erfolglosen Rettungsversuch Gibbs (Kevin McNally) aus den Fängen der Londoner Justiz zu befreien, sieht sich Captain Jack Sparrow (Johnny Depp) dem britischen König George (Richard Griffith) und seinem Rivalen Hector Barbossa (Geoffrey Rush) gegenüber. Beide wollen ihn dazu verpflichten sich gemeinsam mit ihnen auf die Suche nach dem legendären Jungbrunnen zu begeben, zu dessen Standort Sparrow eine Karte besitzt. Eine erneute Flucht führt ihn zu dem Piraten Blackbeard (Ian McShane) und der heißblütigen Spanierin Angelica (Penélope Cruz). Beide sind ebenso an der der Quelle der ewigen Jugend interessiert. Zudem verbindet Angelica und Jack eine gemeinsame Vergangenheit. Gegen seinen Willen findet sich Sparrow auf der Queen Anne’s Revenge, dem Schiff des Piraten Blackbeard, wieder. Abgesehen von der Crew und einigen Offizierszombies befindet sich noch der gefangene Missionar Philip (Sam Claflin) mit an Bord. Neben der britischen Krone sind auch die Spanier bereits ausgelaufen, um nach der begehrten Quelle zu suchen.

Als 2007 mit “Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt” das Finale der ersten Trilogie eingeleitet wurde, ging der Reihe schon merklich die Luft aus. Nach einem überladenen zweiten Teil wirkte der dritte geradezu minimal und verwirrend, was Figurenkonstellationen betraf. Der Gedanke die Reihe durch eine weitere Trilogie zu erweitern, wurde vielfach mit Skepsis aufgenommen. Abbringen ließen sich die Disney- und Bruckheimer-Studios allerdings nicht. Jedoch wurde Regisseur Gore Verbinski durch Rob Marshall ("Chicago") ausgetauscht, um sich auf die alten Tugenden der Saga zu besinnen. So folgt mit “Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten” ein regelrecht klassischer Abenteuerfilm, der zwar pompös daher kommt, doch im Kern stets auf dem Boden bleibt.

Anstatt dass jede Figur ihr eigenes Ziel verfolgt, haben alle Charaktere dieselbe Richtung: Den sagenumwobenen Jungbrunnen. Im Kern bietet dies eine klassische wie simple Abenteuerstory, die sehr gradlinig und vorhersehbar arrangiert wurde. Vielleicht ein wenig zu schlicht, da die Möglichkeit aus einigen Neuzugängen in der Reihe etwas Mehrschichtigkeit einzubinden, kaum genutzt wurde. Glücklicherweise liefern gerade diese Momente Anknüpfungspunkte an eine zu erwartende Fortsetzung.

Schmerzlich wird der Kenner der vorhergehenden Filme die Figuren Will (Orlando Bloom) und Elizabeth (Keira Knightley) missen, da gerade die erste Hälfte nicht ohne Leerlauf voran treibt. Die neuen Protagonisten bieten zwar Potential, werden allerdings teils nur grob umschrieben oder bleiben von ihrer Motivation her gesehen unbeleuchtet. Besonders bei Blackbeard macht sich dies bemerkbar. So wird er zwar als ein abgrundtief böses Scheusal dargestellt, bleibt jedoch zumeist relativ handzahm. Gegenüber früheren Bösewichtern zieht Blackbeard ganz klar den Kürzeren.
Die "Fluch der Karibik"-Reihe gehört immer dem Piratenkapitän Captain Jack. Und diesmal mehr als noch zuvor. Bereits auf den meisten Filmplakaten ist er als einziger der Charaktere zu sehen. Im Film ist dies relativ äquivalent. Wie schon zuvor ist es eine wahre Freude zu sehen, wie der beliebte Pirat mit seiner Dreadlock-Mähne und der gefühlten Rum-Fahne torkelnd und nuschelnd von einem Abenteuer in das nächste stolpert, auch die abwegigsten Situationen stoisch meistert, stets charmant, wagemutig und immer auf seinen eigenen Vorteil bedacht.

