Ein Streifen von Jim Jarmusch ist meistens ein Erlebnis und wer "Dead Man" gesehen hat, darf durchaus was von "Ghost Dog" erwarten. Hab ich auch und wurde nicht enttäuscht.
Seine konditionierten Sehgewohnheiten sollte man selbstverständlich verdrängen, denn Jarmusch lässt wieder einen Film auf uns los, der vor Außergewöhnlichkeit nur so strotzt. Da ist ein Auftragskiller, der auf einem Dach einer Großstadt lebt. Seine einzigen Gefährten sind die Tauben, mit denen er zu seinem Boss Kontakt hält. Freunde hat er bis auf einen Eisverkäufer, der französisch spricht, keine. Als bei einem Job was schief läuft, wird er zum Gejagten.
Es ist schwer zu beurteilen, was Jarmusch damit bezwecken wollte, auf jeden Fall ist die Thematik "Töten für Geld" nicht das Hauptthema. "Ghost Dog" ist vielschichtiger und poetischer, immer wieder bekommt der Zuschauer Sinnsprüche zu hören, über die sich nachzudenken lohnt, Forest Whitaker in der Hauptrolle spricht selten und wenn dann meistens über die Aufgaben eines Samurai. Übrigens eine reife Leistung von Whitaker, der sich wortkarg, aber charakterstark gibt und in dieser Rolle sicher einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Interessante Unterschiede zu "Dead Man" offenbart der Schauplatz: Hier sind es die Abgründe einer tristen Großstadt, die dem Zuschauer dargelegt werden, in "Dead Man" waren es die bizarren Eigenheiten der Natur. Jarmuschs Impressionen der Stadt lassen den Zuschauer nicht kalt, irgendwie fühlt man sich immer unwohl, auch aufgrund nicht erklärbarer Zwischenfälle wie der mit dem Hund. Da sollte jeder für sich eine schlüssige Interpretation finden, jedenfalls bestätigt sich das ungute Gefühl im Hinterkopf in den Schlussminuten, die sehr nachdenklich und traurig ausfallen.
Zuvor geht es aber bisweilen auch mal ruppiger zur Sache, Leichen gibt es hier genug. Ghost Dog ist Meister seines Fachs, das zeigt sich, als er in einer Villa ordentlich aufräumt, wovon ein einfallsreicher Kill besonders im Gedächtnis bleibt: Ein Mafioso wird durch ein Abflussrohr erschossen, eine geniale Situation.
Ein derart bizarr-alptraumhafter Trip wie "Dead Man" ist "Ghost Dog" zwar nicht, doch für Fans des Indie-Films und für diejenigen, die mal was anderes sehen wollen, ist dieser Streifen immer noch eigenwillig genug und bietet Stoff zum nachdenken, sodass sich mehrmaliges Sehen auf jeden Fall lohnt.