Review

Im Grunde verfügt "I phone you" über ideale Voraussetzungen, chinesische und deutsche Charaktere selbstironisch aufeinander prallen zu lassen - ganz ohne die übliche multikulturelle Correctness. Die chinesische Regisseurin Dan Tan entwickelte zusammen mit dem erfahrenen Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase die Story, die von den Hauptdarstellern Yiyan Jiang und Florian Lukas getragen wird und sowohl in Berlin als auch in der chinesischen Großstadt Chongqing spielt.

Dort beginnt auch die Story mit einer in Europa eher ungewohnten Geschäftsidee. Als Blumen verkleidete junge Frauen übergeben persönlich die Sträuße zu unterschiedlichen Anlässen - mal bei einer Hochzeit, begleitet von einer kleinen Tanzeinlage, dann mit Entschuldigungstext bei einer betrogenen Ehefrau. Doch zuvor sah man die hübsche Ling Ling (Yiyan Jiang) in einem Hotelzimmer aufwachen, das sie im roten Armani-Kleid und hochhackigen Schuhen verließ, um mit dem Firmen-Motorroller zur Arbeit zu fahren. Bei ihren Blumenmädchen-Kolleginnen herrscht natürlich neugierige Aufgeregtheit hinsichtlich ihres nächtlichen Abenteuers, dass schon bald konkrete Züge annimmt, denn noch während sie zusammen sitzen, liefert ein Bote ein nagelneues I-Phone, auf dem sich der Liebhaber meldet, um so weiterhin zu Ling Ling Kontakt halten zu können. Er selbst, ein chinesischer Geschäftsmann, lebt in Berlin.

Die erste Viertelstunde des Films gehört China - und angesichts der späteren Ereignisse, wäre der Film auch besser dort geblieben. Trotz der kleinen Absurditäten zu Beginn, vermittelt "I phone you" insgesamt ein sehr lockeres, jugendliches Bild, geprägt von jungen Frauen zwischen staatlich genehmigter Ausbeutung und einer ungezwungenen Lust auf das Leben. Natürlich ist die filmische Liebesbotschaft, die der ferne Verehrer an Ling Ling schickt, purer Kitsch, aber der Blick darauf bleibt immer sympathisch, auch weil die Protagonistin es ernst meint. Sie überredet ihren Chef, ihr das bisher vorenthaltene Gehalt zu geben - was dieser natürlich nur für sie aufbewahrt hatte - und fliegt spontan nach Berlin, um Vong (Aaron Hong Le) zu überraschen.

Die Überraschung gelingt, aber anders als sich Ling Ling das ausgemalt hatte. Leider verändert der Film gleichzeitig seinen bisher so charmanten, von der Hauptdarstellerin überzeugend getragenen Gestus - und das hat weniger mit dem Spielort Deutschland zu tun, als mit dem plötzlichen Verlust der bisherigen Gelassenheit. Aus der Konfrontation der jungen Chinesin mit der deutschen Hauptstadt Berlin hätte man eine Menge machen können, aber anstatt mit einer gewissen Nonchalance deutsche Eigenarten zu karikieren, holt man auf gut Deutsch den Holzhammer raus.

Den Anlass dafür bietet eigentlich noch der chinesische Geschäftsmann Vong, der keineswegs erfreut ist, über Ling Lings Ankunft, weshalb er seinen Bodyguard und Chauffeur Marco (Florian Lukas) zum Flughafen schickt. Dieser kann natürlich noch weniger Englisch als die junge Chinesin, weshalb die Verständigung sehr holprig wird. Bei der deutschen Kneipe, in die er sie mitnimmt, handelt es sich zudem nicht nur um sein Stammlokal, sondern auch seine Freundin Susi (Annette Frier) steht dort hinterm Tresen. Gäste aus Fernost scheinen dort noch sehr unbekannt zu sein, denn anders lässt es sich kaum erklären, warum Susi sofort eifersüchtig auf die "Asia-Püppi" reagiert, obwohl Marco das zurecht als Arbeit für seinen Boss erklärt - bei dem es sich, nur um daran zu erinnern, auch um einen Chinesen handelt, was auch Susi bekannt sein dürfte.

Diese Szene ist symptomatisch für einen Film, der jedes authentische Maß aus den Augen verliert, nur um auf Teufel heraus Konflikte zu beschwören. Sicherlich ist ein ironischer Blick auf rassistische, Ausländer feindliche Haltungen gerechtfertigt, aber die notorische Haltung jedes Deutschen, der Marco und Ling Ling gewahr wird, sie entweder für eine Prostituierte oder sonst wie billig abgeschleppte Braut zu halten, entbehrt nicht nur jeder realen Grundlage, sondern ist auf Dauer wenig amüsant und verliert damit sein kritisches Potential. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass auch alle Begleitumstände immer das möglichst negative Klischee erfüllen müssen - das Hotelzimmer, in das der reiche Vong die chinesische Geliebte abschiebt, verbreitet noch unverfälschten 70er Jahre Charme und der zuerst noch sympathisch wirkende Marco kann es auch nicht sein lassen, Ling Ling auf die plumpeste Art anzubaggern.

Dabei hätte es genügt, wenn Florian Lukas den Porsche fahrenden Leibwächter Marco mit den üblichen, selbstverliebten Eigenarten angelegt hätte, aber deshalb hätte er doch keinen unsensiblen Idioten markieren müssen. Das "I phone you" in der weiteren Handlung kaum etwas auslässt - beginnend bei dem Hundesteuer jagenden Berliner Ordnungsamt, Abschiebung in eine Unterkunft für Obdachlose, über die Entführung durch asiatische Mafiosi, einen verklemmten, auch gleich ein Sex-Abenteuer witternden Softie (für einen sorgfältig zurecht gelegten 10 Euro-Schein), bis zu rassistischen Schlägern - könnte man noch als übertriebenen Komödien-Willen rechtfertigen, aber warum muss Marcos Kurzstrecken-Weg vom ungehobelten Klotz zum wahnsinnig Verliebten so unglaubwürdig und peinlich ausfallen?

Denn auch wenn die letzten Berlin-Szenen wieder interne chinesische Angelegenheiten widerspiegeln - Ling Ling trifft doch noch auf Vong - die auch ins Übertriebene abgleiten, so bleibt doch einzig Ling-Ling als nachvollziehbare, in ihren Reaktionen authentische Figur zurück, genauso wie ihr Alltag in China. Das sie am Ende nicht nur ihre Würde bewahrt hat, sondern froh ist, wieder in ihrer Heimat zu sein, ist angesichts des vorherigen Treibens mehr als verständlich und dem Film nicht vorzuwerfen. Vorzuwerfen ist "I phone you" nur der Weg dahin, denn während der Blick nach China leicht ironisch, aber sympathisierend ausfällt, verfällt er auf deutschem Territorium in den klischeehaften Charakter einer Hau-Drauf-Komödie, in der es prinzipiell nur von Idioten wimmelt - das sie aus unterschiedlichen Ländern stammen, spielt dann auch keine Rolle mehr. Mit einem distanzierten, komödiantisch verpackten, kritischen Blick auf nationale Eigenarten hat das leider nichts zu tun (3/10).

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