Die Action die dabei präsentiert wird, kann sich durchaus sehen lassen, liegt aber weit hinter den Vorgängern zurück. So wird komplett auf Seegefechte verzichtet, was besonders Genre-Fans enttäuschen dürfte. Auch die dynamischen und gnadenlos überzogenen Kämpfe gehören der Vergangenheit an. Teil 4 bietet bodenständige, geradezu statische Säbelduelle, die zunächst ungewohnt unspektakulär über die Leinwand flimmern.
Die Höhepunkte liegen an anderer Stelle und offenbaren sich erst in der zweiten Hälfte des Films. Wie gewohnt mischt auch “Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten” das klassische Genre des Piratenfilms mit allerlei Fantasy-Elementen. Um den Jungbrunnen nutzen zu können sind einige Gegenstände nötig, so beispielsweise die Träne einer Meerjungfrau. Das Aufeinandertreffen mit diesen Wesen gehört zu den intensivsten Momenten, die der Film ausspielen kann. Betörend schön, verführen sie jeden Piraten der sich in ihre gefährlichen Gewässer begibt und ziehen jeden von ihnen in das tiefe, kalte Nass. Hier wird das bekannte Schauermärchen bildgewaltige Wirklichkeit.

Während sich die Actionszenen zurück halten um der Abenteuer-Geschichte den Vorlauf zu lassen, bleibt auch der Humor teilweise auf der Strecke. Zwar sorgt Jack Sparrow stets für ein paar amüsante Einlagen in Form von Slapstick sowie Wortwitz, insgesamt ist dieser jedoch weitaus subtiler als in den Vorgängern. Hinzu kommt, dass sich viele Dinge bekannt anfühlen und dadurch Kenner kaum etwas Neues geboten bekommen.

Schon auf den ersten Blick besticht „Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten“ durch seine opulente Ausstattung. Die entworfenen Kostüme sowie die Kulissen imitieren auf Anhieb ein glaubwürdiges Abbild des 18. Jahrhunderts. Stimmungsvoll dazu erklingt der Soundtrack mit seinen bekannten aber wirkungsvollen Themen.

“Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten” ist hervorragend besetzt. Johnny Depp ("Alice im Wunderland", "Sweeney Todd - Der teuflische Barbier aus der Fleet Street") schlüpft mit erneuter Leichtigkeit in seine Paraderolle des eigenwilligen Piratenkapitäns. Das Zusammenspiel zwischen ihm und der als Gegenpol erdachten Penélope Cruz ("Bandidas") funktioniert einwandfrei.
Während Geoffrey Rush ("The King’s Speech") in seiner nun aristokratischeren Piratenrolle regelrecht aufblüht, bleibt Ian McShane ("Death Race") überraschend blass. Noch überraschender ist jedoch das für Ausgleich sorgende Leinwandpaar Sam Claflin und Astrid Berges-Frisbey. Die beiden Nachwuchsdarsteller ersetzen die Romanze zwischen Orlando Bloom und Keira Knightley und bieten einen optisch äußerst ansprechenden Ersatz.
Selbst manch unwichtig erscheinende Nebenrolle ist durch bekannte Gesichter besetzt. So begeistern Richard Griffiths ("Harry Potter"-Reihe), der britische Gitarrist Keith Richards sowie das australische Model Gemma Ward mit ihren jeweiligen darstellerischen und optischen Vorzügen.

Das Rückbesinnen auf die Tugenden der Reihe zahlt sich aus. Zwar kommt “Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten” nicht an "Fluch der Karibik“ heran, fühlt sich aber besser an als die beiden überladenen Nachfolger. Der klassische Abenteuerfilm bietet schön anzusehende, kurzweilige Unterhaltung für ein Massenpublikum. Nach wie vor ist Johnny Depp die Rolle des Jack Sparrow wie auf den Leib geschrieben, nach wie vor ist die Atmosphäre durch passende Kulissen und Kostüme stimmungsvoll. Wahre Höhepunkte ergeben sich allerdings erst mit zunehmender Laufzeit und etwas ungewohnt erscheinen die vernachlässigten Actionszenen, die insbesonders ein richtiges Gefecht auf See schmerzhaft missen lassen. Knappe...

8 / 10

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